Gelungene Erhaltung von Architektur
Die schöne Resi vom Klingenhof: In Nürnbergs „Fabrikschloss“ kann man sich immer noch verlieben
15.10.2024, 15:00 UhrAls die Margarine 1871 in die industrielle Produktion ging, war sie – wie auch der Zichorienkaffee – ein Ersatzprodukt, dem ein entsprechender Ruf anhaftete. Es scheint, als wollten sich die Gesellschafter der Vereinigten Margarine-Werke, die 1911 aus dem Zusammenschluss von Heinrich Lang & Söhne und Salb & Wohl entstanden war, damit nicht zufriedengeben.
Und so beauftragten sie ihren Architekten Georg Richter, den Neubau der Werksanlagen an der Klingenhofstraße bis 1913 in die Formen des Neubarock Münchener Prägung, garniert mit Elementen des Jugendstils, zu kleiden. Neben dem Geviert der Produktionsanlagen mit dem weithin sichtbaren Uhren- und Wasserturm umfasst der Komplex der Vorkriegsjahre ein freistehendes Verwaltungsgebäude an der Klingenhofstraße, ein Maschinenhaus mit Schornstein für die Dampfmaschine und eine Verladehalle am betriebseigenen Bahnanschluss.
Heute, da die meisten Industriebauten architektonisch völlig anspruchslose Zweckgebäude sind, reibt man sich verwundert die Augen ob solcher Prachtentfaltung. Die Fabrik, sie entstand in einer Zeit, die beinahe alles mit ihrem Willen zur Gestaltung durchdrang. Funktionalität und Schönheit sollten einander idealerweise ergänzen – eine Haltung, die uns in unseren Tagen, da so vieles allein auf Rentabilität abgestellt ist, abgeht, mag es auch heute noch Bauherrn und insbesondere Architektinnen und Architekten geben, die noch immer ihre Umwelt mitgestalten, anstatt nur öde Funktionshüllen zu "erstellen".
Tatsächlich war die Wahl des Baustils ein genialer Marketing-Schachzug auch insofern, als die Menschen um 1900 bestimmte Baustile gerne mit bestimmten Epochen der Geschichte oder in diesem Falle mit weidenden Kühen auf satten, grünen Wiesen vor Alpenpanorama und rotbackigen Oberlandbäuerinnen beim Butterschleudern assoziierten. Kein Wunder also, dass die Vereinigten Margarine-Werke weiland die bewegte, quasi alpenländische Silhouette ihres Betriebes als Teil ihres Corporate Designs verwendeten. Wir versteigen uns da gerne zu der nicht allzu steilen These, dass die Architektur dieses "Fabrikschlosses" nicht unwesentlich zum monetären Gewinn des Unternehmens beigetragen hat, frei nach dem Motto: Wer so viel ins Stadtbild investiert, muss einfach die besten Produkte herstellen.
Die beliebteste Produktreihe des Unternehmens, die Margarinen "Frische Resi" und "Resi-Schmelz", die mit einer eigenen Zeitschriftenreihe und Reklame-Sammelmarken vermarktet wurden, war aber bei der Vollendung des Baus noch nicht geboren. Sie kam erst 1924 auf den Markt, als man das Werksgelände um ein freistehendes Betriebsgebäude erweiterte, auch dieses in der originalen Formensprache.
Nur allzu gerne übernahmen die Gesellschafter mit "Ariernachweis", die Nürnberger Nährmittelwerke und die Theodor Wolf GmbH, 1939 diese Verkaufsschlager. Die jüdischen Gründerfamilien indes zwang der NS-Staat zum Rückzug aus dem Unternehmen. Die Marke war so beliebt, dass die Fabrik, obwohl bereits 1976 geschlossen, im Volksmund bis heute schlicht als "die Resi" firmiert.
Dass es die Resi heute noch gibt, verdanken wir dem glücklichen Umstand, dass ein Investor zur rechten Zeit den Wert und das Potenzial der Anlage erkannte und den Abbruchantrag in den Papierkorb beförderte. In rund zwei Jahren Sanierungs- und Umbauzeit verwandelte man die aufgelassene Fabrik nach Planung des Forchheimer Architekten Manfred Heinlein 1986-88 in ein Kultur-, Büro- und Gewerbezentrum mit Mietern aus Handwerk, Kreativwirtschaft, Gewerbe, Versicherungswesen und Clubkultur. Unvergessen ist etwa die Diskothek "Resi" mit der damals spektakulärsten Lasershow Bayerns.
Seither haben sich die Nutzungen in der Resi öfter mal geändert, beliebte Namen verschwanden, Neues, manchmal Kurzlebiges, folgte nach. Wie die Geschichte des Fabrikschlosses auch weitergehen wird, eines ist gewiss: Die Resi steht als leuchtendes Beispiel für den verantwortungsvollen Umgang mit unserem industriekulturellen Erbe – und als Muster dafür, dass Funktion und Ästhetik einander nicht ausschließen.
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