VW Tiguan III im ersten Test

Der VW Tiguan kommt neu - wir haben ihn schon gefahren

Ulla Ellmer

E-Mail zur Autorenseite

24.2.2024, 11:25 Uhr
VW Tiguan: In dritter Generation sanft gerundet, aber immer mit hohem Wiederkennungswert.

© Hersteller VW Tiguan: In dritter Generation sanft gerundet, aber immer mit hohem Wiederkennungswert.

VW hat sich schon früh der Elektromobilität verschrieben. Doch während die Stromer aus der neuen ID-Familie schwächeln, ist es ausgerechnet ein konventionell angetriebenes Mittelklasse-SUV, das den Wolfsburgern volle Auftragsbücher beschert: Der Tiguan ist nicht nur für die Marke VW das weltweit meistverkaufte Modell, sondern auch für den Volkswagen-Konzern überhaupt.

Ein solcher Vermögenswert will sorgsam gepflegt sein – zumindest bis auf Weiteres. Deshalb fährt jetzt eine komplett neu entwickelte, dritte Tiguan-Generation vor, die vieles besser macht als der schon so beliebte Vorgänger.

 Neues Designmerkmal: Eine durchgehende Querspange verbindet die LED-Heckleuchten.

 Neues Designmerkmal: Eine durchgehende Querspange verbindet die LED-Heckleuchten. © Hersteller

An die vertraut unaufgeregte Optik seines Bestsellers hat VW nur vorsichtig Hand angelegt, von Experimenten ließ man lieber den Zeichenstift, ganz so, wie es Brauch in Wolfsburg ist. Das bisher Kantige am Tiguan hat sich zwar zu einer maßvollen Rundlichkeit weiterentwickelt, doch der Wiedererkennungswert bleibt hoch und verspricht klassische Zeitlosigkeit. Auch die Länge ist nur sacht gewachsen, sie legt um drei Zentimeter auf 4,54 Meter zu. Höhe und Breite hingegen bleiben unverändert - einen Ruf als grober SUV-Klotz soll sich der Tiguan III nicht erwerben. Nach wie vor ist er ein Kompakt-SUV, dessen Luftwiderstandsbeiwert sich im Vorgängervergleich übrigens deutlich von 0,33 auf 0,28 verbessert hat.

Verschiebbare Rückbank

Der guten Raumökonomie tut das buchstäbliche Maßhalten keinen Abbruch. Im Gegenteil: Das Gepäckraumvolumen steigt sogar, konkret erweitert es sich von 652 auf 1650 Liter, die Plug-in-Hybride packen etwas weniger weg. Praktischerweise lässt sich die Rückbank längs verschieben. Und die vier bis fünf Tiguan Passagiere reisen sehr kommod.

Der Innenraum vermittelt Premium-Ambiente. Im Mittelpunkt steht der ausstattungsabhängig 12,9 oder 15 Zoll große Touchscreen.

Der Innenraum vermittelt Premium-Ambiente. Im Mittelpunkt steht der ausstattungsabhängig 12,9 oder 15 Zoll große Touchscreen. © Hersteller

Viel berechtigte Kritik hat sich VW für die Cockpit-Konzepte von Golf 8 oder der ID-Familie eingehandelt. Der Tiguan gibt darauf eine deutlich benutzerfreundlichere Antwort. Auf ruhige Art modern ist er eingerichtet, die fummeligen Touchflächen am Lenkrad sind echten Tastern gewichen, die "Slider" für Temperatur und Lautstärke lassen sich feinfühliger handhaben und bekommen endlich eine Beleuchtung. Neu ist, dass der Wählhebel für die Fahrstufen an die Lenksäule wandert, die ID-Familie lässt grüßen. Vorteil dieser Lösung: Sie schafft zwischen den Vordersitzen mehr Platz für Ablagen.

ChatGPT fährt mit

Zentrales Element am Armaturenträger ist der große Touchscreen, den am oberen und unteren Rand zwei Bedienleisten einrahmen. Über die eine lassen sich bequem und direkt die Klimafunktionen ansteuern, die andere ist frei mit anderen "Shortcuts" belegbar. Ein weiteres Novum zieht in Gestalt des runden "Fahrerlebnisschalters" ein, der gleichermaßen für die Laut-Leise-Regelung, die Fahrmodi sowie für das Licht- und Soundambiente mitsamt der passenden Spotify-Playlist da ist. Und der Sprachassistent IDA bedient sich der Unterstützung des beredten und auskunftsfreudigen KI-Programms ChatGPT, das auch als Update verfügbar sein wird.

Die Antriebsvielfalt ist groß, es fehlt praktisch an nichts, Benziner und Diesel zählen ebenso zum Angebot wie Hybride mit und ohne Ladekabel. Das Leistungsspektrum reicht von 130 bis 272 PS, neben Front- halten sich auch Allradmodelle bereit, immer serienmäßig ist ein Doppelkupplungsgetriebe.

Die Basis stellen zwei neue 48-Volt-Mildhybrid-Benziner (eTSI) mit 96 kW/130 PS und 110 kW/150 PS. Sie kombinieren einen 1,5-l-Vierzylinder mit einem kleinen Elektromotor (Riemenstartergenerator), der den Antrieb mit 14 kW/19 PS unterstützt. Das sorgt für temperamentvollere Tatkraft beim Beschleunigen und verbessert den Verbrauch. Ebenfalls im Sinne der Sparsamkeit erfolgt das "Segeln" oder "freie Rollen", bei dem sich der Verbrenner abschaltet. Als Durchschnittsverbrauch werden für den Tiguan eTSI 6,1 bzw. 6,4 bis 6,2 l/100 km genannt.

