Betrieben mit Öko-Kerosin
Überschall-Flieger Overture: Kommt so die Concorde zurück?
19.8.2022, 20:40 UhrSie wurde als „schönster Vogel der Welt“ gepriesen: Schlank war die Concorde, ihre Flügel von deltaförmigem Zuschnitt, der spitze Schnabel hydraulisch absenkbar. Der Überschallflug über den Atlantik galt als Prestigeunternehmung, die sich die Passagiere viel Geld kosten ließen. Zwischen 4500 und 11.000 Euro berechneten Air France und British Airways für das Rückflugticket von Paris oder London nach New York, an Bord wurden Kaviar, Hummer und Champagner gereicht. Viel Prominenz buchte sich auf der Concorde ein, Michael Jackson beispielsweise, Karl Lagerfeld und Claudia Schiffer, Mick Jagger ebenso wie Elton John, und während eines denkwürdigen Christmas-Fluges griff Paul McCartney zur Gitarre, um mit den Geschäftsleuten an Bord Beatles-Songs anzustimmen. Nur dank der Concorde gelang Phil Collins im Jahr 1985 das Kunststück, zwei Live-Aid-Konzerte an einem Tag zu spielen, eines in London und eines in Philadelphia. Mit Mach 2,2 konnte der Jet durch die Luft pfeilen, das entspricht bis zu 2700 km/h und ermöglichte es, die Strecke London – New York in weniger als vier Stunden zurückzulegen.
Concorde: Von Anfang an umstritten
Doch seit sie im Januar 1976 zu ihrem ersten kommerziellen Flug über den großen Teich abgehoben hat, ist die Concorde auch nie unumstritten gewesen. Das Fliegen im Überschallrausch war mit ohrenbetäubendem und für die Bevölkerung am Boden unzumutbarem Lärm verbunden, deshalb wurden die Nachbrenner zumeist erst über dem offenen Meer eingeschaltet, auch, um über Land den Überschallknall zu vermeiden. Zudem entwickelte das Flugzeug einen enormen Durst, pro Stunde verlangte es nach rund 25.000 Litern Kerosin. Zum Vergleich: Eine Boeing 747-400 (Jumbo Jet) verbraucht „nur“ etwa 12.500 Liter.
Katastrophe in Paris
Der Anfang vom Ende kam am 25. Juli 2000, als der Air-France-Flug 4590 beim Start in Paris-Charles de Gaulle Feuer fing und abstürzte. 133 Personen verloren bei der Katastrophe ihr Leben. Fortan galt die Concorde nicht nur als unwirtschaftlich, sondern auch als unsicher. Und so absolvierte die einstige Königin der Lüfte im November 2003 ihren letzten Flug.
Vermisst hat sie seither kaum jemand, schon gar nicht in Zeiten von Klimakrise und steigendem Umweltbewusstsein. Und doch könnte die Concorde noch in diesem Jahrzehnt eine Nachfolgerin bekommen. Das US-amerikanische Start-up Boom Supersonic bastelt an einem eleganten Überschall-Jet namens „Overture“, ausgestattet mit vier Motoren und dazu befähigt, 65 bis 80 Passagiere mit Mach 1.7 zu befördern, was etwa 2100 km/h gleichkommt und nicht ganz so rasant wie die Concorde ist, aber immer noch mehr als doppelt so schnell wie ein normales Passagierflugzeug. Die Reise von London nach New York wäre demnach wieder in weniger als vier Stunden möglich, von Miami nach London würde es keine fünf Stunden dauern.
Ausdrücklich ist die Rede davon, dass die Topspeed „über Wasser“ vorgelegt werde, Stichwort Lärmbelästigung. Abgesehen davon zeigt sich Boom-Chef Blake Scholl davon überzeugt, dass der Überschallknall durch technische Innovationen unterbunden werden kann. Zudem soll die Overture beim Startvorgang vom „weltweit ersten automatisierten Lärmminderungssystem“ profitieren können, unter anderem, so heißt es, werde der Airliner – anders als die Concorde – ohne Nachbrenner fliegen. Und den Problemen des Kerosinverbrauchs und des CO2-Ausstoßes will man mithilfe ausgefeilter Aerodynamik, leichter Kohlefaserkomponenten sowie der Betankung mit synthetischen Kraftstoffen beikommen, sogenannten „Sustainable Aviation Fuels“ (SAF).
Während die Concorde nur eine Reichweite von 7250 Kilometern schaffte, soll es die Overture auf knapp 7900 bringen. Boom-CEO Scholl hat große Pläne und findet nicht minder große Worte: Mit weltweit über 600 Routen werde der neue Flieger die Welt für Millionen Passagiere in geradezu dramatischem Ausmaß zugänglicher machen, und er werde den Blickwinkel auf Distanzen fundamental verändern.
Vorbestellt von drei Airlines
Zumindest drei Airlines haben sich der optimistischen Sichtweise angeschlossen. Zwischen Boom und Japan Airlines besteht seit 2017 eine strategische Partnerschaft, unter anderem hat JAL eine Option auf 20 Overture-Exemplare vereinbart. United Airlines will 15 der Airliner erwerben, sofern sie den UA-Anforderungen hinsichtlich Sicherheit und Nachhaltigkeit Genüge leisten, auf 35 weitere Exemplare besteht eine Option. Und aktuell hat American Airlines die Bestellung von 20 Overture-Maschinen bekanntgegeben, mit einer Option auf weitere 40.
Keine solchen Ambitionen sind von europäischen Airlines wie etwa der Lufthansa bekannt. Denn noch bleiben Fragezeichen. So ist synthetisches Kerosin bislang nur in kleinem Maßstab verfügbar und zudem sehr teuer. Zudem kann Boom derzeit noch keinen Zulieferer für die Triebwerke benennen, ob Gespräche mit Rolls Royce Früchte tragen, wird sich erst weisen müssen. Vor allem aber hat die Overture noch keinen einzigen Flug absolviert. Erst 2025 soll ein Prototyp abheben, die Premiere eines Passagierflugs ist für 2029 geplant.
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