75 Jahre Grundgesetz

Die Demokratie muss fitter werden, um sich gegen ihre Feinde wehren zu können

Alexander Jungkunz

E-Mail zur Autorenseite

9.5.2024, 10:04 Uhr
Wurde vor 75 Jahren beschlossen und am 23. Mai offiziell verkündet: das Grundgesetz.

© Julian Stratenschulte/Julian Stratenschulte/dpa Wurde vor 75 Jahren beschlossen und am 23. Mai offiziell verkündet: das Grundgesetz.

Der Patient ist für seine 75 Jahre noch recht fit. Die inneren Organe sind okay. Aber er ist etwas schlaff, bequem geworden. Zu viel Sofa, zu wenig Sport. Für Wettbewerbe in zu schlechter Verfassung. Diagnose: mehr tun, bewegen, trainieren.

Der freiheitliche Rechtsstaat im Zangengriff seiner Gegner

Das Bild passt zur Lage unserer Demokratie. Gerade zuletzt wurden die Alarmzeichen unübersehbar. Der freiheitliche Rechtsstaat gerät in den Zangengriff seiner Gegner.

Islamisten rufen nach dem Kalifat und verachten jene Freiheit, die ihre Demonstrationen erst ermöglicht. An vielen Unis wachsen Wut und Hass gegen Israel, unterstützen Studierende und auch Lehrende antisemitische Parolen.

Vermutlich Rechtsradikale attackieren Politiker und Wahlkämpfer. Angriffe, die - ob gesteuert oder nicht - vor allem eines bewirken: die Einschüchterung von Menschen, die sich für die Demokratie engagieren wollen. Das kommt deren Gegnern zupass. Sie versuchen, den Raum zu erobern, andere zu verdrängen, den Diskurs zu prägen und die Grenzen des Sagbaren Stück für Stück nach rechts zu öffnen.

Die AfD liegt bei den Jungen vorn

Die AfD bespielt professionell und erfolgreich die (so genannten) sozialen Medien, erreicht weit mehr junge Menschen als alle demokratischen Parteien zusammen. Wohl auch daher liegt sie in dieser Altersgruppe nun vorn.

Die Demokratie - und das sind wir alle - lässt sich diese Attacken mit zu wenig Gegenwehr gefallen. Attacken, die von Autokratien gefördert werden, weil sie auf eine Schwächung freier Staaten setzen. Putins Russland bombardiert uns mit Falschmeldungen, die spalten sollen. Gift, das wirkt. China erreicht mit subtileren Methoden ähnliches.

So unterschiedlich die Gegner unserer liberalen, offenen, bunten Gesellschaft sind - sie eint genau die Ablehnung dieser Toleranz, dieser Freiheit. Islamisten, Putinisten und Rechtsextremisten wollen den starken Staat, nationaler, patriarchaler, aggressiver gegen alles, was von der (vermeintlichen) Norm abweicht, gegen Minderheiten.

Nicht wenige hätten es gern autoritärer

Eine nicht ganz kleine Gruppe auch in Deutschland hätte es gern autoritärer. Sie stört es nicht, wenn ein starker Mann bestimmt, was Sache ist. Und nicht nur sie sehen, dass Autokratien inzwischen oft flexibler und schneller agieren als Demokratien.

Lauter Weckrufe für unsere Freiheit. Das nötige Trainingsprogramm wurde oft beschrieben. Die Parteien sollten endlich Sicherungen einbauen - das Bundesverfassungsgericht besser schützen, Landesverfassungen darauf abklopfen, wo Demokratie-Gegner Ansatzpunkte finden, um Freiheiten auszuhebeln. Verwaltung und Institutionen müssen schneller, unbürokratischer werden, leistungsfähiger.

Eine Herausforderung. Ja, Demokratie ist anstrengend. Für manche zu anstrengend. Aber sie allein bietet die Freiheiten, die verteidigenswert sind. Dafür sollten die demokratischen Parteien mehr zusammenstehen - und leidenschaftlicher um Wege in eine bessere Zukunft streiten. So könnte sie fitter werden, unsere Demokratie.

Verwandte Themen


1 Kommentar