Gefährliche Fehleinschätzung
Kann das wirklich jeder? Auch E-Mountainbiken will gelernt sein
29.9.2024, 10:00 UhrIn den Bergen wird die Idylle immer mal wieder von leisen, surrenden Geräuschen unterbrochen. Dann fährt im nächsten Moment sehr wahrscheinlich ein Mountainbike an einem vorbei – und das dank E-Motor oft erstaunlich leichtfüßig.
E-Mountainbikes liegen im Trend und machen steilere Strecken in den Alpen oder Mittelgebirgen für immer mehr radbegeisterte Urlauber zugänglich: "Durch die Unterstützung beim Treten ist auch für weniger trainierte oder ältere Menschen plötzlich vieles möglich, was vorher außer Reichweite schien", beobachtet Katharina Gstrein, die in der Tiroler Mountainbike-Hochburg Sölden als Bikeguide arbeitet: "Viele kommen hier als Wanderer und gehen als Biker heim", erzählt sie.
Problem der Selbstüberschätzung
Was sie aber auch bemerkt, ist eine gewisse Selbstüberschätzung. Denn der Umgang mit den motorisierten Gefährten will gelernt sein. Hochkommen, so Gstrein, sei vergleichsweise leicht. "Doch man sieht immer wieder Menschen, die dann auf der Hütte am Berg stehen und sich fragen: Wie komme ich nun wieder runter?" Fehlt es an Fahrtechnik und kommt womöglich noch Angst dazu, wird das zur Herausforderung. Denn die E-Mountainbikes sind mit 20 bis 25 Kilogramm deutlicher schwerer als Räder ohne Elektromotor, was sich bergab vor allem beim Bremsen und in den Kurven bemerkbar macht.
Er sehe immer wieder Menschen mit E-Mountainbikes im alpinen Bereich, denen es sichtlich an Radbeherrschung mangelt, sagt André Schmidt. Der Redaktionsleiter der Zeitschrift "MOUNTAINBIKE" lebt in den Bergen Osttirols. Alpenvereine melden, dass die Unfallzahlen mit Mountainbikes steigen. Für Schmidt liegt das zwar in erster Linie daran, dass immer mehr Radfahrer in den Bergen unterwegs sind. Aber eben zum Teil auch am fehlenden Können, gerade im Umgang mit E-Mountainbikes.
Worauf es beim Abfahren ankommt
Aus fahrtechnischer Sicht gibt es insbesondere zwei Punkte zu beachten. Zum einen dosiert und punktuell zu bremsen – und nicht durchgehend beim Abfahren den Bremshebel zu drücken. "Lässt man die Bremse die ganze Zeit schleifen, wird sie schnell heiß und fällt im schlimmsten Fall aus", sagt Schmidt. Zum anderen sollte man bergab nicht im Sattel sitzen, sondern diesen absenken und gebeugt stehen – so hat man das Rad besser unter Kontrolle.
Ein einführender Technikkurs ist aus Sicht beider Fachleute für Einsteiger empfehlenswert. Die wenigen Stunden Zeit und das Geld für die Teilnahme sind im Zweifel gut investiert. "Dann ist auch die Abfahrt kein Krampf mehr", sagt Katharina Gstrein.
Der Rat von André Schmidt: langsam herantasten und erst mal auf einer Asphaltstraße abfahren, damit man ein Gefühl für das Gewicht des Rades, das Handling und das Bremsen bekommt. Dann den Anspruch stetig steigern. Und: "Es ist nie eine Schande, das Rad auch mal ein Stückchen bergab zu schieben, wenn man sich unwohl fühlt."
Warum die Streckenwahl so wichtig ist
Wenn er in einem alpinen Bikepark sei, fange er auch immer mit der leichtesten Strecke an, sagt Schmidt, der ein erfahrener Mountainbiker ist. Dabei checkt er, ob an seinem Rad alles funktioniert – und vor allem auch, wie es ihm selbst an dem Tag geht. "Bin ich fit, geht es mir gut?" Erst dann wagt er sich an die anspruchsvolleren Trails.
Überhaupt, die Streckenplanung. In den Bikeparks ist die Orientierung meist einfach – hier sind die Trails, analog zu den Schwierigkeitsgraden von Skipisten, oft in blau (einfach), rot (mittel) und schwarz (schwer) unterteilt. Auf regionalen Wegekarten sucht man solche Einordnungen allerdings teils vergeblich.
Schmidt rät, dann bei lokalen Radläden, Bikeverleihs oder Tourismusbüros nachzufragen, wenn man sich nicht sicher ist, wie anspruchsvoll eine Route wirklich ist. Oder man nimmt etwas Geld in die Hand und engagiert einen Guide, der einen auf der Tour begleitet.
Auch das Wetter spielt eine Rolle. So kann ein Trail, der bei trockenen Bedingungen noch gut machbar ist, bei Regen plötzlich sehr schwer zu fahren sein – weil er voll ist mit Steinen und glatten Wurzeln, die durch die Feuchtigkeit rutschig werden.
Hat man aber seine Fähigkeiten im Umgang mit dem E-Mountainbike etwas geschult und die Strecke mit Augenmaß ausgewählt, lassen sich mit so einem Fahrrad die Berge auf bisher nicht gekannte Weise entdecken. "Es macht wirklich viel Spaß, wenn man dank des Elektromotors leichter den Hang hinaufkommt", sagt Katharina Gstrein.
Sie selbst sei aber lieber Biobikerin, sagt sie und meint damit, dass sie Räder ohne Tretunterstützung bevorzugt. "Hier in Sölden braucht man ja eigentlich kein E-Bike. Es gibt ja, Gott sei Dank, die Liftanlagen", sagt sie lachend.
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