Bücher unterm Baum
An Weihnachten wird es spannend - oder saukomisch: Mit Janosch und anderen großen Autoren
14.12.2024, 15:05 UhrSowas Dummes aber auch! "Weihnachten ist ziemlich langweilig", sagt er - und das hätte er besser nicht gesagt. Denn das ist nun ein Satz, mit dem er, der gute Maurice, Mittzwanziger und alles andere als mittellos, gar nicht gut ankommt bei der so moralischen Pfarrerstochter Isabel.
Wie soll sie ihm da noch trauen, wie ihm eröffnen, dass sie, natürlich bildhübsch und herzenswahr, ihn genauso attraktiv findet, wie er sie? Wird da die ganze festliche Zeit, mit Mistelzweig und Plumpudding, nicht zur Pein unterdrückter Hormone?
Weihnachten - o weh! Fast fühlt man sich wie bei Jane Austen. Der englische Autor Anthony Trollope (1815-1882), bei uns nicht ganz so bekannt, schlüpft mit der Erzählung "Weihnachten in Kirkby Cottage" in die seidenen Bettschuhe seiner Kollegin - und wird zum literarischen Kuppler mit seitenlang kitzelnder Hinhaltetaktik. Eben wie man es aus "Stolz und Vorurteil" und den anderen Romanen kennt... Wie sagen sich zwei, dass sie sich lieben? Das kann dauern.
Viktorianische Schriftsteller liebten Weihnachten, am deutlichsten wohl Charles Dickens mit seinen bis heute beliebten "Christmas Carols". Der böse alte Geizhals Scrooge hat da bekanntermaßen einige gespenstische Erlebnisse, die ihn aber, wer ahnte es, doch noch zum besseren Senioren machen. Eine moralische Erweckung, die es verfilmt sogar mit den "Muppets" gibt.
Ganz und gar nicht langweilig, ja sogar spannend ist auch das Weihnachtsfest, das sich die Krimiautorin Celia Fremlin ausgedacht hat, für ihren wirklich lesenswerten Roman "Der lange Schatten" von 1975, welcher nun neu übersetzt auf Deutsch vorliegt. Die frisch verwitwete Imogen trauert da noch immer um ihren Gatten, den Literaturprofessor Ivor, auch wenn er nicht nur nette Seiten hatte.
Zuerst kommt ein nächtlicher Anrufer, der sie völlig absurd des Mordes bezichtigt, dann die angeheiratete Familie: Stiefsohn und Stieftochter und sogar eine Exgattin, die sich zum Christfest im Haus einnisten, fast schon dreist und mit dubiosen Absichten. Und wer geistert im Finstern durch die Zimmer wie die Hausherr einst selbst? Ohne dass viel passiert, ist man als Leser mit auf der Hut - und freut sich an den geschliffenen Sätzen, dem feinen englischen Humor.
Noch so eine Britin, die man wiederentdecken kann, ist Ivy Compton-Burnett (1884-1969). Und auch bei ihr hat Weihnachten eine wichtige Bedeutung, in dem Roman "Ein Haus und seine Hüter", den Gregor Hens nun übersetzt hat. Richtig boshaft und mit doppeltem Boden erzählt die Londonerin von der Familie Edgeworth und ihrem Patriarchen Duncan - der bereits sauer ist, wenn Gattin Ellen zu spät am Frühstückstisch erscheint.
"Oje, Weihnachten ist schon irgendwie sehr mühsam", sagt diese dann auch. Und Tochter Nance: "Und jedes Jahr lassen wir uns von Neuem einreden, dass wir uns darauf freuen sollten." Das sitzt, Satz für Satz in ironisch kommentierten Dialogen, beinahe wie in einer Komödie von Oscar Wilde. Bei Klett-Cotta wurde Ivy Compton-Burnett schon einmal fantastisch herausgegeben, jetzt besteht eine neue Chance.
Aber haben nicht auch die Deutschen (manchmal) Humor? Mit Loriot zum Beispiel, wenn Hoppenstedts feiern, oder dem immer lebenden Janosch? Ja, er ist tatsächlich schon 93 - aber immer noch mit seinen Bären, Tigern und tierisch schönen Sprüchen präsent. Passend zur Jahreszeit erschien soeben das Bändchen "Wondrak und seine Freunde feiern Weihnachten", das zeigt: Auch im kleinen Format der gelben Reclam-Klassiker wuselt es weise vor sich hin - und wer einen Schneemann in die warme Stube einlädt (er kommt sogar!), sollte wissen, dass der Gast nicht allzu lange bleibt...
Anthony Trollope: Weihnachten in Kirkby Cottage. Insel-Bücherei, 15 Euro.
Celia Fremlin: Der lange Schatten. Dumont, 22 Euro.
Ivy Compton-Burnett: Ein Haus und seine Hüter. Andere Bibliothek, 48 Euro.
Janosch: Wondrak und seine Freunde feiern Weihnachten. Reclam, 8 Euro.
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