Appelle gegen den Krieg

Erlangen blickt mit Sorge Richtung Ukraine

Marcel Staudt

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24.2.2022, 18:30 Uhr
Mehrere hundert Menschen versammelten sich auf dem Rathausplatz in Erlangen, um mit dieser Kundgebung ein Zeichen gegen Aggression und Krieg zu setzten.

© Harald Sippel, NN Mehrere hundert Menschen versammelten sich auf dem Rathausplatz in Erlangen, um mit dieser Kundgebung ein Zeichen gegen Aggression und Krieg zu setzten.

Peter Stegers Stimme ist brüchig. Im Telefongespräch stockt er immer wieder, ringt nach Worten und Fassung. Vor nicht mal zwei Wochen hatte Erlangens Beauftragter für die Partnerstädte bereits über die Situation in der Ukraine und in der russischen Partnerstadt Wladimir gesprochen. Sollte es zu einem Krieg kommen, sagte Steger, "wäre das der Gau" für die Menschen, aber auch für die partnerschaftlichen Beziehungen. Der Gau, also der Krieg, er ist jetzt da.

Ein beschädigtes Auto steht nach russischem Beschuss auf einer Straße in Mariupol.

Ein beschädigtes Auto steht nach russischem Beschuss auf einer Straße in Mariupol. © Evgeniy Maloletka, dpa

"Es ist ein realer Alptraum" sagt Steger am Donnerstag dieser Woche. Er ist ständig in Kontakt mit Menschen aus Wladimir, die Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernemants, rund 170 Kilometer nordöstlich von Moskau. "Es herrscht dort die pure Verzweiflung über die Politik des eigenen Landes", sagt Steger. Er berichtet etwa über die Nachrichten einer Mutter, die große Angst hat, dass ihr Sohn für den Krieg eingezogen wird und Gott weiß wann zurückkehren wird - als Krüppel, traumatisiert, oder in einem Sarg.

Partnerschaft stärken

In dieser Situation müsse die Partnerschaft mit Wladimir erst recht gestärkt werden, findet Steger. Der letzte Besuch einer Erlanger Delegation war im Herbst 2019. Dann kam Corona, es blieb die Kommunikation über das Internet. Nur: Wie lange noch? "Viele Leute in Wladimir haben Angst, dass das Internet gekappt wird", sagt Steger, er hält das ebenfalls für realistisch. Für die einheimische Bevölkerung blieben in diesem Fall die russischen Medien - "was da berichtet wird, würde in Deutschland unter Volksverhetzung fallen".

Steger betont: "Wir müssen zwischen einem Despoten und seinem Volk unterscheiden. Wir dürfen uns nicht zu Feinden machen lassen." Der katholische Dekan Michael Pflaum sieht es ähnlich: "Die Kriegshandlungen Russlands machen mich fassungslos. Die Menschen vor Ort sind aber nicht mit Putin gleichzusetzen." Am Mittwochvormittag hat Pflaum bereits für ein rasches Ende des Krieges gebetet, das wird er auch am Wochenende im Gottesdienst tun.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine sorgt auch in Erlangen für Entsetzen.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine sorgt auch in Erlangen für Entsetzen. © Harald Sippel, NN

Auch an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg fragt man sich, wie es den Austauschstudenten aus Russland und der Ukraine momentan geht. "Wir, dass diejenigen, die im Wintersemester bei uns studiert haben, schon abgereist sind", so Pressesprecherin Deborah Pirchner. "Es ist zu früh, um etwas über die Studierenden im Sommersemester zu sagen. Wir versuchen, diese Studierenden bestmöglich zu unterstützen, ganz gleich, ob sie sich dazu entscheiden die Reise nach Deutschland anzutreten oder nicht."

Besorgter Oberbürgermeister Janik

Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik ist ebenfalls besorgt. "Wir sehen eine militärische Bedrohung des Friedens in Europa, wie wir sie die letzten Jahrzehnte nicht mehr kannten. Meine und unsere Gedanken sind bei alle Menschen, die mitten in Europa nun Krieg mit all seinen schrecklichen Folgen erleben", so Janik. Es müsse jetzt alles getan werden, um die Spirale der militärischen Gewalt mit Diplomatie zu durchbrechen und um diesen Krieg zu beenden. Janik: "Uns ist auch klar, dass der Krieg Menschen zur Flucht zwingen wird. Erlangen steht bereit, Menschen aufzunehmen, die bei uns Schutz suchen."

Bezüglich der Partnerschaft mit Wladimir betont Janik, dass sie in einer Zeit großer Spannungen entstanden sei - 1983 war das, als Zeichen der Versöhnung und Verständigung zwischen Deutschland und der Sowjetunion. "Auf diesem Fundament werden wir auch in diesen Zeiten aufbauen. Dialog auf allen Ebenen ist gerade jetzt unverzichtbar."

Fahnen mit Trauerflor

Die Stadt flaggt bis Montag vor dem Rathaus Trauerflor. Verschiedene Gruppen organisieren Mahnwachen, gemeinsame Gebete und Kundgebungen. Am Donnerstag lagen der Stadt bereits drei Anmeldung vor. Den Anfang machte noch am späten Donnerstagnachmittag eine Kundgebung auf dem Rathausplatz. Organisiert wurde sie von den Lehrstühlen für osteuropäische Geschichte und Neueste Geschichte und Zeitgeschichte der FAU, dem Vorstand der Freunde und Förderer der Geschichtswissenschaft an der FAU und der der Jungen DGO (Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde) Erlangen.

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