Das sollten Sie lesen
Von Sally Rooney bis Joachim Meyerhoff: Unsere Buchtipps für Dezember 2024
14 Bilder 8.12.2024, 16:19 UhrSie sind ein Ehepaar und verstehen sich überhaupt nicht, jeder pflegt sein persönliches Unglücklichsein. Das einzige Kind steht zwischen den Fronten, spielt Dolmetscher und Vermittler. Die Fernsehjournalistin Miriam Böttger erzählt in ihrem ersten Roman "Aus dem Haus" eine ziemlich böse Familiengeschichte. Kann ein Haus ein Hort des Unglücks sein? Kann eine Stadt ein Leben verderben? Die schrägen Protagonisten verstehen es meisterlich, sich als Daueropfer der Umstände zu fühlen. Sie sind ein wunderbar abschreckendes Beispiel dafür, wie man sich selbst alles unerträglich machen kann... (Galiani Berlin, 23 Euro) Gabi Eisenack © Galiani Berlin; congerdesign/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Er hat es schon wieder getan: Schauspieler und Schriftsteller Joachim Meyerhoff hat seine erfolgreiche autobiographisch geprägte Buchreihe um einen Roman erweitert. Am Anfang von "Man kann auch in die Höhe fallen" ist er ganz unten: Nach einem Schlaganfall in der bisherigen Heimat Wien wagt er einen Neustart in Berlin - und wird in der harten Hauptstadt nicht glücklich. Er zieht zur 86-jährigen Mutter aufs Land, um ihr im Garten zu helfen und in aller Ruhe zu schreiben. Allerdings ist die eigenwillige Mutter topfit. Was folgt, ist eine unglaublich groteske Erzählung verschiedenster Erlebnisse. Das Leben, es kann so gemein und tragisch und gleichzeitig so verrückt und lustig sein! (Kiepenheuer & Witsch, 26 Euro) Sabine Ebinger © Kiepenheuer & Witsch; Lubos Houska/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Eine bekennende Hundenärrin wie Monika Maron schreibt jetzt ein Buch namens "Die Katze"? Was war da passiert? Schlimmes, muss man sagen. Gleichsam als Fortsetzung ihrer launigen Erzählung "Bonnie Propeller" wird die Berliner Autorin richtig dramatisch: Eine Kätzin, wild und ängstlich, beißt sie bei einer Rettungsaktion vor Hund Bonnie in die Hand - und diese entzündet sich, wird immer dicker, ein heißer Klumpen. Ausgerechnet vor einer Lesereise auch noch! Wie sich Maron langsam aus der Lebensgefahr kämpft und der kleinen Streunerin dann sogar noch ihre Verzeihung, ja Liebe erklärt, lässt wohl keinen Leser unbetroffen... (Hoffmann & Campe, 16 Euro) Wolf Ebersberger © Hoffmann und Campe; Stefan Schweihofer/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Bei manchen Autoren ist es leider so, dass mit dem Erfolg die Umfänge ihrer Neuerscheinungen immer überschaubarer werden. Das trifft auch auf Marco Balzano zu, der sich mit Werken wie "Das Leben wartet nicht" und "Ich bleibe hier" in die Herzen vieler Leser geschrieben hat. Doch zum Glück beschert er uns mit seinem dünnen neuen Roman "Café Royal" ein dichtes Leseerlebnis. In 18 Episoden lässt er Bewohner einer Mailänder Straße zu Wort kommen, die nach dem Lockdown wieder ins Leben zurückfinden. Keine Angst, Balzano hat nicht etwa einen Corona-Roman verfasst, nein, er präsentiert ein Kaleidoskop faszinierender Figuren - so intensiv erzählt, dass auch ein zweites Lesen lohnt. (Diogenes, 24 Euro) Christian Ebinger © Diogenes; Jessica Kwok/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Es ist alles andere als ein Geheimtipp: Caroline Wahl hat mit "Windstärke 17" direkt ihren zweiten Bestseller in Folge geschrieben. Die Fortsetzung ihres Debüts "22 Bahnen" begleitet die kleine Schwester der früheren Hauptperson. Ida ist inzwischen selbst erwachsen und will nach dem Tod ihrer Mutter einfach nur weg aus der Kleinstadt, in der sie aufgewachsen ist. Sie landet auf Rügen. Und findet inmitten von Sturm und dem eiskalten Meer