Geheimtipp in der Emilia-Romagna
Ferrara statt Ferrari: Mit dem Bike durch ein italienisches Kleinod rollen
18.7.2024, 10:25 UhrKnatternde Vespas, stinkende Autoschlangen - all das gibt es in Ferrara nicht. Ob Geschäftsfrau oder Student, Kind oder Rentnerin, in der etwas über 140.000 Einwohner zählenden Stadt in der italienischen Provinz Emilia-Romangna ist ein großer Teil der Bevölkerung gemütlich mit dem Fahrrad unterwegs. "Hier braucht man wirklich kein Auto. Fahrradfahren gehört bei uns zur Lebensart", sagt die Stadtführerin Stefania Malagutti.
Egal ob man direkt im historischen Zentrum oder den Wohngebieten außerhalb der Stadtmauer wohnt, in der Unesco-Weltkulturerbestadt rollt man ganz entspannt auf einem für italienische Verhältnisse sehr gut ausgebauten Radwegenetz. Im Stadtkern arrangieren sich die Radler auf ihren alten und neuen Hollandrädern und die Fußgänger überraschend friedlich in den engen Gassen. Fahrräder kann man vielerorts ausleihen, auch viele Hotels bieten Leihräder an. Damit geht eine Touristengruppe mit Stefania Malagutti auf Entdeckungstour.
Radweg im ehemaligen Wassergraben
Zum "Einradeln" nimmt die Italienerin ihre Gäste mit auf eine neun Kilometer lange Runde rund um die Kernstadt. Der Wassergraben der historischen Stadtmauer ist heute eine große Grünanlage. Entlang der dicken Backstein-Mauern, vorbei an mächtigen Bastionen und unter alten Bäumen, umrundet man Ferrara in einer guten Stunde und kann dabei schon einige Abstecher zu Sehenswürdigkeiten unternehmen.
Das historische Zentrum teilt sich in einen mittelalterlichen Bereich mit verwinkelten Gassen, Türmen, Kirchen und Baudenkmälern und einen Teil, der in der Renaissance entstand. Hier prägen zahlreiche prunkvolle Gebäude wie der "Palazzo dei Diamanti" mit einer Fassade aus reinstem Marmor das Straßenbild.
Stadtführerin Stefania Malagutti steuert mit ihren Gästen an einem schönen Frühsommertag das "Castello Estense" an. Es ist die einstige Trutzburg der mächtigen Este-Familie. Diese residierte ab 1146 in Ferrara und ließ die viertürmige Wasserburg mit Zugbrücken im 14. und 15. Jahrhundert erbauen. Bis heute ist der Wassergraben gefüllt.
In einem Teil der Burganlage ist ein Museum mit Prunksälen, Orangengarten und Verliesen untergebracht. Hier erfährt man alles über die Herrscherfamilie, die in Sachen Heiratspolitik und Verschwörungen anderen Geschlechtern Italiens in nichts nachstand. So schlossen die d‘Este strategische Verbindungen, unter anderem heiratete Alphonso d‘Este die berühmte Lucrezia Borgia, die uneheliche Tochter des mächtigen Papstes Alexander VI.
Ränkespiele um die Macht
Aber all die Ränkespiele halfen am Ende nichts, im 16. Jahrhundert musste die Herzogsfamilie nach Modena umziehen und die Päpste übernahmen die Stadt. Der mittelalterliche Teil der Stadt blieb aber auch unter den neuen Herren erhalten, etwa die Via delle Volte, eine enge Gasse, die bereits zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert entstanden ist und mit Brücken und Galerien überbaut ist.
Buntes Treiben mit Straßencafés und Verkaufsständen gibt es entlang der "Loggia dei Merciai" an der Längsseite der Kathedrale und an der Piazza Trento e Trieste. Hier hatten schon im Mittelalter Händler ihre Läden, heute finden sich hübsche kleine Läden und Boutiquen. Im Frühling und Sommer finden hier zahlreiche Festivals und Konzerte statt, im Winter ein stimmungsvoller Weihnachtsmarkt. Höhepunkt ist der Palio im Mai: Ähnlich wie in Siena treten hier Gruppen aus acht Stadtbezirken in historischen Kostümen und bei verschiedenen Wettbewerben, darunter ein Eselrennen, gegeneinander an.
Unbedingt probieren sollte man die lokalen Spezialitäten Ferraras, rät Stadtführerin Stefania. Die Stadt und die fruchtbare Po-Ebene der Emilia-Romagna sind für ihr gutes und vor allem gehaltvolles Essen bekannt. Auf der Piazza della Repubblica sitzt ihre Gästegruppe unter einer großen Kastanie und genießt handgemachte "Cappellacci di Zucca" mit Kürbis gefüllte Teigtaschen, Piadine und verschiedene Salami-Sorten. Anschließend geht es zur "Panificio e Pasticceria Perdonati", einer Bäckerei, die das das typische, x-förmige Brot, "Coppia Ferrarese" und "Pampapato", einen Gewürzkuchen mit kandierten Früchten, überzogen mit einer dicken Schicht Bitterschokolade verkauft.
Einkehrschwung in der Enoteca
Zum Ausklang macht sie mit ihrer Gruppe noch einen Einkehrschwung in die "Enoteca Al Brindisi", die schon 1435 zum ersten Mal schriftlich erwähnt wurde und regionale Weine anbietet. Laut der Stadtführerin war die Weinschänke damals schon berühmt und Künstler wie Tizian oder Torquato Tasso ließen sich einen guten Tropfen schmecken.
Mehr Informationen
https://www.ferraraterraeacqua.it, Anreise: Mit dem Auto ab Nürnberg etwa 700 Kilometer und acht Stunden Fahrt, mit der Bahn etwa neun Stunden Fahrt.Keine Kommentare
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