Die Spitzen von CSU, CDU und SPD haben am Mittwoch den von ihnen ausgehandelten Koalitionsvertrag vorgestellt.
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Die Spitzen von CSU, CDU und SPD haben am Mittwoch den von ihnen ausgehandelten Koalitionsvertrag vorgestellt.

„Rückschritt“ oder Erfolg

Lob vom OB, Kritik von den Grünen: Was bedeutet der Koalitionsvertrag für Fürth?

Rund sechs Wochen nach der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar haben CDU, CSU und SPD sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Das Papier wurde am Mittwoch vorgestellt und höchst unterschiedlich aufgenommen. In Fürth gibt es von der Kommunalpolitik neben Lob und Unterstützung auch Kritik und Unverständnis.

So zeigt sich Oberbürgermeister Thomas Jung insgesamt zufrieden mit den Punkten, die seine Parteikollegen von der SPD mit der Union ausgehandelt haben. In einer Pressemitteilung aus dem Rathaus betont er etwa die Richtigkeit der Entscheidung, das Thema Wirtschaft und Industrie „an erster Stelle der anstehenden Herausforderungen zu setzen“. Der Industriestandort Deutschland müsse gestärkt werden, etwa durch verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten bei dringenden Investitionen, eine Senkung der Energiepreise sowie Entbürokratisierung.

Fürther Oberbürgermeister Jung lobt Abschaffung des Bürgergeldes

Auch die Abschaffung des Bürgergeldes zugunsten einer neuen Grundsicherung sei positiv zu sehen. Niemand, der arbeitsfähig ist, dürfe ohne Sanktionen Arbeit verweigern. Das sei bislang zulässig gewesen und habe auch in Fürth zu finanziellen Belastungen und Vertrauensverlust der arbeitenden Bevölkerung geführt, heißt es weiter.

Positiv bewertet Jung demnach auch die Wiedereinführung der Sprachkitas, um die Integration von Kindern zu verbessern, die geplante Entlastung von Alleinerziehenden und die Erhöhung des Mindestlohns, genauso wie die Verlängerung der Mietpreisbremse, die in Fürth „segensreich“ wirke. Hoffnung mache die Ankündigung, dass im Bereich Bauen die Technische Anleitung Lärm weiterentwickelt werden solle, um Nutzungskonflikte zu lösen. Das könne etwa für die Lärmdebatte rund um die Gustavstraße relevant werden.

Von dem Plan, dass Eigentümer, die günstig vermieten, steuerlich belohnt werden sollen, verspricht sich Jung eine potenzielle Senkung der Mieten in Fürth. Weil der Wohnungsmarkt in der Kleeblattstadt „nicht mehr aufnahmefähig“ sei, lobt er zudem die Pläne für eine neue Rückführungsoffensive sowie die Aussetzung des Familiennachzugs für Schutzberechtigte mit Aufenthaltstitel. Letzterer habe in Fürth „direkt zur Obdachlosigkeit der nachgezogenen Familienmitglieder geführt, da die Kommune unterbringungspflichtig ist“, heißt es in der Mitteilung. Jung wünscht sich zudem die Inhaftierung aller ausreisepflichtigen Straftäter. Von der Abschaffung des Bürgergeldes für Geflüchtete aus der Ukraine erhofft er sich eine höhere Beschäftigungsquote dieser Gruppe. Sie liege vor Ort bisher nur bei etwa zehn Prozent.

Die angekündigte Verdoppelung des Finanzvolumens der Städtebauförderung nennt der Rathauschef einen „Segen für Fürth“. Auch Mittel aus dem neuen Infrastruktur-Sondervermögen werden demnach in die Kleeblattstadt fließen - Jung rechnet in der nächsten Stadtratsperiode mit bis zu 30 Millionen Euro. Ausbaufähig und „zu knapp“ erscheinen ihm dagegen die Aussagen zur digitalen Verwaltung. Es werde zwar eine voll digitalisierte Verwaltung „angestrebt“ - dieser Begriff lasse laut Jung aber nicht auf extremen Ehrgeiz schließen.

Die Fürther Grünen, deren Partei nun wieder der Opposition angehört, können sich dem OB nicht anschließen. Sie sehen im Koalitionsvertrag ein „enttäuschendes Signal“. In einer Pressemitteilung bemängelt etwa Johannes Newald, Kreisvorsitzender der Grünen in Fürth, einen „Rückfall in alte Muster“. „Gerade in Zeiten der Klimakrise, der sozialen Spaltung und immenser globaler Herausforderungen bräuchte es mehr Mut und eine klare Vision“, wird er dort zitiert. Die Koalition habe offenbar nicht einmal mehr den Anspruch, die Klimaziele zu verfolgen. Sie sollen aufgeweicht werden, heißt es, ebenso wie „zentrale Punkte des europäischen Green Deals – etwa das Ende von Neuzulassungen für Verbrenner ab 2035“, so Newald weiter.

Auch die geplante Abschaffung des Bürgergelds sei ein klarer Rückschritt, es drohe eine weitere Spaltung der Gesellschaft. Für die Zukunftsthemen junger Menschen, etwa Bildung, Rente und Innovation, fehlten Lösungen. Newalds Parteikollegin und Co-Vorsitzende Annette von Heissen bemängelt zudem, dass es „keinerlei Perspektive für eine faire, finanzielle Verteilung in Richtung von Ländern und Kommunen“ gebe. Man werde sich daher „noch entschlossener“ für echten Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und eine lebenswerte Zukunft für alle einsetzen, wird von Heissen zitiert. „Kommunal geht mehr, wenn man es will – und wir wollen!“ Oberbürgermeister Jung ist dagegen vor allem wichtig, dass den „vielen guten Absichtserklärungen“ der Koalition nun schnell Taten folgen.

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