Fall 5 von "Freude für alle"

Alleinerziehend, vier Söhne, wenig Geld: Nürnbergerin droht jeden Moment ein Burnout

Wolfgang Heilig-Achneck

Lokalredaktion

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16.11.2023, 10:59 Uhr
Unruhe, Bewegungsdrang, Konzentrationsstörunge: In jeder fünften Familie ist ein Kind von ADHS betroffen.

© colourbox.de, NNZ Unruhe, Bewegungsdrang, Konzentrationsstörunge: In jeder fünften Familie ist ein Kind von ADHS betroffen.

"Sie sind alle liebenswert und besonders", sagt eine Nürnberger Mutter über ihre vier Söhne. Alle stecken in der Pubertät, erst halb oder schon voll oder gerade noch. Was die Frau um die 40 durch die Blume auch zu verstehen gibt: Das gilt nur, wenn sie ihnen jeweils einzeln und allein ihre volle Zuwendung schenken kann.

Was eher selten möglich ist, dafür gibt es in einem solchen Alleinerziehenden-Haushalte einfach zu viele Probleme und zu viel zu tun. Kein Wunder: Keines der Kinder ist von Belastungen verschont geblieben - und ADHS ist noch die geringste davon. In jedem Moment muss Melissa W. (Name geändert) auf abrupte Stimmungsschwankungen und Wutausbrüche gefasst sein - da knallt und kracht es schon mal in der dürftig ausgestatteten Altbau-Wohnung.

So erhält die Mutter schon seit Jahren Unterstützung durch eine Familienhelferin. Was sich schon in manch schwieriger Situation bewährt hat. Etwa, wenn für einen der Jungen, der besonders extrovertiert und auffällig ist und im Schulsystem durch alle Raster fällt, eine passende Einrichtung gefunden werden muss. Oder wenn einem anderen Kind ein wichtiges Medikament nicht verschrieben werden kann, weil der Vater oft lange Zeit unerreichbar ist oder sich sperrt. Wegen des geteilten Sorgerechts aber sind der Mutter dann die Hände gebunden.

Möglichst unabhängig vom Jobcenter

Trotz der häuslichen Belastungen hält die Mutter an ihrem Job als Groß- und Einzelhandelskauffrau fest. Auch um unabhängig zu sein vom Jobcenter. "Da will ich nie mehr hin", sagt sie nach leidvollen Erfahrungen. Allerdings schafft sie im Büro nicht die volle Stundenzahl - und ist oft auf das Verständnis und die Nachsicht ihres Chefs angewiesen, wenn zum Beispiel ein Anruf von der Schule mit der Aufforderung eingeht, umgehend eines ihrer Kinder abzuholen. Dazu kommen ohnehin reichliche Wege und Termine mit Ärzten und Therapeuten. "Sie war mehrfach nahe am Burnout", sagt die Familienhelferin über die Mutter.

Glück hatte Melissa W. mit ihrem Arbeitgeber auch noch aus anderen Gründen: Immer wieder hat er ihr schon mit Vorschüssen ausgeholfen, wenn es wieder mal ein Loch zu stopfen gab. Und: "Ohne seine Vermittlung hätte ich nie unsere Wohnung bekommen", sagt sie, "ich wäre sonst schon wegen der Kinder und wegen eines Schufa-Eintrags chancenlos gewesen". Diese Abhängigkeit hat ihren Preis: Wie oft und wie viele unbezahlte Überstunden sie leistet, mag sie nicht verraten.

Elendes Gefühl

Und die finanziellen Sorgen sind umso größer, da die Alleinerziehende immer wieder quälend lang auf staatliche Hilfen warten muss: vor allem das Wohngeld und aktuell den Kinderzuschlag. Das macht bei ihr erhebliche Summen aus. Wenn sie fehlen, pumpt sie Verwandte und Freunde an - und fühlt sich elend. So blieb ihr vom Wohngeld wenig, als endlich eine größere Nachzahlung einging. Die reichte kaum, um endlich wieder ins Plus zu kommen.

Auf die Leistungen ist die Familie auch deshalb angewiesen, weil mit ihnen auch Nürnberg-Pass und damit verschiedene Vergünstigungen erreichbar sind. Pech nur, dass ausgerechnet der Sportverein die Bildungs- und Teilhabegutscheine nicht akzeptiert, in den einer der Söhne jetzt zum Fußball-Training geht - weil auch seine Kumpel dort kicken. Wenn die Weihnachtsaktion nun um Unterstützung bittet, steht ihr Schicksal beispielhaft für zahlreiche weitere Familien.

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