Lesung mit neuem Buch
Thomas Mann und sein tadelloser Groupie: Heinrich Breloer kommt ins Literaturhaus Nürnberg
Hätte es Max Bernstein aus Fürth nicht gegeben, wäre das Leben von Thomas Mann mit Sicherheit sehr viel anders verlaufen. Denn die Begegnung des späteren Nobelpreisträgers mit dem Rechtsanwalt und seiner Frau Else um die Jahrhundertwende sollte über die Zukunft Manns entscheiden: Else Bernstein, die in der Münchner Brienner Straße einen exklusiven Salon arrangierte, bei dem so ziemlich alle literarischen Größen ein und aus gingen, vermittelte die Bekanntschaft des jungen Mann mit Katia Pringsheim, seiner späteren Ehefrau. Bis es dazu kam, war jedoch noch ein gehöriges Stück Verkupplungsarbeit zu bewältigen.
Bernstein, 1854 in Fürth geboren, lebte seit 1877 in München. Er galt als Staranwalt mit liberaler Gesinnung, legte sich noch vor Hitlers Machtergreifung mit den immer lauter werdenden Nationalsozialisten an, verteidigte unter anderem Erich Mühsam. Seine Frau Else war eine hochgebildete Dame der besseren Münchner Gesellschaft, die unter Pseudonym auch selber Bücher veröffentlichte – und sie war eine Freundin der milliardenschweren Familie Pringsheim. Ihrem unermüdlichen Engagement war es zu verdanken, dass der junge, schüchtern-steife Thomas Mann, der gerade seine "Buddenbrooks" veröffentlicht hatte, sich auf dem gesellschaftlichen Parkett Münchens jedoch noch sehr unsicher bewegte, in die Pringsheim-Dynastie eingeführt wurde. Er hatte die etwas geheimnisvoll-burschikose und dunkel-hübsche Katia in einem Konzert erblickt und war verschossen. Else Bernstein übernahm die Sache.
Man kann diese langwierige, von vielen Rückschlägen begleitete Geschichte nun nachlesen in Heinrich Breloers neuem Buch "Ein tadelloses Glück", das die Jugendjahre Thomas Manns wie einen Roman erzählt (DVA, 26 Euro) und das der Autor im Literaturhaus Nürnberg vorstellt. Es ist ein tiefer Blick ins komplizierte Seelenleben des jungen Dichters geworden, denn vor Katia stand noch ein heikles Problem: Thomas‘ homoerotische Neigungen, die zwar Tatsache waren, in seinen Kreisen aber nicht ausgelebt werden durften. Ja, nicht mal wirklich eingestehen wollte Mann sich diesen "Geburtsfehler".
Breloer berichtet von dieser Seelenpein ausführlich und dezent, zeigt einen Thomas Mann, der schwankt und höchstens bereit war, seine Neigungen literarisch zu verarbeiten. Spätestens seit "Tod in Venedig" wurde getuschelt und gerätselt, auf welcher Seite Mann eigentlich stand. Da hatte er aber längst die Entscheidung getroffen, zumindest nach Außen hin den soliden heterosexuellen Bürger zu geben. Man muss Breloer glauben, dass es wohl tatsächlich eine tiefe Zuneigung zu der schönen Katia gegeben hat. Doch stellte sich der Unerfahrene zunächst höchst täppisch an und blieb lange Zeit erfolglos mit seinem Liebeswerben.
Fräulein Katia gab sich störrisch, als Studentin stellte sie sich ihr Leben anders vor: eine "Frau Thomas Mann" wollte die Emanzipierte nicht werden – und wurde es dann eben doch. Ihre Furcht, nur aus gesellschaftlichen Gründen diese Ehe einzugehen, war sicherlich nicht unbegründet. Breloer zeigt die Hartnäckigkeit Manns, dem eine Zukunft im makellosen Glanz vorschwebte, auch wenn es in seinem Innersten durchaus andere Sehnsüchte gab. Katia ahnte davon, später wusste sie es ganz konkret, aber sie sagte: "Das will ich gar nicht wissen", als ihr Thomas einen flüchtigen Kuss, der einen hübschen Jüngling traf, gestand.
Im Grunde spielte sie ab der Heirat eine Rolle, wurde Mutter und der dirigierende Pol in einer Ehe, die auf die Reputation des Großschriftstellers ausgerichtet war. Ohne Katia wäre Thomas wohl gestrauchelt; wie sehr er unter seinen unterdrückten Neigungen litt, offenbarten nicht zuletzt die Tagebücher. Somit ist es eine tragische Geschichte, die Breloer, der mit seiner Verfilmung der "Buddenbrooks" und der halbdokumentarischen filmischen Erzählung der Familienstory, berühmt wurde, hier in einem manchmal etwas ausufernden Plauderton aufdröselt. Karten unter tickets@literaturclub-nuernberg.de oder Tel. (0911) 89 37 02 75.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen