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Das Erlanger Poetenfest am Wochenende: Bei diesen Lesungen könnte es spannend werden

30.8.2024, 17:00 Uhr
In Erlangen hat das Poetenfest begonnen. Bis Sonntag reisen rund 100 Autoren aller Couleur an und lesen, diskutieren, antworten den Zuhörern.

© Erich Malter In Erlangen hat das Poetenfest begonnen. Bis Sonntag reisen rund 100 Autoren aller Couleur an und lesen, diskutieren, antworten den Zuhörern.

"es liegen kabel im erdreich es lagen + logen schon immer... kabel im erdreich die meisten hat nie jemand gelegt es sei denn ein... außerirdischer gott (nichtbinär + unerträglich schön + eifersüchtig)": Ja, wir schrecken auf, wenn jemand den Gebrauch der Sprache genau erarbeitet und spielerisch unsere Sprechgewohnheiten stört. Solche Mitglieder der Sprachgemeinschaft nennen wir Dichter. Christian Schloyer aus Nürnberg ist so ein Dichter. Dem Text hier hat er die Überschrift gegeben "traumdeuterei beischläfrig".

Schloyer wird auf dem Erlanger Poetenfest lesen, am Samstag, 31. 8., um 17.30 Uhr im Schlossgarten, aus seinem neuen Buch, das von zwei Umschlagseiten her zu lesen ist (poetenladen, 19.80 Euro). Die eine ist blau und trägt den Titel "Venus", die andere geht über ins Rötliche und ist betitelt "Mars". "Mars" spielt mit den Topoi der Science Fiction, der Raumfahrt, der aktuellen Physik. Außerdem kann man den Text, wenn man so will, als eine Art Anweisung für ein Computergame lesen.

Die Gedichte im Zeichen der Venus sind ein wenig leichter zu konsumieren und betreffen den Alltag, z.B. Kabel im Erdreich. Allerdings graben sie dafür auch die Sprache um und durchsetzen sie mit Schriftzeichen. Es entstehen Irritationen, die bei Gelingen den Glanz schöner Poesie haben. (halef)

Die österreichische Schriftstellerin und Fotografin Valerie Fritsch hat schon mit ihrem ersten Roman "Winters Garten" aufhorchen lassen, einer gekonnt sprachverliebten Geschichte, in der der Weltuntergang fast zärtlich zelebriert wurde. Ihr nun drittes Buch heißt ganz einfach "Zitronen" und wieder ist es Fritschs Gefühl für den Klang der Wörter und Sätze, das gefangen nimmt (Suhrkamp, 24 Euro). Am 31.8. um 18 Uhr liest sie daraus im Schlossgarten.

Es geht um die fast mörderische Liebe einer Mutter zu ihrem Sohn, aus der der Erwachsene endlich fliehen möchte. Die Zuneigung ist ungeheuerlich im schlimmsten Sinn, die Abhängigkeit verbietet jegliche Freiheit, ein Entkommen ist nicht vorgesehen. "Die Angst machte ihn grausam", heißt es einmal; davon zu lesen schmerzt und entwickelt trotzdem einen irritierenden Sog. (noa)

Der Schwede Aris Fioretos war schon mal zu Gast in Erlangen, 2016.

Der Schwede Aris Fioretos war schon mal zu Gast in Erlangen, 2016. © Ralf Rödel/VNP

Ja, Aris Fioretos ist so etwas wie ein Kosmopolit: ein schwedischer Autor mit griechisch-jüdischen Wurzeln, der aber auch ziemlich gut Deutsch spricht. Und er ist ein gepflegter Dandy und Gentleman, dem man nie und nimmer ansieht, dass er damals, in den 70er Jahren, der erste Punk seiner Heimatstadt war! Genau in diese wilde Zeit entführt er jetzt mit seinem neuen Roman "Die dünnen Götter", der unter uns ziemlich dick geraten ist, vielleicht sogar zu dick (Hanser, 34 Euro).

Inspiriert von Musikern wie Tom Verlaine und seiner Band Television lässt Fioretos das Leben eines alternden Rockstars Revue passieren, der, selbst 66, seiner ihm unbekannten elfjährigen Tochter (damals in Amsterdam mit einem Groupie gezeugt) Briefe schreibt, damit sie weiß, wer ihr Vater überhaupt ist, von der Kindheit in Delaware und dem konträren Zwillingsbruder angefangen... Klingt das sentimental? Ja. Am Samstag um 18.30 Uhr wird man im Schlossgarten aber sicher Spannendes dazu hören. (lups)

Die Autorin Lena Gorelik las am Eröffnungsabend des Poetenfests 2024.

Die Autorin Lena Gorelik las am Eröffnungsabend des Poetenfests 2024. © Erich Malter

Er schreibt Sätze wie: "Aus der Luft sieht Bochum aus wie ein missgebildeter Fötus mit acht Armen und Beinen." Oder dann, näher dran: "Unser Viertel zerreibt seine Bewohner. Alles ist stumpf hier. Wir alle leben in einem Abnutzungskrieg..."

Willkommen im Deutschland des Behzad Karim Khani, der 1986 mit seiner Familie aus Teheran in den Ruhrpott kam und dort seine Kindheit erlebte, ja überlebte, wie man sagen kann. Längst ist er aber eine feste Größe der Berliner Techno- und Partyszene, mit dem "Lugosi" berühmt geworden.

Nachdem er vor zwei Jahren, da war er 45, sein vielbeachtetes Romandebüt "Hund, Wolf, Schakal" gab, stellt er nun in Erlangen sein nicht minder beeindruckendes zweites Werk vor, am 1.9., 14.30 Uhr, im Schlossgarten. "Als wir Schwäne waren" hat er es genannt - und blickt darin ähnlich drastisch, nun aber eindeutig autobiografisch auf das harte migrantische Leben in einer Plattenbausiedlung (Hanser, 22 Euro).

Viel Raum für Miteinander, Gefühle, Aussichten von Zukunft ist da nicht, es herrschen ein rauer Ton und multikulturell geballte Gewalt, auch der Neonazi von nebenan darf nicht fehlen. Und natürlich ist es symbolisch und ebenso poetisch, wenn dem Vater von Behzad Karim Khani, der selbst ein Dichter ist, die deutschen Schuhe einfach nicht passen. Seine Lyrik liegt derweil im Keller, ungelesen. Die knallharten, dabei auch komischen Bücher des Sohnes haben es da - verdientermaßen - besser... (lups)

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