Überraschende Mitteilung

2025 ist Schluss: Nürnberger Abgeordnete Tessa Ganserer verlässt die Politik

Claudia Urbasek

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2.10.2024, 13:58 Uhr
Tessa Ganserer, die auch mit ihrem extravaganten Erscheinungsbild für Aufsehen sorgte, zieht sich aus der Politik zurück.

© Britta Pedersen/Britta Pedersen/dpa Tessa Ganserer, die auch mit ihrem extravaganten Erscheinungsbild für Aufsehen sorgte, zieht sich aus der Politik zurück.

Tessa Ganserer, MdB für Bündnis 90/Die Grünen aus dem Wahlkreis Nürnberg-Nord, wird für die nächste Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht erneut kandidieren. Dies teilte sie in einer Pressemitteilung am 2. Oktober 2024 mit.

"Es war und ist für mich ein Privileg, mittlerweile elf Jahre lang Politik mitgestalten zu dürfen", schrieb Ganserer mit Blick auf ihre Abgeordnetentätigkeit im Bayerischen Landtag und im Bundestag. Es sei für sie immer klar gewesen, dass es für sie ein Amt auf Zeit sei, sie nicht bis zu ihrer Rente im Parlament sitzen wolle und auch noch ein Leben nach der Politik geben müsse.

Tessa Ganserer: Zwischen Anerkennung und Hass

Tessa Ganserer war im Jahr 2018 die erste Abgeordnete in Deutschland, die ihre Transidentität publik gemacht hatte. Damals saß sie noch für die Grünen im Bayerischen Landtag. Für ihr Outing erntete sie einerseits Anerkennung, aber zugleich viel Hass.

Das spielte bei ihrem Rückzug eine Rolle, wie sie in persönlichen Worten schreibt: "So bereichernd die Mandatstätigkeit ist, so herausfordernd ist sie auch. Ich habe mein Leben meinen politischen Zielen und Werten untergeordnet. In dem Mandat als Abgeordnete bin ich voll und ganz aufgegangen. Es hat mich einerseits erfüllt, andererseits aber auch stark vereinnahmt und der menschenverachtende Hass, der mir nicht wegen meiner politischen Inhalte, sondern aufgrund meines Seins entgegen gebracht wurde, ist mir gewaltig an die Nieren gegangen."

Persönlicher Verlust gab für Ganserer den Ausschlag

Ganserer ist im Bundestag Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss sowie im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Diese Aufgaben werde sie bis zum Ende der Legislaturperiode erfüllen. Ihre Entscheidung habe auch mit einem persönlichen Verlust zu tun: "Nicht zuletzt hat mich der Tod meines Vaters Anfang August tief zum Nachdenken gebracht. Seitdem ist die Entscheidung in mir gereift: Ich werde für die nächste Legislaturperiode nicht erneut kandidieren."

Die Entscheidung sei ihr nicht leicht gefallen und stehe in keinem Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen in der Partei Bündnis 90/Die Grünen und der Grünen Jugend. "Die Entscheidung ist sicherlich auch kein Weglaufen vor denen, die mich seit Jahren verspotten, beleidigen und bedrohen. Bis zum Ende der Legislaturperiode und auch darüber hinaus will ich für eine nachhaltige Lebensweise, für Freiheit, für unsere Demokratie und für Menschenrechte eintreten. Allerdings ist es für mich an der Zeit, meinem Leben nochmal eine andere Richtung zu geben, mir andere Aufgaben und Wirkstätten zu suchen."

Tessa Ganserer: "Es bleiben noch sechs Jahre"

Ganserer trat 1998 - damals noch als Mann - dem Bündnis 90/Die Grünen bei und kandidierte 2008 erstmals für den Bayerischen Landtag. Bei der Landtagswahl in Bayern 2013 trat Ganserer im Stimmkreis Nürnberg-Nord an, erreichte mit 13,6 Prozent der Erststimmen nur den dritten Platz, erhielt aber über die Wahlkreisliste der Grünen trotzdem ein Mandat und gehörte bis 2021 dem Bayerischen Landtag an. 2021 war eine Zäsur, Ganserer zog über den Landeslistenplatz 13 in den Deutschen Bundestag ein.

Neben Nyke Slawik gehört Tessa Ganserer (l.) seit 2021 zu den ersten beiden Transmenschen im Deutschen Bundestag.

Neben Nyke Slawik gehört Tessa Ganserer (l.) seit 2021 zu den ersten beiden Transmenschen im Deutschen Bundestag. © Britta Pedersen/dpa

In ihrem aktuellen Statement blickt sie auf das zurück, was sie antrieb: "Mir ging es bei meinem politischen Engagement um die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, um soziale Gerechtigkeit, um die Rechte von marginalisierten Gruppen und um ein gutes gesellschaftliches Miteinander. Viel haben wir erreicht." Dennoch bleibe noch viel zu tun.

"Der Weltgemeinschaft bleiben noch sechs Jahre, um die Ziele der nachhaltigen Entwicklung der Vereinten Nationen zu erreichen, damit möglichst allen Menschen ein gutes Leben in Würde ermöglicht wird. Wir müssen unsere Lebensweise und unser wirtschaftliches Handeln so umgestalten, dass wir die ökologischen Grenzen unseres Planeten nicht überschreiten. Und das alles in einer Zeit, in der die Gesellschaft immer mehr auseinanderdriftet. In der bestimmte Kräfte tagtäglich ihren Hass auf alle, die anders sind, versprühen, die gesellschaftliche Stimmung vergiften und die Gesellschaft spalten. Es gibt daher in Zukunft mehr als genug zu tun: Wir müssen Antworten geben auf die globalen Herausforderungen und gleichzeitig die Gesellschaft wieder zusammenzubringen, anstatt sie zu spalten."

Sie dankte in ihrer Pressemitteilung allen Menschen, die sie während ihrer politischen Laufbahn unterstützt haben. Neben ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Kollegen würdigte sie die Arbeit der "vielen Ehrenamtlichen bei den Grünen und in den zivilgesellschaftlichen Organisationen, deren so wichtige Arbeit allzu oft übersehen wird, deren Engagement aber von so unschätzbarem Wert ist".

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