Schicksalstage für die Koalition

Die Union bereitet sich zu Recht auf Neuwahlen vor - weil der Ampel schon im November das Aus droht

Roland Englisch

München-Korrespondent

E-Mail zur Autorenseite

18.10.2024, 10:55 Uhr
Noch nie hat eine Regierung so schnell an Zuspruch verloren wie die Ampel. Jetzt schießen die Spekulationen ins Kraut, ob in absehbarer Zeit ihr Bruch bevorsteht.

© IMAGO/Steinach Noch nie hat eine Regierung so schnell an Zuspruch verloren wie die Ampel. Jetzt schießen die Spekulationen ins Kraut, ob in absehbarer Zeit ihr Bruch bevorsteht.

Es ist ein einmaliger Vorgang in der jüngeren Geschichte der Republik. Da ist eine Regierung noch nicht einmal durch die erste Legislatur durch - und alle Welt fragt sich nur noch, wann ihr Ende kommt, vor oder zum nächsten Wahltermin.

So tief ist vor der Ampel noch keine Koalition in der Gunst der Menschen gesunken. Sie bewegt offenkundig die Sorge, dass das zerstrittene Bündnis nicht mehr die richtigen Antworten auf die Herausforderungen finden kann. Und sie hoffen auf ein Ende der Agonie.

Nur noch das Überleben zählt in der Ampel

Abwegig ist das nicht. Seit Monaten konzentrieren sich die ungleichen Partner nur noch darauf, wie sie das eigene Überleben sichern. Und selbst innerhalb der Parteien ist der Weg in die Zukunft heftig umstritten. In der aktuellen Lage mit kriselnder Renten- und Pflegeversicherung, mit massiven Herausforderungen beim Umgang mit Geflüchteten, einem konjunkturellen Einbruch und verheerenden internationalen Krisen aber braucht es Führung und unkonventionelle Ideen.

Ob die Union sie bieten kann, ist offen. Doch manchmal reicht schon ein Wechsel für einen Stimmungsumschwung. Und den Neuen bietet sich in der Regel ein, wenn auch begrenztes zeitliches Fenster für unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen, die sie den Fehlern ihrer Vorgänger anlasten können.

Tatsächlich könnte es bald dazu kommen. In der Union spekulieren sie nicht nur auf ein vorzeitiges Ende der Ampelkoalition; sie bereiten sich bereits auf ein bestimmtes Szenario vor. Denn Mitte November könnte sich das Schicksal der Ampel entscheiden.

Dann werden SPD, Grüne und FDP erneut um ihren Haushalt ringen. Der ist so angespannt, dass sie nur mit Tricksereien und neuen Schulden eben so über die Runden kommen könnten. Obendrein setzt die Koalition fest auf steigende Einnahmen, auf ein deutliches Plus in der Kasse.

Mitte November droht der Ampel der GAU

Doch die Steuerschätzung im November könnte sie in die harte Realität zurückholen. Weil zudem parallel das Bundesverfassungsgericht über eine FDP(!)-Klage gegen den Solidaritätszuschlag verhandelt, steht alles auf wackeligen Beinen. Gut denkbar, dass die Richter vorab einen Hinweis geben, wie es mit dem Soli weitergehen sollte. Kippt der, kippt mit ihm das gesamte Haushaltsgefüge.

Es wäre das Ende der Koalition - und vermutlich sogar eine willkommene Sollbruchstelle, weil keiner der drei Partner sich das Problem direkt anlasten lassen müsste. Der Weg wäre frei für Neuwahlen wohl Anfang März.

Noch ist es nicht so weit. Und unklar ist auch, welches Risiko die Koalitionäre als das größere ansehen: Dass sie bei Neuwahlen abgestraft werden - und deshalb lieber über die ganze Distanz gehen. Oder dass sie am Ende der ganzen Distanz die Prügel beziehen für ihr Verharren im Amt.

Die Union jedenfalls wird auf Neuwahlen hinarbeiten. Sie sieht für sich darin die größte Chance. Und sie weiß eine solide Mehrheit der Menschen zumindest in dieser Frage hinter sich. Das unterscheidet sie dann doch deutlich von der Ampel.

Keine Kommentare