mehr Wärme, als sie je vermutet hätte. Der zweite Band ist düsterer und wilder als der erste und kann auch ohne seinen Vorgänger gelesen werden. Am besten nimmt man sie sich aber direkt beide und liest die Geschichte der ungleichen Schwestern in einem Rutsch durch. (DuMont, 24 Euro) Marlene Weyerer © DuMont; Kerstin Riemer/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Sie ist eine der bedeutendsten (nicht nur) chinesischen Schriftstellerinnen und stand auch schon auf der Liste für den Literaturnobelpreis: Can Xue. Beim Lesen ihres Erzählbandes "Schattenvolk" weiß man, warum. Diese Geschichten geben nicht nur Menschen, sondern auch Tieren (wie den Nagern im Slum) oder Pflanzen (einem alten Baum) eine Stimme. Sie zeigen – berührend bis brutal – das Innenleben der Erzählenden, treten aus der Realität heraus, entführen in andere Welten, sind manchmal wirklich ver-rückt. Im Hintergrund werden dabei viele soziale und politische Aspekte des Alltags angesprochen. Eine fordernde, irritierende, immer auch bewegende Lektüre! (Matthes & Seitz, 26 Euro) Anja Weigmann © Matthes & Seitz; Wolfgang Vogt/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Drei Romane – drei Bestseller. Die Bücher der 33-jährigen Irin Sally Rooney scheinen vor allem beim jüngeren Publikum einen Nerv zu treffen. Rooney erzählt glaubwürdig, nahbar, emphatisch und brutal ehrlich - so auch in ihrem neuesten Roman "Intermezzo". Peter und Ivan sind zwei Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Peter, ist Anfang 30, intelligent, ein Lebemann, der als Anwalt arbeitet. Ivan dagegen, knapp zehn Jahre jünger, ist der Introvertierte mit Zahnspange, der außer dem Schachspielen nicht viel in seinem Leben hat. Beide treffen neu aufeinander, als sie ihren Vater beerdigen müssen: eine Geschichte von Verlust, Schuld, Trauer und Liebe, aufwühlend und tröstend zugleich. (Claassen, 24 Euro) Isabella Fischer © Claassen; Michal Jarmoluk/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Blutsbrüder im Wortsinn sind Roy und Carl, die sich in einem norwegischen Kaff Hotel und Tankstelle gewaltig erarbeitet haben, aber auch manches Kindheitstrauma noch schmerzhaft zu bewältigen. Bestsellerautor Jo Nesbo, inzwischen 64, erzählt in seinem neuesten Thriller "Der König" das Psychodrama von "Ihr Königreich" weiter, in dem es an Käuflichkeit, Sehnsucht, aber auch existenzialistischer Schicksalsergebenheit nicht mangelt. Spannung zwischen Schönheit und Schrecken, wie man es von Nesbo kennt... (Ullstein, 25,99 Euro) Christian Mückl © Ullstein; Krzysztof Pałys/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
"Wir alle haben eines gemeinsam: Wir essen", schreibt Wladimir Kaminer. Der russischstämmige Autor hat in "Mahlzeit! Geschichten von Europas Tischen" (Penguin, 22 Euro) kulinarische Streifzüge zusammengefasst. In Norddeutschland "verwöhnt" man ihn mit Pinkelwurst und Grünkohl, der so richtig schlotzig – "oder heißt es scholzig?" – sein muss und doch nur mit viel Schnaps erträglich wird. In Georgien spürt er der Herkunft von Trinksprüchen nach – mit Weinbegleitung. In Prag will er hinter das Geheimnis des Wodka-Sandwichs kommen. Und warum die Schweizer Streuwürze Aromat im Geschmack verdächtig der sowjetischen Tütensuppe "Roter Oktober" ähnelt. Äußerst vergnüglich – besonders als Hörbuch, vom Autor selbst gelesen. Florian Heider © Penguin; hhugosandoval/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Seit der Kindheit in den 60er Jahren war die Freundschaft zwischen Frank und dem Ich-Erzähler unverbrüchlich, praktischerweise lebte man im selben Haus. "Fast wie ein Bruder" lautet denn auch der Titel von Alain Claude Sulzers neuem Roman. Mit