Gärten h. d. Veste
Ein prächtiger Mietspalast an der Krelingstraße und seine Geschichte: Nobel, nobel!
11.6.2024, 19:00 UhrIn den Gärten hinter der Veste ist das Nürnberg der vorletzten Jahrhundertwende noch heute so lebendig wie sonst kaum irgendwo in der Stadt. Nachdem die Stadtverwaltung die Entwicklung der Gärten und Äcker nördlich der Kaiserburg lange Zeit verschlafen hatte, griff hier um 1900 ein wahrer Bauboom um sich. Allenthalben schossen gewaltige Mietspaläste für das reiche Großbürgertum in die Höhe.
Von Bomben weitgehend verschont
Im Zweiten Weltkrieg verfehlten die Bomben das Viertel weitgehend. Eine urbane Legende besagt, die Alliierten hätten das Gebiet mit Absicht verschont, um die dortigen Großbauten und Mietspaläste nach dem Sieg über das Dritte Reich für die Militärverwaltung nutzen zu können. Fraglich bleibt freilich, ob die geringen Kriegsschäden dahier nicht eher dem puren Zufall geschuldet sind, denn selbst Nichtfliegern dürfte klar sein, dass die Zielgenauigkeit eines Weltkriegsbombers in rund 10.000 Metern Flughöhe doch recht begrenzt ist.
Innerhalb jenes so auffallend gut erhaltenen Altbauquartiers gehört das Eckhaus Krelingstraße 43 zweifellos zu den prominentesten und ist darüber hinaus eine der bedeutendsten und schönsten Schöpfungen, die der Jugendstil in seiner kurzen Blütezeit in Nürnberg hinterlassen hat.
Die Architekten Ludwig Popp und Georg Weisheit errichteten das Gebäude in den Jahren 1904 bis 1905 in einem Zug mit den Nachbarhäusern Meuschelstraße 23 und 25, um sie im Anschluss im Bauträgergeschäft an Eigennutzer und Kapitalanleger zu veräußern. Im Gegensatz zu dem konservativ gestalteten Eckhaus Krelingstraße 41 gegenüber, das das Bauunternehmer-Ehepaar Josef und Magdalena Baumann im Jahr 1900 im Nürnberger Stil hatte errichten lassen, war die Nr. 43 seinerzeit architektonisch der letzte Schrei.
Der erste Eigentümer war im Übrigen kein Bankier oder gar ein Bauunternehmer, sondern der Bäckermeister Franz Albert. Er bezog mit seiner Familie eine der beiden Wohnungen in der Beletage, dem ersten Obergeschoss, während Laden und Backstube im Erdgeschoss untergebracht wurden. Dass Handwerker und Ladeninhaber Eigentümer großer Mietshäuser waren, war um 1900 durchaus nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich war dies aber in den Gärten hinter der Veste, wo die großen und teuren Mietspaläste sich in aller Regel im Eigentum betuchterer Schichten befanden.
Das war in der Kreling- und der Meuschelstraße nicht anders, wo ein Gutteil der Neubauten Baumeistern, Kaufleuten, reichen Privatiers und Fabrikanten gehörte, allen voran dem Bleistiftfabrikanten Gustav Adam Schwanhäußer, der schon seit 1873 in weiser Voraussicht hektarweise Ackerland in den Gärten hinter der Veste aufgekauft hatte, um es später gewinnbringend wieder zu verkaufen oder bebauen zu lassen.
Wie kunstvolles Backwerk
Tatsächlich sehen die Fassaden der Krelingstraße 43 ein bisschen wie – gleichwohl außerordentlich kunstvolles – Backwerk aus: Da sind die Bäume mit großen, lappigen Blättern, die aus Schnörkeln zu beiden Seiten eines Fensterpaares nach oben wachsen, um sich in blassrot hinterlegten Baumkrönen mit dem Blattwerk am benachbarten Fensterpaar zu verbinden. An den Konsolen der Erker taucht das Blattmotiv, nun in Sandstein, wieder auf und umwuchert dort leere Kartuschen in kantigen Jugendstilrahmungen.
Daneben tritt geometrisches Ornament aus Kammzugputz in Form von Kreisen und zweifarbigen Schachbrettmustern. Am Giebel zur Krelingstraße fasst ein verschlungenes, mit Lorbeerkränzen verwobenes Putzband eine Inschrift mit dem Jahr der Baufertigstellung ein.
Bäckermeister Albert scheint ausnehmend stolz auf sein prunkvolles, extravagantes Haus gewesen zu sein. Er ist nämlich der Verleger der historischen Ansicht aus unserem Bildvergleich, und wir dürfen davon ausgehen, dass die Karte in seiner Bäckerei zum Kauf angeboten wurde.
Alberts Anwesen entging den Unbilden der Geschichte, erst den Verheerungen des Zweiten Weltkrieges, dann den Abrisswellen und vor allem den ebenso zerstörerischen wie hirnrissigen "Entstuckungs"-Aktionen, die in der NS-Zeit und den Nachkriegsjahren zahllose wertvolle Altbauten um ihre Fassadendekorationen brachten. Der Zeitgeist diktierte die schmucklose, stereometrische Form als Ideal. Leider kapierte manch unbedarfter Hauseigentümer nicht, dass das Abschlagen des Schmuckwerks ein altes Gebäude noch lange nicht zum Neubau machte. In der Krelingstraße 43 war man schlauer.
Das Haus wurde vor einiger Zeit behutsam restauriert. Der reiche Schmuck der Fassaden – für Nürnberg ungewöhnlich in Putz ausgeführt – gewann 2006 den von der Stadtsparkasse ausgelobten "Fassadenwettbewerb". Heute ist der Prachtbau wieder eines der schillernden Symbole einer Zeit, in der Nürnberg auch städtebaulich den Sprung zur modernen Großstadt meisterte.
Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: redaktion-nuernberg@vnp.deKeine Kommentare
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