All die Strapazen haben sich ausgezahlt: Johannes Ernst steht vor der Kathedrale von Santiago de Compostela, unter der sich die Grabstätte des Apostel Jakobus befindet. 
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All die Strapazen haben sich ausgezahlt: Johannes Ernst steht vor der Kathedrale von Santiago de Compostela, unter der sich die Grabstätte des Apostel Jakobus befindet. 

Gutes Jahr unterwegs

Großgründlach, Santiago und zurück: Nürnberger geht mehr als 6000 Kilometer auf dem Jakobsweg

Den Wunsch verspürt er schon seit Jahren. Doch erst, als aus einer sich anbahnenden Beziehung nichts wird, verabschiedet sich Johannes Ernst von seinem gewohnten Leben. Der studierte Sportökonom kündigt seinen Job als Marketing-Manager und lässt Familie, Freunde und Bekannte hinter sich. Als er im Juli 2021 zur Haustüre hinausgeht, macht er sich auf eine Reise von ungewisser Dauer. Sie führt ihn über die Schweiz und Frankreich zum Sehnsuchtsort Santiago de Compostela und weiter nach Porto - zu Fuß.

Der wichtigere und herausfordernde Teil der Reise, lernt er in Begegnungen mit erfahrenen Pilgern und einem Priester, den er in Santiago und Monate später zufällig in einer Kirche bei Freiburg wieder trifft, sei der Rückweg. Auf diesem müsse man sich darauf vorbereiten, was man zu Hause mit seinem weiteren Leben anfangen möchte. "Viele kommen euphorisch vom Jakobsweg zurück und fallen erst einmal in ein Loch", sagt Ernst. Für ihn steht bald fest, auch zurückzulaufen.

Mit einem Zelt auf dem Rücken ist er 13,5 Monate unterwegs. Die mehr als 6000 Kilometer auf dem berühmten Pilgerweg haben Ernst verändert. Seine Sicht auf die Dinge, vor allem aber auf andere: "Ich habe gelernt, dass die Menschen gut sind." Wo immer er auch unterwegs ist, trifft er Leute an, die ihn unterstützen, sei es mit Proviant oder einem Schlafplatz für die Nacht.

Angst, alles loszulassen

Sich aufzumachen, ohne zu wissen, wie man mit den Strapazen und auf sich allein gestellt klarkommt, kostete auch Ernst Überwindung: "Ich hatte Angst davor, alles loszulassen", räumt er ein. Drei Jahre und mehrere kürzere Wandertouren zur Vorbereitung vergehen, ehe er überzeugt ist: "Jetzt bin ich bereit."

Unterwegs nimmt er sich Zeit für jede Etappe, schläft nur unregelmäßig in den Pilgerherbergen. Er lernt etwas Spanisch. Französisch, das er in der Schule hatte, spricht er inzwischen fließend. Wie unzählige Pilger vor ihm erlebt der Nürnberger aber auch kritische Phasen. Bereits nach einer Woche wird er krankt, lässt sich davon jedoch nicht aufhalten. Mehr als nur einmal hinterfragt er sein Vorhaben. "Vor allem die Rückreise war heftig", sagt er. Wurde er auf dem Hinweg vom Gefühl getragen, das Richtige zu tun, beschleichen ihn auf dem Stück von Porto nach Santiago ernsthafte Zweifel, ob er die Distanz tatsächlich noch einmal zu Fuß absolvieren soll.

Kurz vor der französischen Grenze ist er physisch und mental am Ende. "Als ich auf die Karte geschaut habe, habe ich einen Schrecken bekommen", erinnert er sich. 150 Kilometer legt er daraufhin mit dem Zug zurück, um die Distanz zu verkürzen. Im Wallfahrtsort Lourdes bleibt er vier Tage, regeneriert und kommt zu neuen Kräften. Er verwirft den Gedanken, die restliche Heimreise mit dem Fahrrad zu bewältigen. Stattdessen startet er auf dem letzten Abschnitt zurück in Deutschland einen Spendenlauf zugunsten der Lebenshilfe Nürnberg. Dabei sammelt er Geld für Menschen, die keine Möglichkeit haben, den Jakobsweg zu beschreiten.

Unzählige Routen

"Den Jakobsweg" gibt es übrigens gar nicht. Es existieren unzählige Routen. Manche Pilger starten in Oslo, andere in Budapest, Rom oder Lissabon. Der Jakobsweg ist immer eine individuelle Herausforderung. Wirklich alleine hat sich Ernst aber nie gefühlt. Die vielen positiven Momente mit anderen Pilgern und hilfsbereiten Menschen, die am Jakobsweg wohnen, haben ihn bewegt. Seine Erlebnisse teilt er auf Instagram (hannis_lange_reise). Dort kann man seinen Weg auch jetzt noch nachverfolgen.

Zu Hause angekommen, ist Ernst nicht in ein Loch gefallen. Über seine Erfahrungen möchte er, wie einst Hape Kerkeling, ein Buch schreiben. Und Vorträge halten, um Menschen zu inspirieren. Ob es ihn teilweise oder sogar ganz zurück in seinen alten Job zieht, ist noch unklar. Fest steht für ihn: "Egal was kommt, es gibt eine Lösung". Nach dem Jakobsweg begibt sich Ernst nun also wieder auf eine neue Reise.

Spenden an Lebenshilfe Nürnberg, Sparkasse Nürnberg, IBAN: DE 1076 0501 0100 0144 1565, BIC: SSKNDE77XXX, Verwendungszweck: Spendenlauf J. Ernst.

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