Luna Wedler als Luise, Karl Markovics als der Optiker und Corinna Harfouch als Selma (von links) in einer Szene aus "Was man von hier aus sehen kann".
© Studiocanal GmbH/Frank Dicksl
Luna Wedler als Luise, Karl Markovics als der Optiker und Corinna Harfouch als Selma (von links) in einer Szene aus "Was man von hier aus sehen kann".

Eine märchenhafte Verfilmung

Neu im Kino: Mariana Lekys Roman-Bestseller "Was man von hier aus sehen kann"

"Es ist so schön", sagt die sterbende Selma, "dass du mir zum Ende lauter Anfänge schenkst!" Der Optiker (Karl Markovics), dessen Namen niemand zu kennen scheint, ist schon ein Leben lang in Selma (Corinna Harfouch) verliebt, hat sich aber nie getraut, seine Liebesbriefe zu Ende zu schreiben, geschweige denn, sie abzuschicken. Doch bevor es zu spät ist, überschüttet er Selma damit und beginnt, ihr vorzulesen, einzelne fragmentierte Sätze, Momente, die ihr Leben zusammenfassen.

Selma hat eine besondere Gabe. Sie kann den Tod vorhersagen. Allerdings weiß sie nicht, wen es trifft, denn immer wenn sie von einem Okapi träumt, verliert jemand in dem kleinen Dorf im Westerwald sein Leben. Und weil das jeder weiß, spricht es sich schnell herum, wenn das Traum-Okapi erneut auftaucht, und alle Bewohner verfallen in wilden Aktionismus. Bis dann der Tod seine Arbeit gemacht hat und allenthalben wieder Ruhe einkehrt.

Macht der Intuition und Vorhersehung

Die eigentliche Hauptfigur ist aber Luise (Luna Wedler), die den nur wenige Minuten älteren Martin liebt, seit sie denken kann, mit einem weißen Hund namens Alaska zusammenlebt und die auch eine Gabe hat. Immer wenn sie etwas sagt, an das sie nicht glaubt, fällt irgendwo etwas runter. Schließlich ist sie Selmas Enkelin. Sie begleitet der Film über einen Zeitraum von 30 Jahren zwischen Liebe, Trauer, Verlust und Erwartung hindurch bis zu einem möglichen Schlusssatz, der allerdings unvollständig bleibt. Heute gibt es auch im Märchen keine Lösungen mehr.

Aron Lehmann (zuletzt "Jagdsaison") ist ein Meister der neuen deutschen Komödie, die Aki Kaurismäki ebenso viel verdankt wie Jos Stelling oder Leos Carax, diese Zutaten aber mit ein wenig Screwball aufmischt und damit tieftraurig und leichthändig witzig zugleich sein kann. Die ewig schlecht gelaunte Marlies (Rosalie Thomass) zum Beispiel hat nicht eine einzige Pointe und ist trotzdem in ihrem ausgeleierten Norwegerpullover eine durchweg komische Figur.

In der Märchenhaftigkeit seiner Inszenierung (allein die Sets zu finden, wenn man sie nicht bauen kann, ist eine Leistung) wird aus dem Dorf der Mittelpunkt einer skurrilen Welt, in der es keine Gesetze der Logik gibt, dafür aber die Macht der Intuition und Vorhersehung. Lehmann hat den schon reichlich schrägen Roman von Mariana Leky noch weiter zugespitzt, seine drei Teile in Rückblenden verschachtelt und für die sprachlichen Einfälle wunderbare Bilder gefunden. Dabei wechselt er die Tonlage mit jeder Einstellung, ohne dabei die Einheitlichkeit seines Filmes zu zerstören.

Es gibt blutige Schockmomente ebenso wie anrührende Liebesszenen und einen mit sich selbst im Widerstreit gefangenen Optiker, der ständig versucht, seine beiden inneren Stimmen zum Schweigen zu bringen. Indem er die Grenzen des realistischen Erzählens mühelos hinter sich lässt, gelingt Lehmann ein neues Genre, zumindest aber die Variation der Komödie, die hierzulande sehr selten ist.

Was man von hier aus sehen kann, Deutschland 2022, 109 Minuten, FSK ab 12, von Aron Lehmann, mit Corinna Harfouch, Luna Wedler, Karl Markovics, Cosmo Taut, Katja Studt u.v.a.

In diesen Kinos läuft der Film.

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