Hochseilgarten der anderen Art

1165 Stufen und viel Abenteuer: Dieser Frankreich-Urlaub im Jura ist nichts für Angsthasen

Marlene Weyerer

Redaktion Leben

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31.7.2024, 09:16 Uhr
Ein Parcours auf halsbrecherischer Höhe.

© Nicolas Gasgard Ein Parcours auf halsbrecherischer Höhe.

Zu meiner Verteidigung: Es war nass, die Seile dementsprechend rutschig, außerdem war ich von den vielen Stufen sowieso schon ausgelaugt. Und - wenn ich ehrlich bin - das große Koordinations- oder Sporttalent war ich auch noch nie. Mit großer Geschwindigkeit hatte die Seilrutsche mich von einer Mauer zur nächsten gebracht. Dort hatte ich es aber nicht geschafft, mich festzuhalten - und war bis zur Mitte zurückkatapultiert worden. Da hing ich also wie ein nasser Waschlappen.

"Jetzt musst du dich zur nächsten Station ziehen", rief Nicolas Guitton. Es war keine Motivation oder Bitte, sondern eine Feststellung. Ich musste. Also packte ich das Stahlseil über meinem Kopf und zog mich Meter für Meter der nächsten Mauer entgegen. Vielleicht auch eher Zentimeter um Zentimeter. Immerhin bekam ich nach dem qualvollen Hangeln ein Lob: "Es kann nicht alles immer direkt klappen. Wichtig ist, dass man weitermacht", so Guitton.

Der Guide ist es gewohnt, dass nicht jeder seinen Hochseilgarten ohne Probleme meistert. Die Kletteraufgaben sind schließlich nicht einfach, eine gewisse Grund-Fitness ist beim Fort l’Ecluse Pflicht. Wobei man die eigentlich schon lange vor der ersten Kletterstation unter Beweis stellt.

Stufen in den Fels geschlagen

Das Militärfort, das erstmals im 13. Jahrhundert erbaut und dann immer wieder erweitert und vergrößert wurde, liegt direkt an der Rhône. Imposant thront es direkt an der Felswand über dem Fluss. Das untere Fort ist über 1165 Treppenstufen, die in den Fels geschlagen wurden, mit dem Oberen verbunden. Und 830 davon muss man mindestens hochsteigen, um den Hochseilgarten beginnen zu können.

Nicht immer funktioniert das rüberfahren aber ganz glatt... dann muss man sich zur nächsten Station ziehen. Alle Infos zum Fort unter: www.fortlecluse.fr

Nicht immer funktioniert das rüberfahren aber ganz glatt... dann muss man sich zur nächsten Station ziehen. Alle Infos zum Fort unter: www.fortlecluse.fr © Christina Horn

Jeder, der die Stufen gepackt hat und größer als 1,30 Meter ist, darf den normalen Teil des Hochseilgartens durchlaufen. Wer ein Seil ohne Hilfe hochklettern und die Decke berühren kann, darf noch zusätzlich den schweren Teil mitmachen. Guitton macht es vor und zieht sich ohne auch nur seine Beine zu benutzen das Seil hoch. Wir machen dann doch lieber den normalen Kletterpfad...

Das Fort wird bis heute für Militärübungen genutzt, Capitaine Guitton ist selbst bei den Gebirgsjägern. Er steigt - immer verfolgt von seinen zwei treuen Hündchen - die vermaledeiten Stufen jeden Tag etwa dreimal nach oben. Zusammengefasst: Für den schweren Part muss man sehr fit sein. Aber der "einfache" Teil ist mit eineinhalb Stunden Abenteuer genug. In schwindelerregender Höhe hievt man sich wackelnde Treppen hoch und tippelt dünne Vorwände entlang.

Wem das zu viel Aufregung ist, der kann den Ausblick genießen und die Ausstellung über die Geschichte des Forts und die 42 Fledermausarten, die das Gemäuer bevölkern, besuchen. Der Hochseilgarten ist ein toller Ort für abenteuerlustige Kinder, die groß genug dafür sind.

Auch außerhalb des Forts bietet das französische Juragebirge Gelegenheit für schöne Ausflüge. Und alles hat etwas Mystisches. Beim Wandern mit lokalem Führer erfährt man, dass die Tropfen in den Blättern der Wälder hier früher für alchimistische Experimente genutzt wurden.

Auch vor dem Essen machen die Märchen nicht halt. Neben dem bekannten Comté gibt es hier vor allem eine Käsespezialität: Bleu de Gex. Ein milder Blauschimmelkäse, der früher ausschließlich von Mönchen hergestellt wurde. Bis eines Tages ein Bruder sich in einem der Wälder der Region verirrte und nur dank einem Dorfbewohner herausfand. Der Mönch schenkte dem Retter voller Dankbarkeit das Bleu-de-Gex-Rezept.

Zwischen Geschichte und Zukunft

Der französische Jura ist voll von Geschichte, nicht zuletzt liegt hier auch das Schloss, in dem Voltaire seine letzten 20 Jahre verbrachte. Wer lieber einen Blick in die Zukunft wagen will, sollte kurz über die Grenze fahren.

In der Schweiz ist die Europäische Organisation für Kernforschung beheimatet. Das Cern zeigt in einer kostenlosen Ausstellung, woran hier geforscht wird. Mit vielen interaktiven Spielen ist auch das für Kinder ab einem gewissen Alter ein schöner Abenteuerspaß. Von Genf aus kann man dann direkt wieder nach Hause. Und mit dem Flugzeug ganz ohne Stufen die Höhe erklimmen.

Mehr Informationen: www.montagnes-du-jura.fr, alle Infos zum Fort unter: www.fortlecluse.fr Anreise: Direktflüge gibt es von München und Frankfurt nach Genf Beste Reisezeit: Zu allen Jahreszeiten besuchbar. Im Winter eine beliebte Gegend für Wintersport.

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