Wenn Demokraten sich niedermachen

Bauern-Proteste überschreiten Grenzen: Wir erleben die Verrohung, die zu viele anfachten

Alexander Jungkunz

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7.1.2024, 15:55 Uhr
Protest gegen Habeck: Landwirte stehen mit Plakaten mit der Aufschrift "Euer Versagen sollen wir bezahlen??? #ampelabschalten" am Fähranleger Schlüttsiel.

© Hagen Wohlfahrt/Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag/dpa Protest gegen Habeck: Landwirte stehen mit Plakaten mit der Aufschrift "Euer Versagen sollen wir bezahlen??? #ampelabschalten" am Fähranleger Schlüttsiel.

2024 ist politisch verheerend gestartet. Und daran waren (und sind) zu viele beteiligt. Auch jene, die sich nun zu Recht über die aus dem Ruder gelaufenen Proteste gegen Robert Habeck empören.

Was die Ampel anrichtet

Weiß in der Ampel eigentlich noch jemand, was sie anrichtet? Erst, kurz vor Weihnachten, verkündet die Koalition quasi über Nacht die Kürzungen bei den Landwirten. Ein zu einseitiges Paket, null erklärt. Und blitzschnell zerredet von den Ampel-Partnern selbst. Erwartbare Folge: die Ankündigung der Proteste mit Start am 8. Januar.

Kurz davor knickt die Regierung ein, nimmt einen Gutteil der Kürzungen zurück oder streckt sie zeitlich. Wie anders soll man das deuten als: Politik ist erpressbar; wer laut genug ist, hat Erfolg. Dass die Bauern jetzt erst recht alle Einschnitte wegprotestieren wollen - das ist nur logisch; es hat ja teils funktioniert.

Parallelen zur "Letzten Generation"

Dass wütende Landwirte die Fähre, mit der Habeck von einer Hallig aufs Festland zurückkehren wollte, zur Rückkehr auf die Insel zwangen: Es ist eine Grenzüberschreitung, die leider nicht mehr überraschen kann. Auch die „Letzte Generation“ hat mit ihren Klebe-Aktionen immer wieder Grenzen überschritten. Und erntete dafür massiven Unmut, aber zunächst auch zu viel Verständnis von vielen in Politik und auch Medien, die das Anliegen teilten. Klimaschutz, dafür kann man schon mal Autobahnen blockieren... Nein, kann man nicht. Das wird nun offensichtlicher, wenn Landwirte mit ähnlichen, eindeutig strafbaren Methoden der Nötigung agieren.

Nach den Krawallen am Schlüttsiel war nun die Empörung groß. Und hoffentlich bei einigen auch das Erschrecken darüber, was Demokraten damit angerichtet haben, sich gegenseitig immer derber niederzumachen. Wenn sich FDP-Chef Lindner nun beim Dreikönigstreffen staatsmännisch gibt, sei daran erinnert, wie er und andere Liberale vor allem gegen Grüne holzten (und umgekehrt ebenso), in einer alles andere als staatsmännischen Tonlage.

Aiwanger sieht „Notwehr“

Bezeichnend auch, dass einer kaum auf Distanz geht: Hubert Aiwanger nennt die Proteste der Bauern auch an der Nordseeküste „Notwehr“ - eine Art Rechtfertigung. Am Montag beehrt der Chef der Freien Wähler gleich mehrere Demonstrationen: Der Landwirt Aiwanger kämpft für seine Kollegen - und tut wieder mal so, als gehöre er gar nicht zur Politik.

CDU und CSU schlossen sich der Empörung über die Eskalation des Unmuts an. Aber auch und gerade ihre Spitzen schüren ebenfalls Wut mit teils maßlosen Ampel-Attacken. Über Demokraten, die sich bekriegen statt fair streiten auf der gemeinsamen Suche nach Lösungen, freuen sich aber nur die Feinde der Demokratie - die längst dabei sind, die Proteste anzufeuern. Und sogar vergessen lassen wollen, dass etwa die AfD selbst Subventionen weitgehend streichen will. So machen es die Demokraten ihren Gegnern viel zu leicht.

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