Kritische Phase am Klinikum
Fürther Pandemiebeauftragter: "Um Kontaktbeschränkungen werden wir nicht herumkommen"
18.11.2021, 08:26 UhrDie Zahl wird täglich höher: Fast 1000 Menschen sind aktuell in Fürth corona-positiv (Mittwoch: 979), dazu 724 im Landkreis. Doppelt so viele wie Anfang November. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Mittwoch bei 520,2 in Fürth und bei 405,2 im Kreis.
Corona fordert nun auch immer mehr Platz und Zeit in den Krankenhäusern. Am Mittwoch hat das Fürther Klinikum eine zweite Normalstation für Covid-Fälle eingerichtet. Eine der beiden Intensivstationen ist schon seit längerem für Covid-Patienten reserviert. Operationen, bei denen es möglich ist, werden nun wieder – wie in den früheren Wellen – abgesagt oder verschoben, sagt Dr. Manfred Wagner, Medizinischer Direktor und Pandemiebeauftragter des Fürther Krankenhauses.
Aktuell werden dort zehn Corona-Patienten auf der Intensivstation und 25 auf der Normalstation behandelt. Zum Vergleich: Im vergangenen Winter waren es in der Spitze 13 Corona-Patienten auf der Intensivstation und über 50 auf den Normalstationen.
Die Belastung fürs Personal sei in den drei ersten Wellen schon extrem gewesen, sagt Wagner. Damals sei man angesichts der Bilder aus Italien sogar auf noch düstere Szenarien eingestellt gewesen. Diesmal ist es anders, die vierte Welle werde von vielen unterschätzt. Für Wagner aber befindet sich Deutschland in der "kritischsten Phase" der Pandemie.
Denn die hoch ansteckende Delta-Variante treffe auf ein "ausgelaugtes Gesundheitssystem". Das Personal konnte seit eineinhalb Jahren kaum durchatmen. Die Überlastung führt zu Kündigungen und dazu, dass Pflegekräfte Stunden reduzieren. "Sie sagen, sie schaffen den Job nur, wenn sie ihn in Teilzeit ausüben", erklärt Wagner. Zwar stelle man auch neue Kräfte ein. "Aber es gibt weniger Pflegezeit als vor einem Jahr."
Die Folgen zeigen sich auch auf der Intensivstation: Weil Personal fehlt, kann das Klinikum nur 22 der 30 Intensivbetten nutzen. Im Moment sei man eigentlich auf neun Covid-Intensivpatienten beschränkt, so Wagner. In der nächsten Woche sollen es elf sein, bald 13.
Der rasante Anstieg der Fallzahlen hat viele Menschen überrascht. Das Robert-Koch-Institut (RKI) habe eine solche Entwicklung allerdings vorausgesagt, so Wagner. "Es war klar, dass die Zahlen hochschießen werden, wenn wir bei der Impfquote nicht hochkommen."
Zugleich sei mit den Auffrischungsimpfungen ein bis zwei Monate zu spät begonnen worden, meint er. Es war damit zu rechnen, dass der Schutz mit der Zeit nachlässt, zuerst bei den älteren Menschen. Ihre Immunantwort fällt nach Impfungen grundsätzlich weniger robust aus. Und sie waren die Ersten, die geimpft wurden.
Zunehmend werden jetzt auch Geimpfte mit Covid-19-Diagnose in den Krankenhäusern behandelt. "In der Regel sind es ältere Menschen", bestätigt Wagner. Im Klinikum sind momentan sieben der zehn Covid-Intensivpatienten ungeimpft und 15 der 25 Corona-Patienten auf der Normalstation.
Aus den Impfdurchbrüchen zu folgern, dass die Impfung nicht wirke, wäre völlig falsch, sagt Wagner. "Solche Behauptungen sind Nonsens." Man müsse die Zahlen einordnen. Auch die Daten des RKI zeigen: Ungeimpfte und noch nicht vollständig Geimpfte haben ein vielfach höheres Risiko für einen schweren Verlauf als Geimpfte derselben Altersgruppe. Die Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz pro 100.000 Einwohner, die Bayern ausweist, liegt bei Geimpften bei 2,5, bei Ungeimpften bei 12,8. "Ungeimpfte belasten das Gesundheitssystem drei- bis zehnmal so viel wie Geimpfte", sagt Wagner.
"Impfen, impfen, impfen" sei die Strategie, um die Pandemie zu beenden. Man werde damit aber kaum schnell genug vorankommen, um die aktuelle Welle zu brechen, befürchtet er. Er glaubt: "Um Kontaktbeschränkungen werden wir wohl nicht herumkommen." Dass zurzeit ohne Maske in Diskos getanzt und gefeiert werden kann, sei "Wahnsinn".
Hier können Sie Ihre Meinung zur Corona-Krise kundtun oder sich mit anderen Usern zum Thema austauschen. Alle Artikel zu Corona haben wir zudem für Sie auf einer Themenseite gesammelt.