Künstlerisch wertvolle Grabmale

Stilles Gedenken und Kunstgenuss auf dem Friedhof Nürnberg-Höfen: Die letzte Ruhe am Industriegebiet

26.11.2024, 19:00 Uhr
Die Bauten des Höfener Friedhofs sind im Wesentlichen erhalten geblieben.

© Sebastian Gulden Die Bauten des Höfener Friedhofs sind im Wesentlichen erhalten geblieben.

Nürnberg ist bekannt für seine historischen Friedhöfe. Während der Johannis- und der Rochusfriedhof jährlich viele Tausend Kulturtouristen anziehen, werden die früheren Pest- und kleinen Stadtteilfriedhöfe weiter draußen in der Regel nur von Trauerzügen, Angehörigen und gelegentlich von Stadtteilführungen besucht.

Im vom Verkehr umtosten Höfen im Nürnberger Südwesten hat sich ein besonders reizvoller kleiner Friedhof erhalten. Seit 1884 wurden und werden hier die Toten aus den umliegenden Stadtteilen zur letzten Ruhe gebettet. Hier steht auch das einzige Gotteshaus des Dorfes, ein zierlicher Sandsteinbau mit rundbogig geschlossenen Fenstern und spitzbehelmtem Dachreiter. Den brauchte es auch dringend, mussten doch die Höfener und ihre Nachbarn bis zum Bau der Erlöserkirche in Leyh 1928, deren Turm an der Einmündung der Lothar- in die Höfener Straße zwischen Bäumen hervorlugt, zum Gottesdienst nach St. Michael in Fürth wandern.

1915 nutzte der Fotograf den Ausblick vom Haus Lotharstraße 8, um den Höfener Friedhof vor der Silhouette des Höfener Ortskerns einzufangen.

1915 nutzte der Fotograf den Ausblick vom Haus Lotharstraße 8, um den Höfener Friedhof vor der Silhouette des Höfener Ortskerns einzufangen. © Ansichtskarte: unbekannt/Sammlung Sebastian Gulden

Der Vergleich des heutigen Bestands an Grabmalen mit dem Bild von 1915 zeigt deutlich, wie viele künstlerisch wertvolle Grabmale verloren gegangen sind. Das liegt in der Natur einer christlichen Begräbnisstätte, auf der des begrenzten Platzes wegen in regelmäßigen Abständen Gräber aufgelassen und neu vergeben werden. Die Stadt Nürnberg verschlimmerte diesen Zustand noch dadurch, dass sie 1908 den Ausbau des Höfener Friedhofes untersagte: Die Verstorbenen sollten doch bitte auf den Westfriedhof. Von Höfen aus ohne Auto, Bus oder Straßenbahn anno dazumal freilich nicht der nächste Weg.

Typisch für die Grabmalskunst des späten 19. Jahrhunderts sind Steine aus schwarzem Granit, oftmals mit kunstvollen, in Weiß oder Gold gefassten Inschriften in Frakturschrift oder einer Antiqua-Type (Schriftarten mit Serifen). Solche finden wir auch hier. Der skulpturale Schmuck beschränkt sich auf einfache Kreuze aus Naturstein. Die skulpturalen Teile – hier ein Abbild des Gekreuzigten, da ein Relief-Medaillon des Dornenkönigs – bestehen aus Gusseisen und sind bereits fabrikmäßig hergestellt worden.

Grabmal Denk, Stein aus schwarzem Granit mit Relief des Dornenkönigs aus Gusseisen und Kreuz aus Kalkstein, von Karl Seufert, um 1900.

Grabmal Denk, Stein aus schwarzem Granit mit Relief des Dornenkönigs aus Gusseisen und Kreuz aus Kalkstein, von Karl Seufert, um 1900. © Sebastian Gulden

Grabmal Besold, Kunststein mit Relief einer Trauernden aus Kalkstein, unbekannter Bildhauer, um 1910.

Grabmal Besold, Kunststein mit Relief einer Trauernden aus Kalkstein, unbekannter Bildhauer, um 1910. © Sebastian Gulden

Grabmal Heerdegen, Plinthe aus schwarzem Granit von Wilhelm Rögner mit galvanoplastischer Engelsfigur nach Adolf Lehnert, WMF, um 1905.

Grabmal Heerdegen, Plinthe aus schwarzem Granit von Wilhelm Rögner mit galvanoplastischer Engelsfigur nach Adolf Lehnert, WMF, um 1905. © Sebastian Gulden

Ebenfalls kein Einzelstück ist der ehrfurchtgebietende Engel mit geöffneten Schwingen auf dem Grabmal der Familie Heerdegen aus Leyh: Er ist eine im hohlgalvanoplastischen Verfahren (Metallguss mittels Elektrolyse) produzierte Nachbildung einer Statue, die der Leipziger Bildhauer Adolf Lehnert 1903 geschaffen hat.

Um 1900 vertrieb die Württembergische Metallwarenfabrik (WMF) im großen Stil solche hochwertigen Nachbildungen. Weil aber einzelne Figuren – so auch unser Engel – sich ausgesprochener Beliebtheit bei der Kundschaft erfreuten, reglementierten die Geislinger alsbald den Vertrieb, sodass auf jedem Friedhof im Idealfall nur ein Abguss derselben Vorlage aufgestellt wurde. Kunst hat halt auch was mit Knappheit zu tun!

Im Laufe der Jahre sind viele Grabmäler auf dem Friedhof durch neue Steine ersetzt worden. Einige besonders schöne aber haben sich erhalten.

Im Laufe der Jahre sind viele Grabmäler auf dem Friedhof durch neue Steine ersetzt worden. Einige besonders schöne aber haben sich erhalten. © Sebastian Gulden

Heute ist der Höfener Friedhof nicht nur ein Ort der Trauer, der Dankbarkeit und des vorläufigen Abschieds bis zum Wiedersehen nach dem Tode. Er ist auch ein Stück kultivierte Natur am Rande eines Dorfes, das die Großstadt nach dem Krieg völlig mit ihren großen Straßen und Industriegebieten umschlossen hat. Eben ein Ort, an dem man am Totensonntag und auch sonst die Ruhe und Inspiration findet, die im Leben sonst allzu oft fehlt.

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