Ausstellungsorte der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: Die Pinakothek der Moderne und die Alte Pinakothek (im Hintergrund) im Münchner Kunstareal.
© Sven Hoppe/dpa
Ausstellungsorte der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: Die Pinakothek der Moderne und die Alte Pinakothek (im Hintergrund) im Münchner Kunstareal.

Kommentar

Nazi-Raubkunst in Museen: Deutschland ist moralisch verpflichtet, mehr dagegen zu tun

Untätigkeit, Intransparenz und Vertuschung lauten die Vorwürfe an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Sie stehen in der Kritik, Nazi-Raubkunst in ihrem Bestand verheimlicht zu haben, um den Staatsschatz mit allen Mitteln zu bewahren. Der zuständige Minister kündigte eilends Aufklärung an und räumte ein, zu lange darauf vertraut zu haben: "Das läuft schon."

Tut es eben nicht. Daran haben weder der Fall Gurlitt, der mehr als zehn Jahre her ist, noch die jüngere Debatte um die kolonialen Benin-Bronzen etwas geändert. Die heikle Sache hat in den Häusern und der Politik keine dauerhafte Priorität. Und man kann locker die Prognose wagen: Wenn der Rauch um den aktuellen Skandal verzogen ist und die Sonntagsreden verklungen sind, versinkt das Thema Raubkunst wieder im Orkus.

Es wäre jahrzehntelang Zeit gewesen, es konsequent und großflächig anzugehen. Bereits 1998 hat Deutschland die sogenannte Washingtoner Erklärung unterzeichnet, sich also verpflichtet, NS-verfolgungsbedingt entzogene Werke zu identifizieren, gerechte und faire Lösungen mit den Eigentümern oder ihren Erben zu finden.

Klingt nachvollziehbar, simpel und richtig. Der Teufel steckt im Detail, in den Strukturen und der Dursetzungskraft. Erstens ist diese Erklärung nicht rechtlich bindend. Zweitens gibt es bei Unstimmigkeiten noch immer keine schlagkräftige Instanz. Das einst von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden als sogenannte Limbach-Kommission eingesetzte Gremium, das heute Beratende Kommission heißt, ist ein zahnloser Tiger. Es kann nur tätig werden, wenn beide Konfliktparteien – also jüdische Erben, die Ansprüche anmelden, und Museen – zustimmen. Der "Angeklagte" befindet also selbst darüber, ob er einen "Prozess" zulässt. Das immerhin soll geändert werden. Wann? Wie genau? Mit welcher Finanzierung? Unklar!

Drittens sind "Beweise" 80 Jahre nach Ende des Krieges, in dem Archive, Museen und Auktionsunterlagen zerstört wurden, oft kaum mehr vorhanden. Die "Biografie" eines Werkes in der Zeit zwischen 1933 und 1945 jetzt noch aufzuschreiben, ist im besten Fall Sisyphusarbeit, im schlechtesten Fall unmöglich. Es dauert Jahre, so etwas zu recherchieren und braucht viele Fachleute in den Museen. Von denen wird bei steigendem Kostendruck zugleich erwartet, dass sie immer neue Anforderungen erfüllen: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Inklusion, Leichte Sprache, das Pflegen und Bewahren der Sammlungen sowieso, dazu bitte zugkräftige Ausstellungen am laufenden Band.

Wenn die Politik ihre historische, moralische und ethische Verantwortung ernst nehmen will und den wenigen Opfern der Shoa, die noch leben, und ihren Nachfahren in Bezug auf geraubte Kunst Gerechtigkeit widerfahren lassen möchte, dann muss jetzt sehr schnell gehandelt, viel Geld in die Hand genommen und unbürokratisch entschieden werden: Kein Blut mit geraubten Bildern an den Wänden, im Zweifel den Staatsschatz aufgeben!

Keine Kommentare