Einer der Prachtbauten hat überlebt
Früher nobel, heute öde: Nur noch hier zeigt sich am Maxtorgraben in Nürnberg der Glanz alter Zeiten
23.7.2024, 19:00 UhrWer unser Projekt "Stadtbild im Wandel" kennt, der weiß, dass wir den Leistungen des Wiederaufbaus in der Regel wohlwollend gegenüberstehen. Doch es gibt Ausnahmen, den Maxtorgraben zum Beispiel.
Hier hat man es nach dem Zweiten Weltkrieg fertiggebracht, aus einer Nobelmeile ein weitgehend austauschbares Quartier zu schaffen, das ungefähr so aufregend ist wie eingeschlafene Füße. Wäre da nicht ein letzter Mohikaner, der an den Glanz der alten Zeiten erinnert.
Unser Leser Horst Hoffmann kennt den Maxtorgraben und sein Umfeld wie seine Westentasche, ist er doch ganz in der Nähe aufgewachsen und wurde schon als kleiner Steppke regelmäßig im Kinderwagen vorbeigeschoben an den Trümmergrundstücken und Baustellen, die in den Nachkriegsjahrzehnten das Bild der einstigen Prachtmeile prägten – und an dem alten Haus mit dem kecken Eckerker mit Nadelspitze mit der Nummer 33.
Tatsächlich war das Haus im "Nürnberger Stil", der Elemente der Gotik und Renaissance vereint, vor dem Bombenkrieg weder der einzige, noch der prunkvollste Bau am nordöstlichen Teil der Ringstraße um die Altstadt. In den Augen der Stadtplaner, Bauherrn und Architekten jener Zeit gebot die exponierte Lage des Straßenzuges, der zu den teuersten der Stadt gehörte, Architektur von außergewöhnlicher Qualität und städtebaulicher Strahlkraft.
Am Maxtorgraben in Nürnberg entstanden Mietspaläste
Unter Federführung des Architekten Gottlob Friedrich Hildenbrand entstand hier in den beiden letzten Dezennien des 19. Jahrhunderts ein Kranz aus Mietspalästen in den Formen der Neorenaissance, des Nürnberger Stils und der Neugotik. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg folgte die Villa des Lebkuchenfabrikanten Hans Staudt (Haus Nr. 41). Deren provisorisch instandgesetzte Kriegsruine fiel erst in den 1990er Jahren einer Wohnanlage zum Opfer, deren viel zu große und verschachtelte Kubatur dem Bild des Maxtorgrabens keinen Gefallen tut.
Wie eine im Krieg mitsamt dem Giebelaufsatz zerstörte Inschrift einst überlieferte, wurde das Haus Maxtorgraben 33 im Jahr 1894 nach Entwürfen des Nürnberger Architekten Hans Kieser erbaut. Ihm verdankten wir unter anderem die 1945 zerbombte Villa Pocher auf der Insel Schütt und die Christuskirche in Steinbühl, die er mit seinem Kollegen David Röhm plante.
Bauherr war der königlich-bayerische Hofdekorationsmaler Emil Josenhans, dessen Werkstätten gleich nebenan lagen. 1858 in Stuttgart geboren, war er in den 1880er Jahren nach Fürth übergesiedelt, wo er seine Ehefrau Maria Magdalena Petz kennenlernte. Das Paar bekam fünf Töchter – Marie, Berta, Anna und Margarete –, die ihre Kindheit und Jugend in dem großen Mietshaus am Stadtgraben verbrachten.
Eine Institution des Nürnberger Nachtlebens
In dessen Souterrain zog 1977 der bekannte "Star Club" ein. Der musste seinen Namen später in "Coal Club" ändern, weil irgendjemanden in der Rechtsabteilung irgendeines Plattenlabels der Hafer stach. Seit seiner Neueröffnung 2016 firmiert die Institution des Nürnberger Nachtlebens als "Cobra Club".
Die Nachkriegshäuser Nr. 31 und 37 sind typische Beispiele ihrer Zeit und Bauaufgabe mit sympathischen Details. Ob derlei Architektur aber für eine Promenade geeignet ist, sei dahingestellt. Da ist die bei ihrem Bau stark kritisierte Turnhallenaufstockung des Labenwolf-Gymnasiums fast eine Wohltat, hebt sie sich doch zumindest aus dem Einheitsbrei heraus.
Dass manche aus den Fehlern der Vergangenheit nicht zu lernen im Stande sind, bewies 2015 eine Nürnberger Baufirma, die die 1861 erbaute Pinselfabrik Oberndorfer (Veillodterstraße 1) direkt hinter unserem Mietshaus für einen belanglosen und überdimensionierten Investmentbunker wegriss.
So wie Ende des 19. Jahrhunderts ist die Nachfrage nach guten Lagen nah am Puls der Stadt nach wie vor groß. Leider kann die architektonische Ausgestaltung dieser Nachfrage oft nicht mehr so ganz mithalten mit der Zeit vor rund 130 Jahren. Dabei hätten die Architekten da schon gute Ideen, allein, man müsste sie sie umsetzen lassen.
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