Urlaubstipp in Italien
Reifeprüfung in Goldgelb: Einführung in der Emilia Romagna in die Kunst des Parmesans
31.8.2024, 05:00 UhrEin wenig leichtsinnig war das schon: Kein Zaun, keine Videoüberwachung rund um die Halle, in der 130 Millionen Euro lagern. Man hatte einfach nicht damit gerechnet, dass Bankräuber mit Kühl-LKW vorfahren, einbrechen und 2500 Käse-Laibe rausschleppen, jeder etwa 40 Kilo schwer und 400 Euro teuer. Bis genau das geschah, 2003 im kleinen Ort Montecavolo di Quattro Castella, südlich von Parma. Und kein Einzelfall blieb - in der Region wurden auch andere, kleinere Käselager ausgeraubt.
Solche Kühlhäuser sind nötig, weil jeder Laib Parmigiano Reggiano mindestens 24, besser noch 36 Monate reifen muss. Dafür haben die meisten bäuerlichen Produzenten auf ihren Höfen nicht ausreichend Lagerfläche. Und: jeder Käselaib ist für sie eine Wertanlage. Banken wie die Credito Emiliano, kurz Credem, akzeptieren Käse als Sicherheiten für Kredite, die sie den Bauern in der Region geben, etwa damit die einen neuen Trecker kaufen oder Ställe renovieren können. Im Credem-Käse-Tresor von Montecavalo lagern 300.000 Parmigiano-Rundlinge in zwölf Meter hohen Regalen bei konstant knapp unter 20 Grad.
Wie so ein goldgelber Edel-Käse entsteht, können Besucher auf Farmen wie "Agricola Iris" besichtigen, im abgelegenen, nur aus ein paar Häusern und einem Kirchturm bestehenden Winz-Ort Rivalta südlich von Parma. Hier, in den sanften Hügel-Ausläufern des Appenin präsentieren Umberto und sein Sohn Daniele Avanzini zuerst einige ihrer 200 Kühe. Sie fressen fast nur das Gras und Heu der 68 Hektar großen Iris-Farm. Aber auf keinen Fall Silo-Futter. Denn dann dürften Umberto und Daniele ihren Käse nicht Parmigiano nennen. Zudem kann Parmigiano nur von gut 300 zertifizierten Betrieben rund um Parma, Reggio Emilia, Modena und Bologna produziert werden, denn nur hier sind die Böden angeblich so beschaffen, dass ihr Gras im Rindermagen ganz besondere Laktose-Bakterien in der Kuhmilch fördert.
Rare Rassen
"Schau hier", sagt der 68jährige Umberto, wir halten die Rinderrassen "Biancha Modenese" und füttert seine weißen Kühe mit etwas ausgerupftem Gras. "Außerdem ‚Swiss Brown‘ und die ‚Bardiggiana‘, eine Rasse die beinah ausgestorben war und fast nur auf unserer Farm wieder neu gezüchtet wird", erzählt er sichtbar stolz. Die reichen, um daraus täglich vier Parmigiano-Laibe zu produzieren. Wie das geht, zeigt Daniele (40) in der gut wohnzimmer-großen, gefliesten Käseküche – aber erst, nachdem Umberto den Besuchern draußen im Stall noch Theo vorgestellt hat, den mächtigen, etwas grimmig dreinschauenden Bardiggiana-Zuchtbullen.
Daniele beginnt zwischen runden und eckigen Kupferwannen wie ein XXL-Milchbar-Mixer: Ein 1000-Liter-Heizkessel ist bereits zur Hälfte gefüllt mit teilentrahmter Milch des Vortages. Der Käser mischt sie nun mit der gerade gemolkenen, frischen Milch von heute und kippt dann Molke hinein, eine zitronensaftgelbe Flüssigkeit, die bei der Käseproduktion regelmäßig übrig bleibt. Über Nacht gegoren, entstehen darin Abermillionen von Milchsäurebakterien. Sie verwandeln Milchzucker in Milchsäure und sorgen nun im Heizkessel dafür, dass der Milchmix dicker und dicker wird, während Daniele ihn mit dem "Spino" rührt, einem riesigen Holzlöffel. Zwei bis drei Minuten nur - solange bis die Brühe eine schaumige Oberfläche hat und es in der Käserei leicht säuerlich riecht.
Bei inzwischen 30 Grad im Heizkessel entsteht ein Käsegranulat, das zu Boden sinkt, sobald Daniele die Temperatur runterdreht. Nach einer Stunde hieven Daniele und Umberto einen etwa 100 Kilo schweren Käseklops aus dem Kessel, teilen ihn in zwei Laibe und schleppen sie eingehüllt nach nebenan. Daniele öffnet die Tür zum nächsten, voll verfliesten Raum. Darin hüfthohe Reihen von Salzlake-Becken, in denen die Parmigiano-Laibe der vergangenen Wochen dümpeln – der allererste und kürzeste Teil des Reifungsprozesses.
Dann ist quasi "Einkleidung" in eine Plastikhaut. Sie gibt dem Käse zugleich die endgültige Form und sein Wasserzeichen: Einen für jede Käserei speziellen Code auf dem Plastik, der sich in die Käserinde eingraviert. 2396 ist der aktuelle für die Agricola Iris, kombiniert mit weiteren Gütesiegel-Angaben.
Umbertos und Danieles echter Parmigiano muss nun in einem Kühlhaus reifen und kommt entweder nach 24 Monaten raus - als "Stagionato" (Gereifter) oder erst nach 36 Monaten als "Stravecchio" (Alter). In jedem Fall aber als körniger, äußerst würziger Edelkäse, dessen Kristalle auf der Zunge kitzeln und der nichts auf Bolognese-Sauce verloren hat, sondern als Delikatesse am besten im Duett mit gutem Weißwein schmeckt.
Mehr InformationenTourismusverband Emilia Romagna unter www.emiliaromagnaturismo.it. Besichtigungsmöglichkeiten unter https://www.parmigianoreggiano.com/de/kaesereien-besuche-degustation/
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen