Im Norden sieht man sie besser

Mit Rudolph die Nordlichter Schwedens jagen: So aufregend ist ein Wintertrip nach Lappland

Marlene Weyerer

Thementeam Genuss, Trends & Freizeit

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19.10.2024, 08:05 Uhr
Anna-Lena Kaati gehört den Sami an, einem indigenen Volk, das im Norden Skandinaviens beheimatet ist.

© Marlene Weyerer Anna-Lena Kaati gehört den Sami an, einem indigenen Volk, das im Norden Skandinaviens beheimatet ist.

Der Wecker klingelt. 2 Uhr morgens. Angeblich ist die Sonnenaktivität gerade besonders hoch. Mit halbgeöffneten Augen geht es nach draußen, wo aber die Temperatur schlagartig die Müdigkeit verdrängt. Auch im März hat es hier im Norden Schwedens noch leicht mal -10 Grad nachts. Oder noch weniger. Im Schlafanzug mit übergeworfener Skijacke macht sich die Kälte direkt bemerkbar. Aber es geht ja schnell. Ein Blick in alle Richtungen, vor allem nach Norden, zeigt: Nichts.

Zumindest wenn die tausenden Sterne, die zwischen den Wolken hervorlugen nichts sind. Hier in Lappland gibt es wenige Städte, wenige Menschen, dadurch wenig Lichtverschmutzung und schöne Nachthimmel. Aber so beeindruckend die Sterne sind, es sind eben nicht die grünen und roten Lichter, die sich Touristen hier erhoffen.

Polarlichter entstehen, wenn der Sonnenwind elektrisch geladene Elektronen und Protonen Richtung Erde weht. Das Erdmagnetfeld lenkt diese Teilchen dann zu den Polen hin ab. Die Elektronen regen dort Atome in der Luft an. Wenn es Sauerstoffatome sind, entsteht ein grünes oder rotes Leuchten. Bei Stickstoff ist es blau, was den Himmel violett färben kann.

Reise ins schwedische Lappland: "Jedes Nordlicht sieht anders aus"

Sie haben es nicht so richtig verstanden? Keine Sorge, ich auch nicht. Eines ist vor allem wichtig: Es muss beeindruckend aussehen. Als würde der Himmel bunt brennen oder als würden grüne Bänder in der Luft tanzen.

Um Nordlichter zu sehen, sollte es möglichst dunkel sein. Am besten sieht man die Lichter also abseits der Zivilisation.

Um Nordlichter zu sehen, sollte es möglichst dunkel sein. Am besten sieht man die Lichter also abseits der Zivilisation. © Johan Stenevad/Lapland Guesthouse

"Jedes Nordlicht sieht anders aus", sagt Johan Stenevad. Es könne unterschiedlich stark sein, verschiedenste Formen annehmen. Manchmal sei es in Bewegung, manchmal nur durch die Kameralinse zu erkennen. Obwohl er eigentlich aus dem Süden des Landes stammt, betreibt der Schwede seit Jahrzehnten das Lapland Guesthouse, ein kleines Hotel jenseits des Polarkreises.

Er kam einst wegen der Liebe, blieb aber nicht nur wegen seiner Frau. "Ich bin absolut verrückt nach Nordlichtern", sagt er. Jede Nacht sei er auf der Lauer danach. Im Herbst, wenn noch kein Schnee gefallen ist, seien sie am beeindruckendsten. Jetzt im März ist noch alles weiß bedeckt, sodass die Nacht nie ganz finster erscheint. Auch das hat eine ganz eigene Magie.

Stenevad passt in diese Landschaft, als wäre er hineingeboren worden. Ein großer, breiter Mann mit grauem Vollbart und trockenem Humor. Und er ist über die Jahre auch Teil der Gemeinschaft hier geworden. Im Frühjahr sammelt er Beeren und legt sie ein. Er räuchert Fische, die er selbst gefangen hat, schreinert seine eigene Einrichtung aus heimischen Hölzern.

Die Menschen in Lappland sind stolz darauf, fast autark zu leben. "Ehrlich gesagt haben wir oft das Gefühl, wir brauchen die Schweden im Süden nicht, wir haben uns gegenseitig", sagt Stenevad. Durch das harte Klima war diese Gegend schon immer abgeschnitten vom Rest des Landes, von den Großstädten.

Schwedisches Lappland: Rentier und Elch auf dem Teller

Und so ist die regionale und saisonale Ernährung, die an anderen Orten aus Umweltgründen in Mode kommt, hier fest in der Lebensart verankert. Zum Essen gibt es viel Lachs, der im Sommer gefischt und geräuchert wird. Außerdem viele Kartoffeln, weil die hier gut wachsen.

Als Fleisch gibt es meist Rentier oder Elch. Beides erinnert vom Geschmack an Wild, vergleichbar mit Reh und Hirsch. Auch das Fleisch ist - wie sollte es in Schweden anders sein - fast immer geräuchert.

Leicht geräuchertes Rentierfleisch (Souvas) mit Kartoffeln, Gemüse und Preiselbeeren über dem Feuer angebraten.

Leicht geräuchertes Rentierfleisch (Souvas) mit Kartoffeln, Gemüse und Preiselbeeren über dem Feuer angebraten. © Marlene Weyerer

Viele Einheimische besitzen ein eigenes Stück Wald, in dem sie Beeren und Pilze sammeln, Holz für ihren Ofen hacken und jagen gehen. Während Elche hier gejagt werden, ist das aber bei Rentieren verboten. Denn alle Rentiere, die frei durch Schwedens Wälder laufen, haben einen Besitzer oder eine Besitzerin.

Eine davon ist Anna-Lena Kaati. Mit ihrer Rentierherde versucht sie wieder zu ihren Wurzeln zurückzufinden. Denn Kaatis Vorfahren gehörten zum Volk der Sami, nomadische Ureinwohner Skandinaviens, die gemeinsam mit ihren Rentieren durch das jetzige Gebiet Schwedens, Finnlands, Norwegens und Russlands zogen.

Nachdem sie in der Vergangenheit benachteiligt und diskriminiert wurden, gelten sie in Schweden inzwischen als geschützte Minderheit. Unter anderem haben sie bis auf Ausnahmen das exklusive Recht, Rentiere zu halten. 50 pro Person sind erlaubt, Voraussetzung ist ein eigenes Stück Wald, das groß genug dafür ist, die Tiere zu ernähren. Im Herbst treiben die Sami die Rentiere dann bei einem großen Fest zusammen, jeder sucht sich seine Tiere anhand von Mustern in den Ohren. Im Winter leben die Herden meist in einem eingezäunten Stück Wald, damit ihre Besitzer sie füttern können.

Manche Rentiere lassen sich streicheln und füttern.

Manche Rentiere lassen sich streicheln und füttern. © Marlene Weyerer

Die Kultur der Sami kreist um diese Tiere. Sie essen nicht nur das Fleisch, sondern nutzen auch das Geweih, das jährlich abfällt, als Messergriff oder Schmuck. Sie kleiden sich in Rentierfell, sogar ihre Schuhe bestehen daraus. Frauen tragen metallischen Schmuck, der bei jedem Schritt klimpert. "Das soll das Klackern der Rentierhufen nachahmen", erzählt Anna-Lena Kaati.

Reise in den Norden Schwedens: Glückselige Rentierumarmung

Statt vom Fell oder Fleisch, lebt sie davon, ihre Rentiere Touristen zu zeigen. Die meisten lassen sich mit Moos füttern. Einzelne sind komplett zahm, eine Rentierdame lässt sich sogar umarmen. Sie riecht nicht streng nach Tier, sondern duftet nach Wald. Es ist ein fast glückseliges Gefühl dieses sanfte Wesen zu kuscheln.

Die zahmen Rentiere sind Kaatis "Babys". Weil ihre Mutter sie nicht akzeptierte, hat die Frau sie per Flasche aufgezogen. "Die vier bleiben aber das ganze Jahr bei mir, sie sind viel zu zutraulich und würden deswegen in der Wildnis nicht überleben."

Die Nordlichter haben wir übrigens nicht gesehen. Aber das macht die Magie der Polarlichter aus, dass man sie nicht beschwören kann. Es braucht Glück. Außerdem habe ich so zumindest eine Ausrede, irgendwann mal wieder mit Rentieren zu kuscheln.

Mehr Informationen:

visitsweden.de und heartoflapland.com
Anreise: Von Frankfurt oder München mit per Flug nach Stockholm, Weiterflug nach Kiruna oder Luleå. Vor Ort entweder Auto mieten oder vom Hotel abholen lassen, Taxis sind sehr teuer. Mit dem eigenen PKW ab Nürnberg über 2700 Kilometer, im Winter ist das keine gute Idee.
Beste Reisezeit: Die ersten Schneeflocken fallen im hohen Norden schon im Oktober. Spätestens ab Mitte Dezember ist das Land von einer dicken Schneeschicht bedeckt.
Lappland liegt im Norden Schwedens, an der Grenze zu Norwegen und Finnland.

Lappland liegt im Norden Schwedens, an der Grenze zu Norwegen und Finnland. © Irene Daxer/Punktx

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