Bergrennstrecken-Test für alle

Autofrei radeln wie die Profis: Kommen Sie mit auf Probefahrt, bevor die Profis kommen

11.7.2024, 09:00 Uhr
Und die Kuh sagt Muh dazu: Nach dem Campolongo-Pass geht es hinunter ins Veneto.

© Christian Mückl Und die Kuh sagt Muh dazu: Nach dem Campolongo-Pass geht es hinunter ins Veneto.

Etwas ist anders heute. Ob das auch der Bergadler merkt? Als wir mit den Rädern den Passo di Campolongo erreichen, zieht er in luftiger Höhe über unseren 1800 Metern seine Kreise und linst.

Anders ist heute, dass nichts knattert. Keine Motorräder. Keine Oldtimer. Auch sonst kein motorisiertes Menschenvolk, das auf diesen Bergrücken zwischen Südtirol und Veneto sonst täglich Kühe & Co. beschallt.

Dafür bekommen die Tiere so komische Vögel wie uns zu sehen. In die radsportüblichen Signalklamotten gequetscht, die im Alltag oft das Auge beleidigen, gehen die bunten Uniformen an diesem Sommertag wenigstens annähernd einen Friedensvertrag mit dem Gelb, Grün und Weiß der in Blüte stehenden Almwiesen ein. Hey, heute ist "Bikes Day" in den Dolomiten. Und Alta Badia autofrei.

Schwungvoll: Zum Falzarego-Pass geht es beim "Dolomites Bike Day" die Serpentinen bis auf über 2000 Meter hoch.

Schwungvoll: Zum Falzarego-Pass geht es beim "Dolomites Bike Day" die Serpentinen bis auf über 2000 Meter hoch. © Christian Mückl

Jährlich bewerben sich rund 30.000 Amateursportradler darum, bei dem Szenario mitstrampeln zu dürfen. Per Losverfahren werden in Alta Badia 8000 ausgewählt. Startgebühr gibt es keine. Und der gleiche graue Asphalt, der am 7. Juli 2024 erneut die Rennradprofis beim Maratona dles Dolomites-Enel beflügelt, ist für normalsterbliche Fitnessfreunde reserviert.

Auf 51 Kilometern Strecke sind beim Rundkurs um das Lagazuoi-Massiv 1370 Höhenmeter zu überwinden. Drei Mal "Pass"- und Pulskontrolle sind Programm. Passüberquerungen. Als Belohnung lockt die Dolomitenkulisse in dieser vom Alpentourismus beschaulich bespielten Gegend von Alta Badia. Aber auch kulturell ist diese Tourismusnische unweit des Grödnerjochs zwischen Sellagruppe und dem Nationalpark Fanes gelegen eine Rarität. Denn nur noch in wenigen bündnerischen Hintertälern wird außer hier noch Ladinisch gesprochen. Der Dialekt aus Räteromanisch und Italienisch ist vom Aussterben bedroht.

Ein Vorzug des "Dolomites Bike Day" ist, dass er ohne Zeitmessung über die Bergbühne geht. Zwischen den Pässen Campolongo (1875 Meter), Falzarego (2105 Meter) und den Valparola (2193 Meter) darf man zwar eine gute Ladung Schweißtropfen hinterlassen. Anders aber, als die Windschattenjäger beim Wettkampf, lassen wir uns für die Strecke Zeit. Zeit für Ausblicke zum Beispiel auf die Marmolada (3342 Meter). Zeit, auch um das Rad einen Espresso lang an den nächsten Dorfbrunnen zu lehnen. Der "Dolomites Bike Day" wird in der Region durch zwei weitere autofreie Strampeltage flankiert, die im Juni und September um die Sellagruppe führen.

Wir gesellen uns zu dritt unter die Genusssportler und brechen im beschaulichen La Villa (1433 Meter) auf, einem Dorf der 6000-Seelen-Gemeinde Alta Badia. Michaela (43) aus Kärten rückt der Strecke mit dem E-Bike auf den Bergleib, während der Bike-Guide Andreas (37) und ich uns Rennräder unter die Windelhintern in Fahrradhosen mit weichem Einsatz schieben. Mit 53 bin ich der Älteste. Aber solche Klassifizierungen gibts beim "Bike Day" ebenso wenig wie Ellenbogenkämpfe und Geschrei.

Nur sportlich etwas fitter sollte man schon sein, um in den Haarnadelkurven nicht den Mut zu verlieren. Der längste Anstieg zieht sich über 13 Kilometer. Und runter? Hat man die finale Abfahrt von sieben Kilometern gemeistert, darf man sich selbst die Hände schütteln. Schon, um sie vom vielen Bremsen wieder zu entkrampfen.

Aber auch Sommerfrischler, die gerne einen Alltagsgang runterschalten, werden sich in Alta Badia kaum langweilen. Wanderwege, Lifte, Leihräder, alles kein Problem.

Wer welches Päckchen mit sich herumträgt, ist ja bekanntlich so eine Sache. Warum sollte es beim "Bike Day" anders sein? Ein Freak hat den Hund im Kinderanhänger dabei. Ein Sportsfreund schwitzt mit Kindersitz. Und dann passieren wir noch einen Buben, dar nicht nur am Rande der Pubertät, sondern auch des Nervenzusammenbruchs steht - das E-Mountain-Bike an den Serpentinenrand gepfeffert. Nein, ein Ponyhof ist der "Bike Day" trotz aller Freiheit nicht.

Ab 14.30 Uhr ist der schöne Spuk vorbei. Die PS-Fraktion durchbricht wieder die Front. Wie friedlich das Ganze vorher war! Der Bergadler kann ein Lied davon singen. Falls er singen kann. Wir klingeln derweil mit unseren Klingeln.

Mehr Informationen:

Tourismusbüros Alta Badia, Tel. 0039/0471/839695, www.altabadia.org Anreise: Zum Beispiel mit dem Zug ab Nürnberg in ca. 5,30 Stunden bis San Lorenzo oder Bruneck. Dann weiter ca. 50 Minuten mit dem Bus bis Alta Badia. Per Auto ca. 460 Kilometer via Brenner.

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