Gegen Erhöhung zum 1. Januar

Bürgergeld-Bezieher sollen weniger Geld bekommen: Söders vergiftetes Weihnachtsgeschenk

Manuel Kugler

Leitung Newsdesk

E-Mail zur Autorenseite

5.12.2023, 13:39 Uhr
Ließ sich im Weihnachtspullover filmen: Markus Söder.

© Imago/Screenshot - Collage: VNP Ließ sich im Weihnachtspullover filmen: Markus Söder.

Das ist schon ziemlich cringe, was Markus Söder da veranstaltet. Besser als mit dem früheren Jugendwort des Jahres, das ein Gefühl des Fremdschämens bezeichnet, lässt sich nicht fassen, was der CSU-Chef in den sozialen Medien postet. Zwischen Söder, der seine liebsten Weihnachtslieder vorstellt (Hashtag: #Söderweihnachtssongs), und Söder, der im roten Weihnachtspulli die erste Kerze anzündet ("Die gemütlichste Zeit des Jahres"), meldet sich dort auch Söder, der gar nicht milde gestimmte Hardliner, zu Wort. Menschen im Bürgergeld-Bezug will er kurz vor dem Fest die Erhöhung der Bezüge streichen.

61 Euro zusätzlich sollen sie ab 1. Januar eigentlich erhalten, 563 Euro sind es dann im Monat; dazu übernimmt der Staat Miete und Heizkosten. Wo Söder Recht hat: Angesichts der hohen Mietkosten in Ballungszentren kommen so schnell Beträge zusammen, die gerade Allein- und Geringverdiener erst einmal hereinarbeiten müssen, um am Ende mehr Geld übrig zu haben als Bürgergeld-Bezieher.

Niemand sollte Zweifel haben müssen, ob sich Arbeiten lohnt

Zwar stimmt die Behauptung, wer arbeite, habe unter Umständen weniger als jemand, der nicht arbeite, nur für wenige Fallbeispiele. Dass es diese in der Regel komplizierten Beispielrechnungen aber überhaupt braucht, um jemanden von der Falschheit der Behauptung zu überzeugen, ist ein gutes Indiz dafür, dass etwas schief läuft im Land. Denn eigentlich sollte niemand, der arbeiten geht, Zweifel daran haben, ob sich das lohnt.

Ergänzt man diese Zweifel um die Tatsache, dass die Ampel-Regierung die Sanktionen für Regelverstöße abgeschwächt hat, stimmt es schon: Fördern und Fordern sind aus dem Gleichgewicht.

Wo Söder unbedingt zu widersprechen ist: So kurz vor dem neuen Jahr die Bürgergeld-Erhöhung auszusetzen, die seit August verkündet und seit Oktober beschlossen ist, wäre unanständig. Unanständig gegenüber jenen Menschen, die mit diesem Geld gerechnet und von denen manche im besten Falle noch an das Wort von Politikern glauben. Man mag es mit Recht für falsch halten, dass das Bürgergeld so viel stärker steigt als der Mindestlohn. Adressat dieser Kritik sollten aber SPD und Grüne sein, nicht die Betroffenen.

Ist zuvorderst der Staat für den Lebensunterhalt zuständig?

Um die Generalüberholung des Bürgergeldes, wie sie Söder anmahnt, wird die Koalition aber nicht herumkommen. Sie wird dabei neu austarieren müssen, was ehrlicherweise auch in der Gesellschaft umstritten ist: ob in erster Linie der Einzelne selbst für seinen Lebensunterhalt verantwortlich ist - oder ob die Sicherstellung dieses Lebensunterhaltes zuvorderst eine Bringschuld des Staates ist. Sicher ist: Den Betroffenen ausgerechnet jetzt, in der "gemütlichsten Zeit des Jahres" (Söder), mitzuteilen, dass sie in wenigen Tagen doch nicht das Geld bekommen, mit dem sie kalkuliert haben, hilft in dieser Debatte überhaupt nicht.

Verwandte Themen


2 Kommentare