Auszeichnung erstmals vergeben
Premiere mit viel Prominenz im Saal 600: Wer bekommt den VNP-Demokratiepreis?
7.5.2024, 22:52 UhrDer Einsatz für Demokratie, das machten Bärbel Schnell und Sabine Schnell-Pleyer bei der Preisverleihung deutlich, ist für die beiden VNP-Verlegerinnen Auftrag und Erbe - und zwar buchstäblich: NN-Gründungsverleger Josef Drexel war Verfolgter des NS-Regimes. Und "unseren Vater ließ das Trauma der NS-Zeit nie los", so Bärbel Schnell. In jungen Jahren starb sein Bruder in der Normandie an der Front. Später lag das Büro von NN-Verleger Bruno Schnell im gleichen Haus, in dem zuvor der berüchtigte Gauleiter Julius Streicher das Hetzblatt "Der Stürmer" herausgab. Heute noch ist dieses Gebäude das Herz des VNP. Auch deshalb war es für seine Töchter ein Herzensanliegen, den 75. Geburtstag des Grundgesetzes zum Anlass zu nehmen, den "VNP-Demokratiepreis" zu stiften. "Uns wurde dieses Thema in die Wiege gelegt."
Vor der Preisverleihung im historischen Saal 600 debattierte eine prominent besetzte Runde über die Zukunft der weltweit gefährdeten Demokratie. Nürnbergs Bürgermeisterin Julia Lehner brachte auf den Punkt, worum es geht: "Demokratie ist mega-anstrengend", sagte die CSU-Politikerin. Eingebrannt hat sich ihr der massive Unmut, ja der "Volkszorn" gegen den "Stuhl-Turm", mit dem der Künstler Olaf Metzel 2006 im Rahmen des Kulturprogramms um die Fußball-WM den Schönen Brunnen überbaut hatte. Da habe sie erlebt, "wie dünn das Eis schon damals war". Ein "tiefer brauner Abgrund" mit antisemitischen Beschimpfungen habe sich da aufgetan.
Katharina Schulze, die Grünen-Fraktionschefin im bayerischen Landtag, erinnerte an die "Narben", die der heftige Landtagswahlkampf 2023 hinterlassen habe. Und sie warb eindringlich für den Zusammenhalt der demokratischen Parteien gegen die "Hasser und Hetzer", die mit viel Lautstärke zu viel Raum eroberten.
Ursula Münch, Präsidentin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, warb dafür, die eigene Haltung vieler über politische Parteien zu ändern: "Da sind nicht nur Idioten aktiv, aber genau das hört man bis hinein ins gutbürgerliche Publikum". Zugleich müssten die Mandatsträger aber "auch mal ihre Beziehung zum Volk überdenken", das sei eine "wechselseitige Aufgabe".
Christoph Safferling, gefragter Völkerrechts-Experte von der Uni Erlangen-Nürnberg und Direktor der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien, plädierte dafür, ein AfD-Verbotsverfahren zumindest zu versuchen. Da biete das Grundgesetz einen "Schutzschirm - lassen wir doch zu, dass es sich damit auch zur Wehr setzt", so Safferling.
VNP-Chefredakteur Michael Husarek moderierte die Runde, der er viel Übereinstimmung bei der Analyse der Notwendigkeit von mehr Engagement bescheinigte, und leitete über zur Preisverleihung durch die Verlegerinnen.
"Demokratie braucht unser Engagement"
"Demokratie braucht Engagement – unser Engagement", so Sabine Schnell-Pleyer. Der VNP-Demokratiepreis sei ein Zeichen der Dankbarkeit für solch herausragendes Engagement und zeige "unsere Wertschätzung für diejenigen, die sich mit Hingabe für Demokratie und Menschenwürde einsetzen".
Und das sind die Preisträger:
Den 1., mit 3000 Euro dotierten Preis erhielt die Nürnberger Mittelschule Hummelsteiner Weg. Vor allem die siebten Klassen erarbeiteten da unter Federführung der Lehrkräfte Gabi Weber und Sandra Frauenknecht ein beeindruckendes Antisemitismus-Projekt mit Podcasts, Präsentationen und vielen anderen Medien-Angeboten. Wo "Jude" als Schimpfwort auf Schulhöfen gelte, sei das ein ebenso nötiges wie vorbildliches Projekt, so die Verlegerinnen. Zusammen mit Gabi Weber nahmen die Schülerinnen Chanel, Adile, Gisel und Kathy den Preis entgegen.
Der 2. Preis (2000 Euro) ging an die Regionalgruppe Ansbach der Bürgerbewegung für Menschenwürde in Mittelfranken. Sie engagiert sich seit vielen Jahren für die Erinnerungskultur in der einst braunen Hochburg Ansbach und setzte sich unter anderem für die Errichtung einer Stele für Ansbacher Widerstandskämpfer ein. Mit Holocaust-Gedenkveranstaltungen, schulischen Projekten und Diskussionsforen fördert die Gruppe aktiv den Schutz der Menschenwürde. Ulrich Rach und Rainer Goede nahmen den Preis für die Gruppe entgegen, die inzwischen 60 Mitglieder hat.
Christine Roth bekam den 3. Preis (1000 Euro). Sie wurde als Gymnasiastin unter ihrem Geburtsnamen Schanderl bundesweit bekannt, weil sie wegen des Tragens eines "Stoppt Strauß"-Buttons von der Schule verwiesen wurde. Dagegen wehrte sie sich, kämpfte erfolgreich für Meinungsfreiheit – und nun engagiert sie sich ehrenamtlich als Anwältin für in Not geratene Kolleginnen und Kollegen weltweit. Darunter etwa der lange im Iran inhaftierte Abdolfattah Soltani - die Tochter des Nürnberger Menschenrechtspreisträgers, Maede Soltani, war bei der Preisverleihung im voll besetzten Saal 600 ebenfalls dabei.
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