Grünanlagen mit kostbaren Pflanzen

Der Gartenpalast und seine Pracht: Einst wuchsen Pomeranzen und Granatäpfel in Nürnberg-Johannis

7.5.2024, 10:58 Uhr
Einst wuchsen in St. Johannis (rechts die Campestraße) exotische Pflanzen wie Pomeranzen (links Kupferstich "Nürnbergische Hesperides von Volkamer)

© Stich: Volckamer/Foto: Gulden Einst wuchsen in St. Johannis (rechts die Campestraße) exotische Pflanzen wie Pomeranzen (links Kupferstich "Nürnbergische Hesperides von Volkamer)

Dass St. Johannis, westlich der Altstadt gelegen, noch vor gut anderthalb Jahrhunderten von Nutz- und Ziergärten bestimmt war, kann man sich heute nur schwerlich vorstellen. Alte Fotos und die Forschungen eines Nürnberger Gartenexperten eröffnen uns einen Einblick in die heute so ferne, grüne Vergangenheit.

Ein besonderer Garten an der Burgschmietstraße

Einen besonders großen und schönen Garten fand der Flanierende weiland an der Burgschmietstraße (ehemals Haus-Nr. 26/28), Ecke Campestraße vor. Dieser ist auch einer der wenigen, deren Geschichte und Baubestand uns sehr genau bekannt sind.

Das ist vor allem das große Verdienst des Kunst- und Gartenhistorikers Friedrich August Nagel (1876-1959), der ab der vorletzten Jahrhundertwende den Bestand der Gärten im Burgfrieden mit ihren Bauten und Denkmälern mit Stift, Kamera und Schreibmaschine minutiös dokumentierte. Nagel war auch Architekt, Denkmalpfleger und Heimatforscher.

Ohne ihn wäre etwa das Wissen aus dem Archiv des zuletzt so genannten "Weigelsgartens" für immer verloren, denn die Originale der Akten und Pläne sind irgendwann nach Nagels Forschungen leider im Nirvana verschwunden.

Als er im Jahr 1377 erstmals ins Licht der Geschichte tritt, bewirtschaftete ein Nürnberger Bürger, genannt "der alte Franck", jenen Garten, den er von den Nürnberger Burggrafen in Erbpacht erhalten hatte. Noch vor dem Verkauf der Burggrafschaft an die Reichsstadt übernahm 1424 die einflussreiche Ratsfamilie der Tucher die Eigenherrschaft und sollte sie auch bis 1849 behalten.

Dieser Kupferstich von 1708 aus Volkamers Buch "Nürnbergische Hesperides" zeigt die barocken Anlagen und die im Kern mittelalterlichen Gebäude des Gartens.

Dieser Kupferstich von 1708 aus Volkamers Buch "Nürnbergische Hesperides" zeigt die barocken Anlagen und die im Kern mittelalterlichen Gebäude des Gartens. © Kupferstich Volckamer

Weiland mag das Areal schon weite Teile des Karrees zwischen der Langen Zeile, der Wieland-, Bucher und Burgschmietstraße eingenommen haben. 1499 gab es auf dem Grund jedenfalls ein sehr stattliches Gebäude-Ensemble, bestehend aus zwei Wohnhäusern für den Gartenbesitzer und den Gärtner mit beheizbaren Stuben, einem Stadel und drei Schweineställen.

Aus Nutzgärten wurden Lustgärten

Wie bei vielen Gartenanwesen des Nürnberger Burgfriedens begann der Wandel vom reinen Nutzgarten zum vorrangig die Sinnen erfreuenden Zier- und Lustgarten mit symmetrischem Wegenetz, Skulpturen aus Sandstein und Brunnen, in dem die Inhaber exotische Pflanzen und insbesondere Zitrusfrüchte kultivieren ließen, spätestens Ende des 17. Jahrhunderts: Damals nannte die Eigentümerin Catharina Heintzel eine erkleckliche Anzahl eingetopfter Granat-, Feigen-, Lorbeer- und Pomeranzenbäumchen, Christrosen, Rosmarinstöcke und sogar eine Zypresse ihr Eigen.