Eine Leistungsstufe weiter oben warten zwei (noch nicht konfigurierbare) 2,0-TSI-Benziner, die 150 kW/204 PS beziehungsweise 195 kW/265 PS leisten und serienmäßig Allradantrieb (4Motion) mitbringen. Die Diesel-Kundschaft wiederum wird mit zwei 2,0-TDI-Selbstzündern der Leistungsstufen 110 kW/150 PS und 142 kW/193 PS bedient, die stärkere der beiden Varianten nutzt ebenfalls serienmäßig das 4Motion-Allradsystem und ist gleichzeitig das zugkräftigste Modell im Portfolio, bis zu 2300 kg kann es in Schlepp nehmen.

Plug-in-Hybride mit 100 Kilometer E-Reichweite

Den größten Fortschritt verbuchen aber die Plug-in-Hybride (PHEV), für die sich VW viel Zuspruch erhofft, beispielsweise aus dem Lager der gewerblichen Kunden, denen so ein Teilzeitstromer noch immer eine vergünstigte Dienstwagenbesteuerung (0,5 statt ein Prozent) beschert. Die Systemleistung des kleineren eHybrid beträgt 150 kW/204 PS, die des größeren 200 kW/272 PS. Den Verbrenner-Part übernimmt der Turbobenziner 1,5 TSI, dessen Brennverfahren dem effizienten Miller-Cycle-Prinzip folgt.

Das Wichtigste aber: Eine große Antriebsbatterie mit 19,7 kWh ermöglicht elektrische Reichweiten von rund 100 Kilometern. "Im Alltag lässt sich so ein eHybrid wie ein reines Elektroauto fahren", sagt Tiguan-Projektmanager Benjamin Petsch.

Laden an der Turbosäule

An AC-Ladepunkten wie einer Wallbox "tanken" die Plug-in-Hybride mit bis zu 11 kW, einmal Vollladen soll rund 2:45 Stunden in Anspruch nehmen. Beherrscht wird aber auch die Disziplin des DC-Schnellladens, und das können längst nicht alle PHEVs von sich behaupten. Am Turbocharger, so heißt es, sei der Tiguan-Akku binnen 23 Minuten von 10 auf 80 Prozent Ladestand zu bringen.

Kaum gewachsen: Das Längen-Plus beträgt gegenüber dem Vorgänger nur drei Zentimeter, damit bleibt der Tiguan ein Kompakt-SUV.

Kaum gewachsen: Das Längen-Plus beträgt gegenüber dem Vorgänger nur drei Zentimeter, damit bleibt der Tiguan ein Kompakt-SUV. © Hersteller

Fahrtechnisch fokussiert sich der Tiguan III auf Komfort und damit auf das, was für die meisten SUV-Käufer das wohl wichtigste Anliegen ist. Auch nach einer längeren Fahrt wird man dem Wolfsburger Wagen entspannt entsteigen. Selbst gröbere Holperstellen meistert der Tiguan feinnervig und ohne seine Passagiere durchzurütteln. In besonderem Maße gilt das für das neue, allerdings aufpreispflichtige Adaptivfahrwerk namens "DCC Pro", das fiese Fahrbahnunebenheiten gefühlt mit extra-gelassenem Schulterzucken übergeht. Wer es lieber straff mag, kann aber auch auf ein betont sportliches Set-up wechseln, insgesamt gibt es 15 Verstellmöglichkeiten.

Ferngesteuertes Parken

Nicht unerwähnt soll bleiben, was sich in der stattlichen Abteilung der Assistenzsysteme getan hat. Neu hinzu stößt beispielsweise ein System, das ferngesteuertes Ein- beziehungsweise Ausparken ermöglicht, hier hilft eine Smartphone-App. Außerdem können bestimmte, häufig absolvierte Parkmanöver abgespeichert und immer wieder abgerufen werden. Und die Fahrbahn leuchtet der Tiguan nun mit dem Top-Matrix-Lichtsystem des Hauses aus, das mit insgesamt 38.400 Multipixel-LEDs arbeitet.

Kommt bald ein e-Tiguan?

Der Einstieg beim neuen Tiguan erfolgt ab 96 kW/130 PS und 36.600 Euro. Nach aktuellem Stand dürfte die dritte Generation die letzte mit Verbrennern sein, 2030 werden die konventionellen Antriebe vermutlich ausgemustert. Zumindest für den Namen Tiguan muss das aber nicht das Ende bedeuten: VW soll schon grünes Licht für ein Elektro-SUV gegeben haben, das 2026 möglicherweise als E-Tiguan auf den Markt kommt.

VW Tiguan III in Kürze:

Wann er kommt: Ist bereits bestellbar

Wen er ins Visier nimmt: BMW X1, Audi Q3, Mercedes GLA, Kia Sportage, Hyundai Tucson

Was ihn antreibt: 1,5-l-48-Volt-Mildhybrid-Benziner (eTSI) mit 96 kW/130 PS und 110 kW/150 PS, 2,0-TSI-Benziner mit 150 kW/204 PS und 195 kW/265 PS, 2,0-TDI-Diesel mit 110 kW/150 PS und 142 kW/193 PS, Plug-in-Hybride mit 150 kW/204 PS und 200 kW/272 PS Systemleistung

Was er kostet: Ab 36.600 Euro (130-PS-Mildhyrid). 150-PS-Diesel ab 41.025 Euro, eHybrid ab 48.655 Euro.

Keine Kommentare