Heute steht der Kopfbau des Zeughauses fast wieder so da wie vor dem Krieg. Der Wiederaufbau hielt sich hier zumindest im Außenbereich eng an den Vorzustand.
© Sebastian Gulden
Heute steht der Kopfbau des Zeughauses fast wieder so da wie vor dem Krieg. Der Wiederaufbau hielt sich hier zumindest im Außenbereich eng an den Vorzustand.

Markanter Kopfbau

Bullig, aber mit Charme: Das Zeughaus in Nürnberg ist der schöne Rest vom großen Ganzen

Als Ende des vorigen Jahres die Meldung die Öffentlichkeit erreichte, dass die Polizeiberatungsstelle das frühere Zeughaus am Hallplatz verlassen wird, brach bei einigen Zeitgenossen Panik aus: Noch ein Leerstand in der Altstadt! Wir halten uns mal schön aus der Debatte um die Nachnutzung heraus und erzählen lieber davon, um welchen geschichtlich und architektonisch besonderen Bau es sich hier eigentlich handelt.

Zunächst: Den ab 1588 errichteten Bau "Zeughaus" zu nennen, ist ziemlich verwegen. Niemand dürfte ernsthaft glauben, dass die Reichsstadt auf der doch relativ mickrigen Grundfläche ihr komplettes Waffenarsenal untergebracht hätte. Dass der bullige Bau heute als "pars pro toto" für das reichsstädtische Waffenlager herhalten darf, liegt zum einen daran, dass der große Rest des Komplexes, der sich über 350 Meter an der Nordseite des Kornmarktes entlang zog, am 2. Januar 1945 vernichtet wurde. Es liegt aber auch an der eingängigen Form, die sich sein Schöpfer Hans Dietmair einfallen ließ.

Dieser Kupferstich von 1702 zeigt, dass das heute als Zeughaus bezeichnete Gebäude lediglich Kopfbau eines wesentlich größeren Komplexes war.

Dieser Kupferstich von 1702 zeigt, dass das heute als Zeughaus bezeichnete Gebäude lediglich Kopfbau eines wesentlich größeren Komplexes war. © Kupferstich: Johann A Böner/Stadtbibliothek Nürnberg, Stoer. 1259, Bl. 107

Die frühere Ein- und Ausfahrt an der Ostseite flankieren zwei stämmige halbrunde Türme mit schießschartenartigen Fensterchen, die von geschnürten Zwiebelhauben (damals architektonisch der letzte Schrei!) bekrönt werden und der Front die Anmutung eines wehrhaften Stadttores verleihen. Zusammen mit dem rustizierten Sandsteinmauerwerk teilten sie dem unbefugten Passanten – wenngleich auf sehr reizende Art und Weise – mit: "Du kommst hier ned nei!" Ungleich weniger abweisend und mit eleganten, beim Wiederaufbau rekonstruierten Schweifgiebeln bekrönt, zeigen sich dagegen die Schmalseiten, wo große Fenster mit stichbogigen Schlüssen dereinst die Räume des Zeugmeisters und seiner Gehilfen belichteten. Im 19. Jahrhundert bildete der Komplex mit seinen gewaltigen Lagerflächen den Dreh- und Angelpunkt des florierenden Nürnberger Hopfenhandels; der Kopfbau wurde Polizeiwache.

Dietmair gehörte übrigens zu den wenigen Nürnberger Stadtbaumeistern, der nicht einer ratsfähigen Familie von hier entstammte. Geboren zu Eisenach, kam er nach Lehrjahren in der Schweiz und Engagements im Hessischen 1578 nach Nürnberg, um dort schon 1579 zum Stadtbaumeister ernannt zu werden. Neben Belangen der Bauordnung oblagen ihm auch und vor allem Unterhalt und Planung kommunaler Gebäude.

Nach 1945 war vom Kopfbau des Zeughauses nicht mehr allzu viel übrig. Dennoch entschloss sich die Stadt, das ausgebrannte und teils eingestürzte Gebäude wiederherzurichten.

Nach 1945 war vom Kopfbau des Zeughauses nicht mehr allzu viel übrig. Dennoch entschloss sich die Stadt, das ausgebrannte und teils eingestürzte Gebäude wiederherzurichten. © Kommissariat 34;Nürnberg

Diese um 1959 gedruckte Reklamekarte ist eine Montage; das Ensemble am Zeughaus sah aber nach Fertigstellung des Kaufhauses Hertie tatsächlich so aus.

Diese um 1959 gedruckte Reklamekarte ist eine Montage; das Ensemble am Zeughaus sah aber nach Fertigstellung des Kaufhauses Hertie tatsächlich so aus. © Grafik: Hertie-Werbezentrale/Sammlung Sebastian Gulden

Wir dürfen mutmaßen, dass Dietmair einen mittleren Tobsuchtsanfall bekommen hätte beim Anblick dessen, was der Hertie-Konzern 1955 bis 1959 aus "seinem" Kopfbau gemacht hat: den Wurmfortsatz eines Kaufhauses. Aber mit solcher Schelte täte man dem Werk des berühmten Sep Ruf Unrecht. Tatsächlich war der Hertie, mag er auch zur Altstadt gepasst haben wie Faust aufs Gretchen, schöne und leichtfüßige Baukunst der 50er Jahre mit gestalterischem Anspruch. Mit einem zweigeschossigen Verbindungsbau und dem angrenzenden Fünfgeschosser nebst Attika übersetzte Ruf gar in abstrahierter Form die historische Anmutung des Zeughauses, wenn auch in den Formen seiner Zeit. Die schmucke Einfriedung des Hofes südlich des Zeughauses, die den Krieg überlebt hatte, riss man leider später weg, damit König Kunde mit seiner rollenden Blechschüssel ungehindert vom Königstraße über den Hallplatz zur Tiefgarage des Kaufhauses gelangte.

Über dem Portal prangen noch heute – neben dem Baujahr – der Doppelkopfadler des Heiligen Römischen Reiches und die beiden Wappen der Reichsstadt Nürnberg.

Über dem Portal prangen noch heute – neben dem Baujahr – der Doppelkopfadler des Heiligen Römischen Reiches und die beiden Wappen der Reichsstadt Nürnberg. © Sebastian Gulden

Doch auch der Hertie ist bekanntlich lange Geschichte: 1997 bis 1999 verschwanden seine Grundmauern im Einkaufszentrum "City Point". Wann der 2017 geschlossene City Point nun Geschichte wird und ob überhaupt, bleibt abzuwarten. Nachdem der vorletzte Projektentwickler Development Partner aus Düsseldorf in die Pleite gerutscht und die Versicherungskammer Bayern als Nachfolgerin auf den Plan getreten ist, werden die Karten neu gemischt. Man könnte es ja auch mal mit Stehenlassen und Umnutzen probieren in einer Zeit, da alle Welt – zu Recht – von Ressourcenschonen und "Grauer Energie" redet. Und ob und inwiefern der unter Denkmalschutz stehende und bis heute im Eigentum der Stadt befindliche Kopfbau des Zeughauses davon betroffen sein wird, wird sich ebenfalls noch weisen.

Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: redaktion-nuernberg@vnp.de. Noch viel mehr Artikel des Projekts "Nürnberg – Stadtbild im Wandel" mit spannenden Ansichten der Stadt und Hintergründen finden Sie unter www.nuernberg-und-so.de/thema/stadtbild-im-Wandel oder www.facebook.com/nuernberg.stadtbildimwandel

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