Im Zeichen des bayerischen Königs

Ja wo samma denn?! Eine Apotheke mit Münchner Baukunst steht mitten in der Frankenmetropole Nürnberg

Sebastian Gulden

17.1.2024, 11:00 Uhr
Mit überschaubaren Veränderungen hat sich das schöne Mietshaus in der Fürther Straße 158 bis heute erhalten. 

© Sebastian Gulden Mit überschaubaren Veränderungen hat sich das schöne Mietshaus in der Fürther Straße 158 bis heute erhalten. 

Dafür, sich ausgerechnet das Reiterstandbild König Max´ I. Joseph vom Münchener Wittelsbacherplatz als Logo zu erwählen, hatten die Rügers gute Gründe: Zum einen verlief ganz in der Nähe die Maximilianstraße (die allerdings nach dem Enkel des ersten bayerischen Monarchen, König Max II. Joseph, benannt ist). Zum anderen stammten die beiden aus Altbaiern, genauer aus Alzing im Chiemgau. Dort hatten sie 1897 die Marienapotheke eröffnet, die 1905 ins benachbarte Siegsdorf umgezogen war und noch heute besteht.

Begehrte Konzession

Nach Nürnberg verschlug es sie wohl aus wirtschaftlichen Gründen, denn hier, in einer prosperierenden Großstadt mit vielen potentiellen Kunden, hatte Leonhard Rüger 1908 eine der begehrten Konzessionen für eine Apotheke erhalten.

Diese Fotokarte von etwa 1910 zeigt das Haus Fürther Straße 158 in seiner ursprünglichen Gestalt. Die beiden Ulmen vor dem Haus rafften später Krieg und Ulmenpest dahin. 

Diese Fotokarte von etwa 1910 zeigt das Haus Fürther Straße 158 in seiner ursprünglichen Gestalt. Die beiden Ulmen vor dem Haus rafften später Krieg und Ulmenpest dahin.  © unbekannt (Sammlung Gisela Haberer)

Dass das Mietshaus, das die Rügers in der Fürther Straße 158 erbauen ließen, die Züge der Münchener Baukunst der Zeit trägt, hat indes weniger mit ihrer Herkunft zu tun, sondern mit der Zeitmode. Ganz im Sinne des Reformstils ließ Architekt Christian Ruck vor allem die Kubatur des Gebäudes sprechen, indem er sie durch bewusste Asymmetrien, verschiedenförmige Erker, Balkone, hohe Zwerchgiebel und Walmgauben möglichst abwechslungsreich gestaltete.

1960 fehlte schon eine Ulme vor dem Haus. Auf dem bislang unbebauten Grundstück Fürther Str. 156 (rechts) waren nach 1945 provisorische Ladenbauten errichtet worden.

1960 fehlte schon eine Ulme vor dem Haus. Auf dem bislang unbebauten Grundstück Fürther Str. 156 (rechts) waren nach 1945 provisorische Ladenbauten errichtet worden. © unbekannt (Sammlung Gisela Haberer)

Ebenfalls charakteristisch ist, dass der vormals für die Nürnberger Baukunst prägende Sandstein nun eine kleinere, wenn auch nicht unwesentliche Rolle spielen durfte. Um dem viergeschossigen Eckbau seine Massigkeit zu nehmen, streckte Christian Ruck die Erdgeschosszone optisch bis auf Höhe des ersten Obergeschosses, indem er diesen Bereich straßenseitig aus Sandsteinquadern setzen ließ.

Keinen offiziellen Namen

Apropos Eckhaus: Der Durchstich zwischen der Fahrrad- und der Fürther Straße westlich des Hauses wurde niemals für den motorisierten Verkehr freigegeben und hat bis heute keinen offiziellen Namen. Im Quartier aber kannte und kennt man ihn als "Hoffmannsgäßla", benannt nach dem ersten Inhaber der Bäckerei im Haus Fürther Straße 160, Friedrich Hoffmann.

