Luxus, Krieg und Wiederaufbau

Diese historische Villa in Nürnberg-Wöhrd soll abgerissen werden - wir haben die Geschichte zum Haus

1.10.2024, 15:00 Uhr
Links die Baurisse für die Villa Rang von 1884, rechts die Villa heute, im Gewand des Wiederaufbaus. Ihr droht der Abriss.

© Gottlob Friedrich Hildenbrand/Sebastian Gulden Links die Baurisse für die Villa Rang von 1884, rechts die Villa heute, im Gewand des Wiederaufbaus. Ihr droht der Abriss.

Es gab eine Zeit, da verfiel trotz Immobilienboom kaum jemand in Nürnberg auf die krude Idee, eine Villa des Historismus für einen Neubau plattzumachen. Diese Zeiten scheinen vorbei. Aktuell erhitzt ein Fall in den Gärten bei Wöhrd die Gemüter: Hier soll eine Wohnanlage ein historisches Haus mit Garten ersetzen. Der Vorstadtverein Wöhrd, der Bund Naturschutz, die Stadtheimatpflegerin, der Arbeitskreis "Bäume in der Stadt", aber auch zahlreiche Anwohnerinnen und Anwohner sind alarmiert (die Redaktion berichtete).

Zugegeben: Im Augenblick sieht das Haus Nunnenbeckstraße 28 nicht sonderlich frisch aus. Die verputzten Obergeschosse sind ergraut. Abgesehen von dem rustizierten Erdgeschoss, der Eckquaderung und dem Gesims aus Sandstein über dem ersten Obergeschoss wirkt der Bau schlicht - oder besser: vereinfacht.

Die Villa Nunnenbeckstraße 28 zeigt sich im Gewand des Wiederaufbaus. Nicht mehr so opulent wie vor dem Krieg, aber noch immer beeindruckend und historisch wertvoll.

Die Villa Nunnenbeckstraße 28 zeigt sich im Gewand des Wiederaufbaus. Nicht mehr so opulent wie vor dem Krieg, aber noch immer beeindruckend und historisch wertvoll. © Sebastian Gulden

Das hat seinen Grund: 1943 zerstörte ein britischer Luftangriff weite Teile des Viertels. Auf dem Land, das in reichsstädtischer Zeit weitläufige Nutz- und Ziergärten einnahmen, wuchs ab Mitte des 19. Jahrhunderts ein dicht bebautes Großstadtquartier. 1863-64 ließ der Kaufmann Johann Konrad Schönhöfer in der Nunnenbeckstraße 28 ein Mietshaus errichten, einfach aber ansehnlich mit symmetrischen Fassaden und einem Zwerchhaus mit Anleihen an Klassizismus und Rundbogenstil. Die Dreizimmerwohnungen drinnen hatten ihre Eingänge jeweils an der Küche, die Gemeinschaftsklos lagen am Hausflur.

Das einfache Mietshaus in der Nunnenbeckstraße wich einer Luxusvilla

Doch das Haus hatte nur ein kurzes Leben. Schon 1884-85 musste es einem Neubau Platz machen, der qua Luxus und Gestaltung in einer ganz anderen Liga spielte. Geplant hat ihn kein Geringerer als Gottlob Friedrich Hildenbrand, einer der namhaftesten und produktivsten Nürnberger Architekten seiner Ära. Bauherr Leo Rang, Subdirektor der Preußischen Lebensversicherungsanstalt, scheute keine Kosten, um seine prunkvolle Villa in Szene zu setzen. Ihre Fassaden waren überreich mit Bauschmuck im Stil der Neorenaissance geschmückt, ein Walmdach mit Dachplattform und Ziergittern schloss das Haus ab.

Die Baurisse für die Villa Rang von 1884 sind richtige Kunstwerke aus Papier und Tusche. In dieser Form wurde das Haus denn auch gebaut.

Die Baurisse für die Villa Rang von 1884 sind richtige Kunstwerke aus Papier und Tusche. In dieser Form wurde das Haus denn auch gebaut. © Gottlob Friedrich Hildenbrand /Stadtarchiv Nürnberg, C 20/V Nr. 18581

Nach Kriegsschäden wurde die Villa wieder hergerichtet, die beschädigten Fassaden teils überputzt und ein Satteldach mit Walm aufgesetzt. Die historischen Qualitäten der Fassaden hat man ansonsten belassen, ebenso den hübschen Eisengitterzaun mit Tor an der Rudolphstraße und den weitläufigen Garten, der eine grüne Oase im dicht bebauten Umfeld darstellt.

Wie das Haus einmal aussah, lässt sich gut erahnen, wenn man von der Rudolphstraße gen Süden blickt: Da zeigt sich, dass die Nr. 28 in Bezug auf das östlich gegenüberliegende und besser erhaltene Haus Nr. 30 – ebenfalls ein Werk Hildenbrands – geplant wurde. Die sanft vorkragenden und mit Kuppelhauben nebst Laternen bekrönten Eckrisalite beider Häuser bildeten eine Art Torsituation, die man noch heute erkennt. Noch.

Dieser Blick von der Rudolphstraße belegt, dass die Häuser Nunnenbeckstraße 28 und 30 (von rechts) als Paar konzipiert wurden, das gleichsam ein Tor bildet.

Dieser Blick von der Rudolphstraße belegt, dass die Häuser Nunnenbeckstraße 28 und 30 (von rechts) als Paar konzipiert wurden, das gleichsam ein Tor bildet. © Sebastian Gulden

Man mag einwenden: Wir brauchen dringend Wohnraum. Nun, jein: Was wir brauchen, sind Wohnungen für Mitbürger mit kleinem Geldbeutel. Ob diese aber hier entstünden, darf man bezweifeln. Und dann muss man sich die Frage stellen, wie lebenswert ein Stadtteil ist, wenn seine historischen Qualitäten vernichtet werden.

Die Frage ist nun: Braucht‘s das? Die Causa Nunnenbeckstraße 28 riecht verdächtig nach einem dieser Fälle, in denen die abrisswilligen Eigentümer besser damit beraten wären, ihren ungeliebten Altbau an jemanden zu veräußern, der ihn wieder liebt – und zum Wohle des Stadtbildes in würdiger Weise wieder herstellt. Die Villa Rang hätte es verdient.

Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: redaktion-nuernberg@vnp.de

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