EU plant Einfuhrzölle

Strafzölle auf China-Autos: Das trifft auch Schein-Europäer

15.6.2024, 16:09 Uhr
Auf dem Weg nach Europa: Modelle der jungen China-Marke XPeng vor der Verschiffung.

© ampnet/Xpeng Auf dem Weg nach Europa: Modelle der jungen China-Marke XPeng vor der Verschiffung.

Die USA haben es bereits getan, jetzt zieht Europa nach. Schon ab dem 4. Juli 2024 will die EU-Kommission Sonderzölle gegen batterieelektrische Autos aus China verhängen. Damit sollen die hiesigen Hersteller geschützt werden. Der Vorwurf in Richtung China: Dank hoher Subventionen würden die Modelle aus dem Reich der Mitte unfair verbilligt in den europäischen Markt gedrückt, was einer wirtschaftlichen Schädigung der Hersteller aus der EU gleichkomme. Nach Ansicht der Kommission kommen chinesische Stromer durchschnittlich 20 Prozent günstiger als die auf europäischem Boden produzierten Mitbewerber.

Höchstsatz für den chinesischen VW-Partner

So hoch wie in den USA, wo Strafzölle von 100 Prozent erhoben werden, fällt die EU-Abgabe zwar nicht aus. Happig ist sie dennoch. Zusätzlich zu den bereits geltenden zehn Prozent werden noch einmal bis zu 38,1 Prozent kassiert. Wie viel es tatsächlich ist, hängt von der Höhe der erhaltenen Subventionen ab und davon, mit welcher Bereitschaft der jeweilige Hersteller bei der Antisubventionsuntersuchung der EU-Kommission kooperiert hat. Nach derzeitigem Stand müsste BYD 17,4 Prozent und Geely 20 Prozent zahlen. Auf Aiways, Geely, Nio, XPeng oder Great Wall Motor (GWM) kämen 21 Prozent zu, Volkswagens chinesischer Kooperationspartner SAIC hätte mit dem Höchstsatz von 38,1 Prozent zu rechnen. Davon wäre auch MG betroffen, die in Deutschland mit großem Abstand erfolgreichste chinesische Marke, denn sie gehört wie Maxus zu SAIC.

Zahlt letztlich der Verbraucher?

Dass China unwirsch auf die geplanten Sonderzölle reagiert, nimmt nicht wunder. Außenamtssprecher Lin Jian sprach von Protektionismus und deutete Gegenmaßnahmen an, mit denen China seine Interessen schützen werde. Doch auch von europäischer Seite regt sich Kritik. Ausgerechnet diejenigen, die eigentlich verteidigt werden sollen, schlagen mehr oder weniger die Hände über dem Kopf zusammen. "Ausgleichszölle für aus China importierte E-Pkw sind nicht geeignet, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu stärken", sagte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), die den Schritt außerdem als einen "weiteren Schritt weg von globaler Zusammenarbeit" bezeichnete und nun einen globalen Handelskonflikt befürchtet.

Stefan Heimlich, Vorsitzender des Auto Clubs Europa (ACE), prognostiziert, dass letztlich Verbraucherinnen und Verbraucher die Strafzölle bezahlen müssten, denn die geplanten Abgaben würden die Preise für E-Autos künstlich in die Höhe treiben. Und Thomas Peckruhn, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK), bezeichnete die Maßnahme als einen "Schlag ins Kontor für diejenigen Automobilhändler, die sich zur Aufnahme einer chinesischen Marke entschieden und dafür Investitionen getätigt haben".

Frankreich mit eigenen Interessen

Vor allem die deutschen Autobauer haben allen Grund, einem Handelskrieg sorgenvoll entgegenzusehen. China gilt als der größte Automobilmarkt der Welt und ist für so gut wie alle hiesigen Hersteller die wichtigste Verkaufsadresse. Würde man dort seinerseits hohe Zölle auf importierte Autos von Audi, BMW oder Mercedes erheben, wäre das für die betroffenen Marken ein erhebliches Problem. Die EU-Zölle würden "europäischen Unternehmen und europäischen Interessen schaden", sagte denn auch BMW-Chef Oliver Zipse. Ähnlich äußerte sich Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender von Mercedes, der erklärte, dass "wir keine weiteren Handelsbarrieren brauchen". Gemunkelt wird in der Branche, dass die Schutzzölle vor allem auf eine französische Initiative zurückgehen. Anders als es bei den deutschen Automobilherstellern der Fall ist, liegen die Geschäftsinteressen von Peugeot, Citroën oder Renault kaum in China, dafür aber sehr stark in Europa.