Die kostbaren Pflanzen brauchten Schutz

Um die kostbaren Pflanzen vor dem hiesigen Frost zu schützen, ließ Johann Andreas Schmidt, dessen Familie den Garten 1698 durch Einheirat übernommen hatte, im Jahr 1731 an der Nordseite des Wirtschaftshofes an der Burgschmietstraße eine beheizbare Orangerie errichten. 1734 dann ließ er das spätmittelalterliche Gartenhaus mit massivem Erd- und Fachwerkobergeschoss durch einen prunkvollen spätbarocken Neubau ersetzen.

Anno 1906 bewohnte die verwitwete Emma Weigel den früheren Gartenpalast. Sie ist es wohl auch, die am Portal mit ihrem Enkelkind zu sehen ist.

Anno 1906 bewohnte die verwitwete Emma Weigel den früheren Gartenpalast. Sie ist es wohl auch, die am Portal mit ihrem Enkelkind zu sehen ist. © unbekannt (Sammlung S. Gulden)

Es war dieser eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen der begabte, aber glücklose Baumeister Johann Jakob Schübler einen seiner Entwürfe umsetzen konnte: Er schuf ein zierliches, aber aufgrund schöner Proportionen und des fein nuancierten Bauschmucks beeindruckenden Bau aus Sandstein mit Zwerchhaus und Mansarddach, dessen Beletage man über eine zweiläufige Freitreppe betrat.

Der Saal im Gartenpalast wartete noch 1913 mit zartem barocken Bandelwerkstuck auf, bereichert durch Büsten und Blumenvasen im Relief. Das Foto befindet sich im Stadtarchiv Nürnberg.

Der Saal im Gartenpalast wartete noch 1913 mit zartem barocken Bandelwerkstuck auf, bereichert durch Büsten und Blumenvasen im Relief. Das Foto befindet sich im Stadtarchiv Nürnberg. © Friedrich August Nagel

Das Anwachsen der Großstadt läutete Ende des 19. Jahrhunderts den Anfang vom Ende des Barockgartens ein: Bis auf eine kleine Restfläche, die unter anderem den Gartenpalast mit seinen Nebengebäuden und den Wirtschaftshof umfasste, wurde der Schmidt‘sche Garten in viele Baugrundstücke aufgeteilt. Auf denen entstanden ab den 1880er Jahren Mietshäuser und auch vornehme Villen - darunter die Anwesen Leuchs, nachmals Hirsch, Kohn und Bach. Die Wieland-, Frommann- und Campestraße, für deren Durchbruch ein Nebengebäude des Gartens weichen musste, erschlossen das neue Quartier.

Dennoch, der Garten, er könnte noch da sein. Doch nachdem britische Fliegerbomben Schüblers Gartenpalast und seine Nebengebäude vernichtet hatten, war am Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr viel da, was man hätte bewahren können.

Geschosswohnungen ersetzten Gartenkultur

Seit 1957 erhebt sich auf dem Grund Geschosswohnbau (Campestraße 1/3), bestehend aus zwei viergeschossigen Blöcken mit Balkonfronten und überstehenden Walmdächern, Kraftwagenhalle, Vorgartensaum und etwas Siedlungsgrün. Planer der Neubauten war offenbar ein Spross der letzten Eigentümerfamilie, der Architekt Wilhelm Weigel, der 1952 auch den Rahmenplan für die neue Bebauung des Quartiers gefertigt hatte. Die vierte Station von insgesamt sieben Stationen von Adam Krafts Nürnberger Kreuzweg (beziehungsweise dessen Kopie von 1889/1910), die einst in die Fassade des Hauses Burgschmietstraße 28 eingebaut war, steht seit dem Wiederaufbau frei am Gehsteig.

Heute steht eine Wohnanlage der Nachkriegszeit an der Stelle des Gartenpalastes und seiner Nebengebäude.

Heute steht eine Wohnanlage der Nachkriegszeit an der Stelle des Gartenpalastes und seiner Nebengebäude. © Sebastian Gulden

Heute erinnert fast nichts mehr an den majestätischen Garten. Allein die nahe Weigelstraße trägt seit ihrer Anlage 1896 den Namen des Kaufmanns Johann Georg Weigel, der ihn im Jahr 1870 erwarb und dessen Familie ihn bis zuletzt innehatte. "Sic transit gloria mundi" – so vergeht der Ruhm der Welt, und mit ihm ein prächtiges Stück Nürnberger Gartenkultur.

Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: redaktion-nuernberg@vnp.de

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