Ein verkannter Teil der Stadt
Von wegen nur grau und trist: Die Nürnberger Südstadt zeigt sich auch malerisch, bunt und grün
9.9.2024, 16:51 UhrDie Nürnberger Südstadt hat in Teilen der Bevölkerung keinen guten Ruf – vor allem bei Menschen, die von Haus aus gerne meckern. Dabei ist schon das geografische Über-einen-Kamm-Scheren problematisch: Es gibt keine "Südstadt" als Stadtteil. Unter dem unscharfen Sammelbegriff fällt eine Vielzahl früherer Vorstadtsiedlungen, deren Grenzen und historische Kerne durch die frühe Verstädterung und dichte Überbauung heute weitgehend verschwunden sind.
Auch das Vorurteil, in der Südstadt gäbe es kaum Grünflächen, trifft nur bedingt zu. Ein städtebaulich außerordentlich gelungenes Beispiel ist der Humboldtplatz in der Gemarkung Lichtenhof. Der ist, wie die ihn tangierende Straße, gleich nach zwei Humboldts benannt: dem Geografen und Naturforscher Alexander (1769-1859) und seinem Bruder, dem Bildungsreformer und preußischen Staatsmann Wilhelm von Humboldt (1767-1835).
Angelegt 1908, erhielt er nach Planung der Stadtgärtnerei eine als Park gestaltete Mitte. Die bauliche Rahmung dieses klassischen Rechteckplatzes, den insgesamt vier Straßenzüge einfassen, entstand etwa gleichzeitig. Obwohl alle Bauten der Sprache des damals beliebten Reform- und des Jugendstils folgen, ist doch jedes ein Einzelstück, auch solche Häuser, die von ein und demselben Entwerfer und Bauherrn stammen. Ganz im Sinne des doch noch nicht ganz überkommenen Historismus sollte dieser Kunstgriff eine gewachsene, vor allem aber abwechslungsreiche, die Sinne erfreuende Anmutung entwickeln. Das ist gelungen!
Wer heute die grüne Platzmitte entlangflaniert, genießt ein buntes Ensemble aus vornehmen Fassaden, aufgelockert durch malerische Erker, Zwerchhäuser, Gauben sowie unterschiedliche Dachformen und veredelt durch punktuellen, meist ornamentalen Reliefschmuck in Sandstein oder Putz. Ein paar Details freilich sind über die Jahre bei Modernisierungen oder nach Kriegsschäden verlorengegangen, das Haus Humboldtstraße 117 wurde 1945 gar total zerstört und durch einen Neubau ersetzt. Ein zweischneidiges Schwert schließlich ist die Sanierung des 1909 nach Plänen von Adolf Weisenberger erbauten Hauses Humboldtplatz 9, an dem man 2019 Erker und Zwerchhaus zu Gunsten von Balkonen aufgeschnitten, gleichzeitig aber Fassadenschmuck und Gauben liebevoll restauriert hat.
Auch der Point-de-vue unserer historischen Ansichtskarte, Westfassade und Turm der 1899-1905 nach Entwurf von Franz Xaver Ruepp errichteten katholischen Herz-Jesu-Kirche, sind noch da. Erstere ist allerdings beim Wiederaufbau 1946-50 etwas näher an den Betrachter herangerückt: Architekt Albert Pietz nämlich verlängerte bei der Maßnahme auch gleich noch das neugotische Langhaus und verlieh ihm eine neue Fassade, nun ohne die auffällige Fensterrose.
Dass das Herz des Humboldtplatzes heute (wieder) so grün ist wie 1921, verdanken wir einer grundlegenden Neugestaltung um die letzte Jahrtausendwende. Damals wurden neue Bäume gepflanzt und ein Kinderspielplatz angelegt. Der leidet zwar bisweilen unter wildkackenden Hunden und unerwünschten nächtlichen Randalierern, hat aber die Aufenthaltsqualität dieses schönen Stückes "Südstadt" deutlich gehoben. Wollen wir hoffen, dass das so bleibt.
Mitmachen erwünscht
Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: lokales@vnp.de
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