Mitte 60 blickt der Erzähler, inzwischen ein erfolgreicher Kameramann, zurück, erinnert sich an das Unbehagen, das beginnt, als sich Franks Homosexualität – unfreiwillig - offenbart. Auch dessen künstlerische Ambitionen bleiben ihm fremd. Als der Freund in 80er Jahren an Aids erkrankt, nähern sich die beiden wieder an... Ein Buch über Freundschaft, Entfremdung und emotionalen Aufruhr, in dem Distanz und Nähe einander nicht ausschließen. (Galiani, 24 Euro) Birgit Nüchterlein © Galiani Berlin; StockSnap/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Auch das neue Buch von Liv Strömquist ist wieder ein Banger, wie man ja jetzt sagt. In "Das Orakel spricht" knüpft sich die schwedische Soziologin, Feministin und Comic-Zeichnerin die schillernde Welt der Influencer, Coaches und Internet-Klugscheißer vor – und spürt mit klugen, pointierten Texten und ihren markant-eindimensionalen Zeichnungen gewohnt neugierig, tiefgründig und vor allem mit viel Humor der Frage nach, woher eigentlich dieser ganze Zwang zur permanenten Selbstoptimierung rührt. Was das alles mit der heilige Katharina von Siena, Ronald Reagan oder dem titelgebenden Orakel von Delphi zu tun hat? Das zu erfahren, ist einfach nur köstlich. (Avant, 25 Euro) Stefan Gnad © Avant-Verlag; Karsten Paulick/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Früher trugen Großmütter Kittelschürzen, verbrachten die meiste Zeit am Herd und rührten ganz viel Liebe in Süßspeisen für ihre Enkel. Für die Erzählerin in Karolina Ramquists Roman "Brot und Milch" sind die Großeltern Ersatz für Vater und Mutter, die in ihrem Leben keinen Platz für das Kind haben. Lange spendet das Essen dem Mädchen Trost, als erwachsene Frau wird sie merken, dass es zur Sucht geworden ist. Die schwedische Autorin erzählt mit großer Intensität von Sehnsucht und Gier, einer Familie, die keinen Halt bietet, und einer Frau, die es schafft, sich selbst zu retten. Ihr Weg in die Freiheit macht Mut, sie dabei zu begleiten, ist eine Freude. (S. Fischer, 26 Euro) Gabi Eisenack © S. Fischer; Couleur/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Irland 1847, das dunkelste Jahr der Hungersnot - und die Zeit von Jacqueline O’Mahonys historischem Roman "Sing, wilder Vogel, sing": Die Außenseiterin Honora kämpft sich mit ihrem Dorf bis zum Schlossherrn vor, der sie aber abweist und so dem Elend preisgibt. Der todbringende Rückweg ist für Honora als einzige Überlebende der Startschuss in ein neues Leben in Amerika. Dort landet sie zunächst in einem feindseligen Herrschaftshaus, dann im Bordell. Erst die Begegnung mit einem Indigenen lässt sie die Fesseln der Unterdrückung abstreifen, den Horizont und die unendliche Weite im Blick... Ein Buch, das den Leser atemlos und tief berührt zurücklässt. (Diogenes, 24 Euro) Regina Heider © Diogenes; Filip Filipović/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid
Schräg! Das Auge schnappt nach Mithu Sanyals neuem Roman "Antichristie", auf dessen quietschbuntem Cover sich ein bengalischer Tiger über der Queen aufbäumt. Ein "Auf-stand" im wahren Wortsinn, geht es doch um nicht weniger als den britischen Kolonialismus und den Beginn der indischen Unabhängigkeitsbewegung im Jahr 1906. Dort hinein stürzt man in diesem klugen, spinnenhaft verwobenen Buch mittels Durga, der Protagonistin. Sie wird aus dem London von heute ins Indien von damals katapultiert und findet sich als Mann in hochbrisanten, konspirativen Meetings indischer Revolutionäre wieder. Ein scharfsinniger Roman über belastete Historie, Identität und den Clash of Cultures. (Hanser, 25 Euro) Karin von Matuschka © Hanser; Giada Turola/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid