Fall 7 von "Freude für alle"

Abgeschottet: Besonderes Haus für ehemals Obdachlose in Nürnberg ist auch 2023 noch ohne Internet

Max Söllner

Redaktion Neumarkt

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18.11.2023, 11:00 Uhr
Tamara Z. (Name geändert) in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung im Nürnberger Stadtteil Schweinau. Die Möbel hat sie im vergangenen Jahr dank Geldspenden an "Freude für alle" bekommen.

© Max Söllner, NN Tamara Z. (Name geändert) in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung im Nürnberger Stadtteil Schweinau. Die Möbel hat sie im vergangenen Jahr dank Geldspenden an "Freude für alle" bekommen.

"Jeder hat seine Probleme", sagt Tamara Z. (Name geändert). Die 33-Jährige war obdachlos, lebte zuletzt in einer entsprechenden Unterkunft - und sah sich dort mit schwer suchtkranken Mitbewohnern konfrontiert. Ein fünf Quadratmeter großes Zimmer mit Bett und Tisch, geteilte Toiletten und Waschräume auf dem Gang: "Du kannst dich nicht abkoppeln von den Leuten", wie sie sagt. Hinzu kam der ständige Wechsel, wenn sich mal wieder jemand nicht an die Regeln hielt und rausgeworfen wurde.

Heute geht es ihr viel besser. Seit einem Jahr wohnt sie in einem in Nürnberg einmaligen Projekt im Stadtteil Schweinau. Sie hat zwei Zimmer, ein eigenes Bad und eine kleine Kochstelle. Und ist, anders als in klassischen Wohnungslosenunterkünften, eine von 13 ganz regulären Mieterinnen und Mietern.

Erst die Wohnung, dann alles weitere

Vermieter ist die Noris-Arbeit (Noa), eine gemeinnützige Tochtergesellschaft der Stadt Nürnberg. Wer einziehen darf, entscheidet das Sozialamt. "Das war die einzige Chance, Frau Z. in ein normales Mietverhältnis zu bringen", sagt die für sie zuständige Mitarbeiterin vom Sozialpädagogischen Fachdienst. Auf dem freien Wohnungsmarkt hätte Z. keine Chance gehabt.

Die Hoffnung: "Wenn sie wohnt, ist sie stabil", oder anders gesagt: Erst die Wohnung, dann alles weitere. Das Prinzip erinnert an "Housing First", ein in Nürnberg im vergangenen Jahr gestartetes Projekt, das sich an private Vermieter und Vermieterinnen richtet. Das Haus in Schweinau gibt es dagegen bereits seit 20 Jahren.

Und es funktioniert. Stolz zeigt Z., wie sie sich mit Hilfe einer "Freude für alle"-Spende aus dem vergangenen Jahr eingerichtet hat. Ein Bett, ein großer Kleiderschrank, ein Sofa mit Fernseher und ein Tisch mit zwei Stühlen - mehr Möbel gibt es nicht. Die Wohnung ist penibel sauber, fast schon steril. "Sie achtet drauf, dass sie wenig besitzt“, sagt die Mitarbeiterin. In der Vergangenheit hatte Z. Probleme, Ordnung zu halten.

"Es sind Menschen, die in einer normalen Wohnung völlig überfordert wären"

Z. bietet ihrem Besuch Wasser an, das sie mitsamt blauem Plastikbecher auf einem kleinen Beistelltisch vorbereitet hat. "Mit Sprudel oder ohne?" Zum Essen geht sie ins benachbarte Mehrgenerationenhaus, dort gibt es ein gefördertes Mittagstisch-Angebot. Ansonsten fährt sie gerne in die Innenstadt oder trifft sich zum Serienschauen mit einer befreundeten Hausbewohnerin.

Frühstück gibt es in der Sozialstation, einem Büro innerhalb des Hauses, dass eher wie eine Wohnung aussieht. "Wir mögen es halt gemütlich“, sagt Günay Saltik. Sie ist wie ihre Kollegin Anita Strobach beim Krisendienst angestellt. "Wir sind hier Wohnungsassistenten, wir haben für jede Wohnung einen Schlüssel." Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner hätten eine Obdachlosigkeit hinter sich, sind oft älter. "Es sind Menschen, die in einer normalen Wohnung völlig überfordert wären."

Eines aber fehlt der Sozialstation bis heute: Internet. Auch in vielen Wohnungen des Hauses gibt es keinen Anschluss. Wird es gebraucht, müssen die mobilen Daten von Saltik oder Strobach einspringen. Eigentlich kein Zustand, zum Beispiel wenn bald das bislang am Automaten erhältliche Nürnberger ÖPNV-Sozialticket auf ein ausschließlich digital erhältliches, stark ermäßigtes Deutschlandticket umgestellt wird. Einen Internetanschluss, ein Laptop und vielleicht noch einen Drucker: "Das wäre ein Traum", sagt Saltik. Vielleicht erfüllt er sich bald, hier käme eine Unterstützung aus der Weihnachtsaktion vielen Bedürftigen im Alltag ganz praktisch zugute.

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