Von wegen europäisch

Für viele Marken ergibt sich aber noch ein weiteres Problem. Denn einige vermeintlich deutsche oder europäische Autos werden gar nicht auf hiesigem Boden produziert, sondern laufen in China vom Band. Gelangen sie von dort in die EU, würden auch sie mit Einfuhrzöllen belegt. Mit 21 Prozent träfe das beispielsweise den in Shenyang hergestellten BMW iX3 treffen. Aber auch die zum Geely-Konzern gehörende Marke Volvo lässt zumindest teilweise in China produzieren, das neue, kleine Elektro-SUV EX30 etwa kommt aus Zhangjiakou, erst 2025 soll im belgischen Gent die Parallel-Fertigung anlaufen. Zu den weiteren Geely-Kindern zählen Lotus und Smart, entsprechend haben das Hyper-SUV "Eletre" sowie die Smart-Modelle #1 und #3 einen chinesischen Migrationshintergrund.

Elektrischer BMW iX3: Bayer aus chinesischer Produktion.

Elektrischer BMW iX3: Bayer aus chinesischer Produktion. © BMW

Cupra wiederum pflegt werbeträchtig seine barcelonesische Identität, das Flaggschiff Tavascan entsteht aber in Anhui. Das günstigste hierzulande angebotene Elektroauto, der kleine Dacia Spring, erblickt in Wuhan das Licht der Welt. Und der elektrische Mini soll ab 2026 zwar auch am britischen Standort Oxford gebaut werden, derzeit erfolgt die Fertigung aber ausschließlich im Rahmen eines Joint Ventures mit Great Wall Motor in China. Selbst Tesla bekäme es mit Strafzöllen zu tun, denn die Model-3-Exemplare für den europäischen Markt sind chinesischer Herkunft.

Der Tavascan ist das neue Flaggschiff von Seats sportlicher Schwester Cupra. Vom Band läuft der vorgebliche Spanier im chinesischen Anhui.

Der Tavascan ist das neue Flaggschiff von Seats sportlicher Schwester Cupra. Vom Band läuft der vorgebliche Spanier im chinesischen Anhui. © Cupra

Und nun? "Wir werden die Entwicklung in Ruhe beobachten und gegebenenfalls reagieren", sagte Cupras globale Kommunikationsdirektorin Cécilia Taieb schon bei der Vorstellung des Tavascan im Mai. MG-Sprecher Marc Hecht demonstriert ebenfalls abwartende Ruhe, man werde sehen, sagt auch er gelassen.

China-Autos aus Europa?

Tatsächlich ist das letzte Wort über die Strafzölle noch nicht gesprochen. Erst will die EU-Kommission mit Peking verhandeln, und selbst wenn die Gespräche scheitern, müssten sich noch die EU-Mitgliedsstaaten auf die Umsetzung der Maßnahme hin einigen. Außerdem arbeiten die Chinesen bereits an einem eleganten Ausweg aus der Zoll-Misere. Der heißt "Produktion in Europa". BYD beispielsweise will innerhalb von drei Jahren eine Elektroauto-Fabrik im ungarischen Szeged in Betrieb nehmen, und auch MG sehe sich in Europa um, wie Marc Hecht sagt. Das geschehe aber nicht nur, um Schutzzölle zu umgehen, sondern auch, weil es angesichts der wachsenden Verkaufsvolumina auf dem Kontinent einfach Sinn mache.

Noch werden die Modelle von MG aus China importiert. Die Marke denkt aber über eine Produktionsstätte in Europa nach.

Noch werden die Modelle von MG aus China importiert. Die Marke denkt aber über eine Produktionsstätte in Europa nach. © Zhang Yuanyuan/ampnet/MG Motor

Derzeit kann im Übrigen noch keine Rede davon sein, dass Europa von chinesischen Autos geflutet wird. Tatsächlich erfolgreich agiert nur MG. 2023 konnte die Marke in Deutschland über 21.00 Autos verkaufen, das entspricht einem Marktanteil von 0,7 Prozent und ist mehr als nur ein Achtungserfolg. Anders als die chinesischen Mitbewerber setzt MG auf bezahlbare, aber solide gemachte Haushaltskost, das kommt an beim Kunden.

Noch keine China-Schwemme

Die auf Vollelektrisches fokussierte Konkurrenz hingegen geht das Thema vielfach mit einer Top-Down-Strategie an – schickt also zunächst hochpreisige Stromer zu uns, mit denen sich (so die Absicht) viel Geld verdienen lässt, die sich aber in der nun erlebten Wirklichkeit eher schlecht verkaufen. BYD etwa, mit viel Elan und Invest gestartet, verzeichnete 2023 nur rund 4140 Neuzulassungen, bei Polestar waren es knapp 6300. Lynk & Co stürzte im vergangenen Jahr sogar um rund 65 Prozent ab und brachte es auf lediglich knapp 2300 Einheiten, Nio mit seinem Batteriewechsel-System musste enttäuschende 1260 Verkäufe hinnehmen. Auch weil die Massenware eines chinesischen Billig-Elektroautos bislang nichts weiter als ein Mythos ist, lässt die gefürchtete China-Schwemme auf sich warten.

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