Madonnen-Zeichnung

Spektakulärer Dürer-Fund: Forscher hat eine neue Theorie dazu

28.1.2022, 05:55 Uhr
Sorgte weltweit für Schlagzeilen: Das neu aufgetauchte Blatt "Maria mit Kind auf einer Rasenbank" mit AD-Signatur.

© Albertina, NN Sorgte weltweit für Schlagzeilen: Das neu aufgetauchte Blatt "Maria mit Kind auf einer Rasenbank" mit AD-Signatur.

Ein echter Dürer oder nicht? Derzeit liegt in einer Londoner Galerie eine Zeichnung mit einer abenteuerlichen Geschichte, die weltweit für Schlagzeilen gesorgt hat: Bei einem Hinterhof-Verkauf wurde das Blatt für 30 Dollar erworben. Jetzt gilt „Maria mit Kind auf einer Rasenbank“ (wie berichtet) als echter Dürer (1471–1528). „Es stimmt einfach alles an diesem Blatt“, sagt Christof Metzger von der Wiener Albertina, der es untersucht hat, auf 1503 datiert und in das neue Werkverzeichnis der Dürer-Zeichnungen aufnimmt, das er gerade schreibt. Manche Kollegen sehen das anders.

Zweifel an der Dürer-Zuschreibung äußert neben dem Wiener Kunsthistoriker Fritz Koreny nun auch Thomas Schauerte. Er hat das Dürer-Haus in Nürnberg geleitet, ist jetzt Chef der Museen in Aschaffenburg und zuständig für das neue Dürer’sche Druckgrafik-Werkverzeichnis. Viel hat er bereits zu Dürer geforscht und publiziert.

Aus Schauertes Sicht ist die Madonna einfach „zu flott hingerotzt“, um von Dürer zu sein. Die AD-Signatur zeige: Das Blatt war für den Kunsthandel bestimmt. Für den aber hätte der Meister seine Kompositionen sehr viel stärker durchgearbeitet. Und er hätte das Gesicht anders gezeichnet: „Die linke Gesichtshälfte sieht aus, als hätte sie ein paar Schmisse.“

Zweifel an der Eigenhändigkeit Dürers beschleichen Schauerte auch beim Blick auf den Faltenwurf des Gewandes: „Das ist nicht ganz logisch gezeichnet, Dürer macht das anders, er hat es von der Pike auf gelernt.“ Was den Forscher auch stört, ist das Jesuskind, das dem Betrachter den Popo zuwendet: Würde Dürer ein Kind zeichnen, das sich wegdreht, gäbe es dafür einen szenischen Anlass. „Sprich, es ergäbe Sinn“, sagt er.

Das Blatt sei toll, urteilt Schauerte, aber seiner Meinung nach eben nicht von Dürer. Von wem dann? „Ich denke, es ist von Hans Baldung.“ Der Künstler (1485/1486–1545) hat von etwa 1503 bis 1507 in Dürers Werkstatt gearbeitet. „Dort hat er auch das spezielle Fugger-Papier verwendet, auf dem diese Zeichnung ist“, erklärt Schauerte. Der Meister war von 1505 bis 1507 auf Reisen in Venedig. Eine gute Gelegenheit also für den Mitarbeiter...

„Er wusste das Papier liegt rum, und dachte wohl, einen schnellen Gulden nebenher mit einer DürerZeichnung zu verdienen, ist nicht verkehrt“, meint Schauerte und bestätigt: „Es gibt konkrete Beispiele dafür, dass Baldung so etwas macht.“ Er nennt dafür zwei Madonnen Baldungs, eine im Louvre und eine in Leiden, die auch eine falsche Dürer-Signatur tragen.

Und was hat Dürer dazu gesagt? „Das wissen wir nicht, aber er war ein sehr kollegialer Chef und die beiden waren bis zu Dürers Tod eng verbunden“, sagt Schauerte. Baldung sei der „einzige richtige“ Dürer-Schüler, gewesen. „In seinen Nürnberger Jahren orientiert er sich ganz stark an Dürer, geht aber dann auch gerne seinen eigenen Weg. Er versucht sich bewusst und klar abzusetzen – zum Beispiel mit diesem zappeligen Jesuskind.“ So neckische Einfälle seien typisch für Baldung.

Etwa 250 Zeichnungen gibt es von ihm, also rund ein Viertel dessen, was Dürer hinterlassen hat. Darunter, so Schauerte, elf gezeichnete Madonnen und drei Kopien, womit man also wüsste, dass es auch ein Original dazu gegeben haben muss. „Das zeigt: Er hat das Thema mehrfach behandelt und es gibt auch Zeichnungen von ihm, die diesem Londoner Blatt wirklich ähnlich sehen.“

Dürer oder Baldung – was bedeutet das für den Wert der gezeichneten Madonna? „Bei Baldung liegen wir bei einer bis zwei Millionen, bei Dürer im achtstelligen Bereich“, schätzt Schauerte.

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