Gewalt-Statistik

Erwachsen, männlich, deutsch, betrunken - die Gefahr für Polizisten lauert im Alltag

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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24.6.2024, 16:01 Uhr
Gewalt gegen Polizeibeamte bei Großereignissen ist eher die Ausnahme als die Regel. Tückischer und damit weit gefährlicher sind vermeintlich alltägliche Situationen, in denen die Beamten auf betrunkene gewaltbereite Menschen treffen.

© Carsten Rehder/picture alliance/dpa Gewalt gegen Polizeibeamte bei Großereignissen ist eher die Ausnahme als die Regel. Tückischer und damit weit gefährlicher sind vermeintlich alltägliche Situationen, in denen die Beamten auf betrunkene gewaltbereite Menschen treffen.

Die Zahlen sind dramatisch, und es ist mehr als bedenklich, wie gewaltbereit manche Menschen auch Polizeibeamten gegenüber sind. Fast 20.000 Einsatzkräfte haben 2023 einen Übergriff angezeigt, mehr als jeder zweite Beamte also.

Die Zahl liegt in etwa auf dem Niveau der Vorjahre, 2020 war sie schon deutlich höher gewesen, 2019 niedriger. Die Coronajahre zeigen wider Erwarten keine signifikanten Veränderungen, eher schon spiegelt sich das massive Vorgehen Bayerns gegen die Reichsbürgerszene wider - die stellen hier mittlerweile ein Viertel der so genannten Szene-zugehörigen Tatverdächtigen.

Gewalt gegen Polizisten: Risiko für Beamte im Alltag

Denn auch das zeigt die Statistik: Es sind nicht die Großereignisse wie Demos oder Fußballspiele, die für die Beamten riskant sind. Es sind die alltäglichen Aufgaben, die sie in Gefahr bringen. Wenn sie Tatverdächtige festnehmen, bei Schlägereien oder häuslicher Gewalt eingreifen müssen, bei Ruhestörungen und dergleichen, geraten sie häufig an Menschen, die sich auch ihnen gegenüber nicht zurücknehmen.

Und die sind in der Regel erwachsen, männlich, deutsch und betrunken. Bei mehr als jedem zweiten Fall spielte Alkohol eine maßgebliche Rolle, Drogen nur in knapp jedem zwanzigsten. Alkohol bleibt ein gesellschaftliches Problem, das sollte auch die CSU erkennen.

Etwa ein Drittel der Übergriffe entfällt auf Menschen mit anderen Staatsangehörigkeiten - vor allem Polen, Türken und Rumänen. Syrer, Afghanen und Iraker spielen entgegen der landläufigen Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle.

Mehr Polizeibeamte zeigen Übergriffe an

Fachleute warnen, dass die Diskussion über Gewalt gegen Einsatzkräfte darunter leide, wie emotional aufgeladen sie sei. Tatsächlich bestimmen Einzelfälle wie die tödliche Attacke des Afghanen auf einen Polizisten in Mannheim das öffentliche Bild.

Dabei gehören zur Wahrheit zwei Dinge: Weil der Bund zuletzt mehrfach die Straftatbestände erweitert und die Strafen erhöht hat, zeigen mehr Polizeibeamte einen Übergriff an, auch Beleidigungen, Drohungen und Gesten.

Nichts davon müssen die Beamten sich gefallen lassen, jeder Übergriff ist zu viel. Lange hat der Gesetzgeber das nicht ernst genug genommen und die Paragrafen nicht geschärft. Weil sich zudem die gesellschaftliche Diskussion verändert hat, müssen die Beamten die Übergriffe nicht mehr als gegeben oder Kleinigkeit abtun. Sie können und sollen sich wehren.

Bayern zahlt am meisten für Polizei-Ausrüstung

Weil es aber gerade nicht die Ausnahmesituationen sind, in denen die Polizisten körperliche oder seelische Gewalt erfahren, sind Bund und Länder gefragt. Sie müssen ihre Beamten auf solche Einsätze vorbereiten, sie ausreichend und umfassend schulen und vor allem so ausrüsten, dass sie geschützt sind.

Bayern geht hier voraus. Das Land steckt mehr Geld als andere in Ausbildung und Ausrüstung, in Schutzwesten, Taser und Bodycams. Es bereitet seine, unsere Polizisten, auf ihren Dienst vor. Der Rest liegt in der Verantwortung der Gesellschaft. Und damit in der Verantwortung jedes einzelnen.

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