Nackter Bub mit Sanduhr

Gliederung und Bauschmuck des Rüger’schen Hauses nehmen sich im Vergleich zur lebhaften Kubatur zurück: Abgesehen von Gesimsen, Blendfeldern, Faschen und Voluten findet man nur an wenigen Stellen kleinteiligeren, ornamentalen und figürlichen Schmuck. An der Südfassade etwa zeigt ein Sandsteinrelief das Jahr der Bauvollendung 1909 an. Darüber sitzt ein nackter Bub mit Sanduhr als Sinnbild der Zeit. Das stuckierte Brustbild einer Dame am Erker zur Fürther Straße ist vielleicht ein Abbild der Hygieia, der griechischen Göttin der Gesundheit.

Die Obergeschosse hielten zur Bauzeit pro Etage zwei Wohnungen mit Bad und Toilette bereit. Die Rügers, die unter der Mansarde einzogen, nutzten mit ihren sechs Kindern als einzige Partei das komplette Geschoss mit sieben Zimmern, Garderobe, zwei WCs und Bädern und einem Dienstbotenzimmer mit separatem Zugang vom Treppenhaus.

Stolzer Apotheker: Das Bild zeigt vermutlich Leonhard Rüger und seinen Mitarbeiter Theodor Bock (von links), die 1915 vor dem Portal ihrer Apotheke Aufstellung für den Fotografen nahmen.

Stolzer Apotheker: Das Bild zeigt vermutlich Leonhard Rüger und seinen Mitarbeiter Theodor Bock (von links), die 1915 vor dem Portal ihrer Apotheke Aufstellung für den Fotografen nahmen. © unbekannt (Sammlung Sebastian Gulden), NNZ

Heute zeigt sich der Eingang mit Modernisierungen von 1975. Die schöne Rahmung im Jugendstil ist noch vorhanden, ebenso wie am vermauerten alten Hauseingang rechts.

Heute zeigt sich der Eingang mit Modernisierungen von 1975. Die schöne Rahmung im Jugendstil ist noch vorhanden, ebenso wie am vermauerten alten Hauseingang rechts. © Sebastian Gulden

Eine auffällige Merkwürdigkeit an der Fassade ist dem deutschen Amtsschimmel geschuldet: Während das wunderbare Sandsteinportal mit Fruchtkorb an der Südwestecke noch heute den Zugang zur Maximilian-Apotheke gewährt, ist der einstige Eingang zum Treppenhaus vermauert. Stattdessen betritt man den Prunkbau über eine unscheinbare Tür am Anschluss zum Haus Fürther Straße 156.

König Max ging in den Ruhestand

Der Grund: Die Apotheke hatte aus Platzmangel den früheren Kolonialwarenladen im Erdgeschoss mitgenutzt. Das aber erlaubte die eben novellierte "Apothekenbetriebsordnung" nicht und zwang die Hauseigentümer 1972 dazu, entweder das Lebenswerk von Maria und Leonhard Rüger dicht zu machen oder eine Verbindung zwischen den Ladenräumen herzustellen, ohne dass das Personal den Hausflur durchqueren musste.

1975 ließ der damalige Apothekenpächter Hans Wörlein das Erdgeschoss weitgehend umbauen, die modernen Schaufenster, das Vordach und die Leuchtreklame installieren – und König Max hoch zu Ross ging als Logo in den Ruhestand.

Den Zerstörungen entgangen

Ansonsten hat sich das Gebäude einschließlich weiter Teile des Interieurs im bauzeitlichen Gewand erhalten, vor allem deshalb, weil es den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges entging. Allein das altbairische "Bauernzimmer", das die Rügers 1909 aus ihrem Haus in Siegsdorf mitbrachten, hat einen entscheidenden Ortswechsel erlebt: Es steht heute in Hamburg, ist aber noch immer in Familienbesitz.

In Nürnberg dagegen ist ihr Haus geblieben und steht heute als geschütztes Baudenkmal für einen bedeutenden Mosaikstein Nürnberger Architekturgeschichte und für nunmehr 115 Jahre Apothekentradition in der Noris.

Für die Bereitstellung reichhaltigen Materials zum Anwesen Fürther Straße 158 danken wir Gisela Haberer, Weßling, Urenkelin von Maria und Leonhard Rüger. Andrea Henrici von Dr. Schaefer Immobilien, Fürth, danken wir, dass sie für uns den Kontakt zu Gisela Haberer hergestellt hat.

Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie noch historische Fotografien oder Darstellungen eines Schauplatzes in Nürnberg? Dann schicken Sie uns diese bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: NN/NZ, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail an
redaktion-nuernberg@vnp.de.

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