Durchs Po-Delta rollen

Auch das ist ein italienisches Paradies für Radler und Naturliebhaber: Comacchio und seine „Valli“

23.7.2024, 10:00 Uhr
Mit dem Fahrrad durchs Po-Delta: Unterwegs kann man schöne Städte, etwa Comacchio erkunden.

© Mangherini Matteo Mit dem Fahrrad durchs Po-Delta: Unterwegs kann man schöne Städte, etwa Comacchio erkunden.

In Sachen Romantik muss sich Comacchio nicht hinter seiner großen und berühmten Schwester Venedig verstecken: Kanäle, Brücken und Gebäude mit einer ordentlichen Patina prägen das fotogene Fischerstädtchen an der Adria. Allerdings gibt es hier kein Gedränge, die vielen Fischlokale bieten ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis und sogar Auto oder Wohnmobil lassen sich kostenlos in fußläufiger Entfernung abstellen. "So richtig überfüllt, ist es hier noch nicht mal in der Hauptsaison", sagt Pietro Cavalieri d‘Oro, Touristenführer in Comacchio und dem Regionalpark "Delta del Po".

Von der "Trepponti", einer Brücke, an der gleich drei Kanäle zusammentreffen, hat man einen tollen Ausblick auf die autofreie Altstadt. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts war die 22.000-Einwohner-Gemeinde eine reine Lagunen-Stadt, verteilt auf 13 Inseln. Dann legten die Bewohner die Gewässer Stück um Stück trocken, einmal um Land für Lebensmittelanbau zu gewinnen, aber auch um die damals noch grassierende Malaria auszumerzen, wie Fremdenführer Pietro berichtet.

Geblieben sind nur einige kleine "Valli", Brackwasserseen, in denen sich Süßwasser aus Nebenarmen des Flusses Po und Salzwasser aus der Adria mischen. In den flachen Gewässern fühlen sich Fische, Krebstiere und Muscheln wohl. Bis heute werden zum Beispiel Mies- und Venusmuscheln gezüchtet und Aale gefischt.

Reiche Fischgründe

Die reichen Fischgründe nutzen nicht nur die Menschen, auch große Wasservögel verteilen sich wie weiße und rosa Wattebäusche über den riesigen Binnensee: Reiher, Ibis-Vögel, Fischadler, Möwen und über 20.000 Flamingos finden hier ganzjährig ein großes Futterangebot. "Die Flamingos sind ursprünglich aus Südfrankreich zugeflogen. Sie kehren aber nicht mehr zurück. Wieso sollten sie, sie leben hier ja wie Gott in Frankreich", scherzt Pietro. Im Frühling und Herbst würden zudem zehntausende Zugvögel die Wasserlandschaft als eine Art "Autogrill", die italienische Version der Autobahnraststätte, nutzen. Unter anderem wegen ihres gefiederten Artenreichtums wurden die Lagunen sowie weitere Teile des Deltas im Jahr 2015 zum Biosphärenreservat erklärt.

Bei einer Bootsfahrt kann man Vögel beobachten und die Weite der "Valli di Comacchio" ganz in Ruhe genießen. Wer lieber selbst aktiv wird, steigt in den Fahrradsattel: Mehrere Radtourenvorschläge, für die es praktische Karten aus fester Pappe gibt, die man am Lenker befestigen kann, hat die örtliche Touristeninformation im Angebot.

Die große Runde um die Valli und entlang der Strände sowie ins Städtchen ist rund 50 Kilometer lang und durchaus tagesfüllend, wenn man unterwegs ein paar Pausen macht. Sonnenschutz und eine Trinkflasche sind wichtig, denn die gut ausgeschilderten Radwege führen entlang schattenloser Ufer oder über einen schmalen Damm im See.

Einzigartige Kunstsammlung

Wer nach so viel Natur oder nach einem langen Strandtag ein Kontrastprogramm sucht, findet in Lido die Spina eine kulturelle Überraschung: In einem futuristischen Gebäude von Nanda Vigo aus den 1970er-Jahren versteckt sich eine sehenswerte Kunstsammlung des Mailänder Malers und Bildhauers Remo Brindisi (1918-1996). Der erfolgreiche und geschäftstüchtige Künstler legte einen großen Teil seines Geldes in Werke von Zeitgenossen an oder tauschte mit ihnen.

Weil er diese auch ausstellen wollte, ihm ein Museumsbau in Mailand aber zu teuer war, investierte er in der Emilia-Romagna und machte das Gebäude gleichzeitig zu seiner Sommerresidenz. Rund 1000 Bilder und Objekte, darunter ganz frühe Werke Christos oder Andy Warhols, Plastiken von Hans Arp, Max Ernst, Oskar Kokoschka und Salvador Dalí, sowie Keramik-Gefäße von Pablo Picasso umfasst seine Sammlung. Ein großer Teil davon steht im beschaulichen Lido di Spina zwischen ebenfalls sehr künstlerisch gestalteten Arbeits- und Wohnräumen.

Mehr Informationen

https://www.ferraraterraeacqua.it Anreise: Von Nürnberg etwa 750 Kilometer und acht Stunden mit dem Auto. Mit dem Zug in rund neun Stunden nach Ferrara und weiter mit dem Bus mit etwa einer Stunde Fahrzeit plus Wartezeiten.

Keine Kommentare