Heute zeigt sich die Häuserreihe an der Rosenhofstraße modernisiert; die malerischen Qualitäten von einst sind aber noch erkennbar, selbst bei tristem Winterwetter.
© Sebastian Gulden
Heute zeigt sich die Häuserreihe an der Rosenhofstraße modernisiert; die malerischen Qualitäten von einst sind aber noch erkennbar, selbst bei tristem Winterwetter.

"Erbaut in schwerer Zeit"

Die Rosenhofsiedlung in Nürnberg ist ein Meisterwerk des genossenschaftlichen Wohnungsbaus

Nürnberg ist eine ausgesprochene Stadt des genossenschaftlichen Wohnbaus mit einer Unzahl an entsprechenden Vereinigungen, die mit ihren Siedlungsprojekten seit Ende des 19. Jahrhunderts das Bild unserer Stadt mitgestaltet haben. So verhält es sich auch bei der Rosenhofsiedlung, die die Südseite der Regensburger Straße zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Campus der Universität Erlangen-Nürnberg einnimmt. Es ist das frühere Ludwigsfeld, auf dem einst das Volksfest stattfand und sich im Ersten Weltkrieg das größte Lazarett der Stadt erstreckte.

Im Norden schirmen langgestreckte, vier- bis fünfstöckige Blöcke mit einer Tordurchfahrt an der Immelmannstraße, Mansard- und Walmdächern die übrige Siedlung gegen die Hauptstraße ab. Zusammen mit den Mietshäusern an der Boelckestraße und lotrecht dazu stehenden Zwei- und Dreigeschossern umfrieden sie begrünte Innenhöfe. Südlich davon lockert die Bebauung auf: Eingerahmt von Geschosswohnungsbau im Osten und Westen erstrecken sich südwärts bis zur Ludwig-Frank-Straße beschauliche Reihen- und Doppelhäuschen in üppig grünen Gärten, deren Sattel- und Walmdächer von Zwerchhäusern und Gauben belebt sind.

Wie die Zufahrt eines Schlosses wirkt das Ensemble an der Immelmannstraße mit der Durchfahrt von der Regensburger Straße und den flankierenden zweigeschossigen Bauten.

Wie die Zufahrt eines Schlosses wirkt das Ensemble an der Immelmannstraße mit der Durchfahrt von der Regensburger Straße und den flankierenden zweigeschossigen Bauten. © Sebastian Gulden

Jetzt könnte man meinen, dass die unterschiedlichen Wohnformen Produkt einer Generalplanung aus ein- und derselben Hand seien. Dem ist nicht so. Denn nicht eine, sondern gleich drei Genossenschaften haben im Laufe von sechs Jahren zwischen 1921 und 1928 das Antlitz des Viertels gestaltet. Wohl haben sie eine gemeinsame Formensprache gefunden – nämlich die des Heimatstils mit Anklängen an Barock und Klassizismus, mit malerischen Kubaturen, mit von Sandsteinelementen, Zierfachwerk, Erkern und Fensterlädchen aufgelockerten Strukturputzflächen und Dachlandschaften. Ihre Schöpfer waren die Architekten Carl Grießer und Theo Ehrenfried sowie das im Genossenschaftsbau rege engagierte Büro Lehr & Leubert.

Die verschiedenen Wohnformen entsprachen den Ansprüchen und Bedürfnissen der Genossenschaftsmitglieder, von ledigen Straßenbahnern bis zur Großfamilie, die sich im hauseigenen Obst- und Gemüsegarten wenigstens zum Teil selbst versorgen konnte.

1924 posieren die Arbeiter vor der im Bau befindlichen Häuserzeile Rosenhofstraße 1-37.

1924 posieren die Arbeiter vor der im Bau befindlichen Häuserzeile Rosenhofstraße 1-37. © Ansichtskarte: unbekannt/Sammlung Sebastian Gulden, A 593

Dass die meisten Straßen hier seit 1922 die Namen von deutschen "Fliegerassen" tragen, wirkt aus heutiger Sicht zynisch, verschärfte doch der Erste Weltkrieg maßgeblich die Wohnungsnot. Allein der Birkenhof und die Rosenhofstraße, die nach Pflanzen benannt sind, tragen dem zeittypischen Gartenstadt-Charakter der Anlage Rechnung. Der Grund dafür liegt in der Bewohnerzielgruppe: So richtete sich das Angebot der 1919 gegründeten "Straßenbahner-Baugenossenschaft" (jetzt "Wohnungsgenossenschaft Noris"), der "Baugenossenschaft des Bayerischen Bundes Kriegsbeschädigter und Kriegshinterbliebenen" und der "Kriegsheimstätten-Baugenossenschaft Rosenhof" (die übrigens nicht, wie im Adressbuch zu lesen, Namensgeberin der Rosenhofstraße sein kann, weil sie erst 1925 ins Leben trat) dezidiert an Veteranen und ihre Familien.

1934 zeigte sich die Siedlungsgaststätte "zum Birkenhain" noch im originalen Gewand ihrer Erbauungszeit.

1934 zeigte sich die Siedlungsgaststätte "zum Birkenhain" noch im originalen Gewand ihrer Erbauungszeit. © Ansichtskarte: unbekannt/Sammlung Sebastian Gulden, A 609

Mit Veränderungen besteht der Bau noch heute. Wo auf unserem Foto noch das "Jamas" beheimatet war, findet man heute die "Kniedlas Hüddn".

Mit Veränderungen besteht der Bau noch heute. Wo auf unserem Foto noch das "Jamas" beheimatet war, findet man heute die "Kniedlas Hüddn". © Sebastian Gulden

Als gesellschaftliches Zentrum entstand im Osten des Quartiers in der Richthofenstraße 4 die Siedlungsgaststätte "Zum Birkenhain". Um einen Anbau und einen Windfang erweitert steht das Gebäude noch heute fast so da wie vor einem Jahrhundert, den wunderbaren beleuchteten Ausleger eingeschlossen. Nach vielen Pächterwechseln kann man in der "Kniedlas Hüddn" heute wieder fränkische Spezialitäten genießen.

Auch bei der Rosenhofsiedlung ist es wie bei vielen anderen: Umbauten und Modernisierungen, ob nun zwingend oder nicht, haben das Bild der einzelnen Häuser und Straßenzüge über die Zeit verändert. Und doch: Die Anlage hat ihr historisches Antlitz derart gut bewahrt, dass das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege sie als Ensemble unter Schutz gestellt hat – und damit einen leuchtenden Mosaikstein der "Genossenschaftsstadt" Nürnberg.

Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: redaktion-nuernberg@vnp.de. Noch viel mehr Artikel des Projekts "Nürnberg – Stadtbild im Wandel" mit spannenden Ansichten der Stadt und Hintergründen finden Sie unter www.nuernberg-und-so.de/thema/stadtbild-im-Wandel oder www.facebook.com/nuernberg.stadtbildimwandel

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