Künstliche Intelligenz im Auto
Dank KI: Das Auto soll bald alles wissen - und Gefühle zeigen
14.1.2024, 12:15 UhrEs war eine geradezu rasend schnelle Entwicklung. Künstliche Intelligenz – KI – wurde noch vor gar nicht langer Zeit als eher abstrakter Begriff wahrgenommen. Dann ging vor einem guten Jahr der Chatbot ChatGPT von OpenAI an den Start. Und plötzlich redet man allerorten nicht nur mit, sondern mindestens ebenso umfassend über die scheinbar allwissende KI.
Rollende Computer mit Superhirn
Beherrschendes Thema ist sie auch auf der Consumer Electronics Show gewesen, die in der vergangenen Woche in Las Vegas stattgefunden hat. Das nimmt nicht wunder, schließlich handelt es sich bei der CES um die weltweit größte Elektronik-Messe. Inzwischen sind dort aber auch die Automobilhersteller präsent, deren Produkte längst als rollende Computer gelten – zunehmend mit KI als neuem Superhirn.
Eigentlich hat sich das schon seit Längerem angebahnt. Doch bislang wirkte die KI eher im Hintergrund - beispielsweise, indem sie die Fahrzeugentwicklung und -produktion sowie die Assistenzsysteme unterstützt hat. Jetzt aber macht sich die Künstliche Intelligenz verstärkt bei den Auto-Insassen bemerkbar. Nichts weniger als ein geradezu vermenschlichter Partner soll das Fahrzeug werden. Das gelingt mithilfe sogenannter Sprachbots, deren Fähigkeiten "weit über die bisherige Sprachsteuerung hinausgehen", wie es bei VW heißt. Auf Bemerkungen wie "mir ist kalt" kann die KI schon jetzt mit einem Heraufdrehen der Temperatur reagieren, die Frage nach einem italienischen Restaurant beantwortet sie mit dem Hinweis auf die nächstgelegene Pizzeria. Doch dabei wird es nicht bleiben.
Reden wie mit einem Freund
Auf Basis sogenannter Large Language Modelle (LLM) entwickelt sich die Kommunikation Mensch-Maschine weiter – von einer Einbahnstraße mit Kommandos hin zu natürlichen, fließenden Dialogen. "Das wirkt wie ein Gespräch mit einer Freundin oder einem Freund", verspricht Mercedes. Software-Chef Magnus Östberg ist davon überzeugt, dass die virtuellen Beifahrer "mehr Vertrauen und Empathie in die Beziehung zwischen Fahrzeug und Fahrendem bringen".
Die beständig lernfähige KI im Auto kann ihre Stimme von emotional-persönlich bis hin zu sachlich modulieren, sie vermag intelligente Rückfragen zu stellen und die Fahrzeuginsassen auf Anfrage mit einem umfassenden Allgemeinwissen zu versorgen. Dabei kann es sich um detaillierte Reiseinformationen zu dem gerade befahrenen Gebiet handeln, um einen Nachrichtenüberblick oder um die Verkehrsregeln vor Ort. DS hat als erste Marke des Stellantis-Konzerns (Opel, Peugeot, Fiat etc.) ChatGPT ins Auto geholt und schwärmt davon, dass die KI auf Nachfrage den besten Wein zu Melone mit Schinken empfiehlt, für die Kinder auf dem Rücksitz eine Geschichte mit Drachen, Prinzessinnen, Hexen und einem kleinen Mädchen namens Selina erfindet oder den Eltern Spiele vorschlägt, die sie während der Fahrt mit den Sprösslingen spielen können.
Mercedes wird seine „bislang menschenähnlichste Schnittstelle“ im nächsten Jahr einführen, dies mit der neuen MMA-Plattform, die zunächst der neue CLA nutzt. Hinter dem sogenannten „MBUX Virtual Assistant“, dessen Sprachsteuerung mit einer ähnlichen Technik wie ChatGPT arbeitet, steht das hauseigene, neu entwickelte Betriebssystem MB.OS. Ein gleichsam lebendiger Stern-Avatar soll unterschiedliche Stimmungen und Gemütszustände von ruhig über aufgeregt bis hin zu sensibel ausdrücken; weitere Animationen setzen es optisch um, wenn der virtuelle Assistent gerade nachdenkt, zuhört oder warnen muss. Von einem „hyperpersonalisierten Kundenerlebnis“ spricht Östberg; zu den vielfältigen Fähigkeiten des Systems gehört es etwa, sich automatisch in einen Termin einzuwählen, wenn der Fahrer absehbar zu spät kommt, denn natürlich kennt die KI dessen Kalender genau.
VW verpflichtet ChatGPT
Auch Hyundai will mit KI-Hilfe ein „Mobilitäts-Ökosystem entwickeln, das die Bedürfnisse der Nutzer jederzeit und überall erfüllt“ und das Auto zum permanent hinzulernenden Kompagnon macht. Auf breiter Ebene massenkompatibel soll die KI im Fahrzeug aber durch VW werden. „Volkswagen demokratisiert seit jeher Technologie und macht sie vielen zugänglich“, betreibt Entwicklungschef Kai Grünitz Eigenlob für sein Unternehmen. Auf der CES haben die Wolfsburger erste Fahrzeuge vorgestellt, bei denen ChatGPT in den markentypischen Sprachassistenten IDA integriert ist. Im zweiten Quartal 2024 sollen die elektrischen Baureihen ID.3, ID.4, ID.5 und ID.7 entsprechend ausgestattet angeboten werden, ebenso wie Tiguan, Passat und der kommende neue Golf.
Desgleichen will die Konzernmarke Skoda seine Sprachassistentin Laura um ChatGPT erweitern, voraussichtlich ab Jahresmitte und in bestimmten Versionen des elektrischen Enyaq sowie in Superb, Kodiaq und Octavia.
Aber es regt sich auch Kritik. Sprachbots fallen nicht vom Himmel, sondern werden von Unternehmen entwickelt, die ihre ganz eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen und entsprechend Einfluss auf die vermittelten Inhalte nehmen können. Und wenn Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer sagt, dass „der Mercedes-Benz von morgen seine Fahrerin und seinen Fahrer kennen wird wie nie zuvor“, dann hat das auch eine etwas beunruhigende Dimension. Beim Zulieferer Continental beispielsweise ist davon die Rede, dass der Innenraum des Fahrzeugs künftig „empathiefähig sein und die Gefühle und die Wahrnehmung seiner Nutzer kennen muss“. Dazu würden – Stichwort Aufmerksamkeitsüberwachung - auch neuartige medizinische Sensoren eingesetzt, die „Herzschlag, Blutzucker und Blutdruck“ erfassen.
Bleiben die Daten im Auto?
Doch was passiert eigentlich mit den eingesammelten Daten? VW versichert, dass sie im Auto bleiben. Weitergeleitet an die KI würden Anfragen nur, wenn das VW-System sie nicht beantworten kann, und das immer anonymisiert. „ChatGPT erhält dabei keinerlei Zugriff auf die Fahrzeugdaten, Fragen und Antworten werden im Sinne eines bestmöglichen Datenschutzes umgehend gelöscht“, versichert man.
Doch auch ChatGPT selbst könnte ein Problem bekommen. Die „New York Times“ hat aus urheberrechtlichen Gründen Klage gegen die Entwicklerfirma OpenAI und Microsoft eingereicht, weil sich der Chatbot aus dem Artikelfundus des Blattes bediene, ohne dass dafür eine Genehmigung vorliege und eine Vergütung erfolge. Wie es künftig um die Allwissenheit (auch) des Autos bestellt ist, dürfte also noch spannend werden.
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