Unterwegs in Nordeuropa

Finnische Lichtblicke: Seen, Saunen und Schnee in Nordkarelien

Christian Mückl

Kultur / Leben

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22.3.2024, 19:55 Uhr
In der Stille liegt die Kraft: Blockhütte am Saimaa-See.

© Christian Mückl In der Stille liegt die Kraft: Blockhütte am Saimaa-See.

Nennen wir es Schicksalsergebenheit, nennen wir es Stil. Was den Dresscode betrifft, trägt die Landschaft Kareliens bis Ostern komplett weiß. Noch jetzt Ende März liegt das Land tief verschneit. Die Eisdecke der Seen ist gut 30 Zentimeter dick. Wer wissen will, wie wohlig sich der Winter drinnen und wie knackig er sich draußen anfühlen kann - während man in Deutschland seit Jahren daueraufgetaut vor sich hin tropft -, darf hier noch sein weißes Wunder erleben.

Wachgeküsst werden

Nordkarelien macht es sich in einer Sandwichposition zwischen Lappland im Norden und der Hauptstadt Helsinki im Süden gemütlich. Als östliche Herzkammer des Landes nahe der russischen Grenze wartet die Gegend nun schon eine Weile geduldig darauf, neben einheimischen Urlaubern endlich auch von mehr deutschen Elchfans, Waldgängern und Süßwasserfreunden wachgeküsst zu werden. Erst war es die Pandemie, nun der Ukraine-Krieg, weshalb die russischen Nachbarn und Blockhüttengäste seit Jahren wegbleiben.

Dabei liegt zum Beispiel St. Petersburg mit nur drei Stunden Autofahrt so nah, dass er früher regelmäßig dorthin pendelte, erzählt uns Jukka Suninen, der am Nationalpark Koli zwei Gästehäuser betreibt. Also abwarten und Kaffee trinken. Aktuell halten die Finnen im Koffeinkonsum wacker weiter den Weltrekord.
Die Entfernungen sind groß, die Birken- und Fichtenwälter tief und die Eisenbahn ist viel zu pünktlich (Verfrühung ist keine Seltenheit), als dass man unter diesen Nordmänner und -frauen auf germanische Hektik trifft.

Vier Stunden "vorglühen"

Aber wer sich bei knapp unter 100 Grad in die Rauchsauna hockt, um anschließend in das nächste Eisloch der stets allgegenwärtigen Seen abzuzischen, weiß wohl eh, was wirklich zählt. Das findet zum Beispiel Heikki Penttilä, früher Farmer und Hirte, der nun im Ruhestand seine Schäfchen im Trockenen hat und die Kohle lieber in der Sauna anhäuft.

Die innere Mitte bleibt trocken - beim "Floating" in finnischen Fluten. 

Die innere Mitte bleibt trocken - beim "Floating" in finnischen Fluten.  © Christian Mückl

Das abgelegene Ufergelände in der Gemeinde Rautjärvi, wo Heikki vier Stunden vor dem Eintreffen der Gäste zu den Streichhölzern greift, um sorgfältig „vorzuglühen“, gehörte seinem Opa. Auf den Namen „Hugon“ hat er nach Großvater das Blockhaus und außen am Waldrand die Rauchsauna benannt. Eigener Bootssteg natürlich inklusive.

Eisstraße über den See

188.000 Binnengewässer zählt Finnland. Als längster Lulatsch unter allen Seen macht sich der Saimaa in Nordkarelien breit. 14.000 Inselchen ragen aus den Fluten, an deren Ufern in der Mittsommernacht wie bei arktischer Dunkelheit, im Januar wie im lauen Lüftchen des Junis in der Stille die Kraft liegt. Welch grüne Frischlufttheke.

Dann gibt es den Nationalpark Koli. Bis zu 60 Kilometer lange Langlaufloipen ersetzen die Pfade des Sommers im Schnee. Die Steinhügellandschaft des Koli erinnert ein bisschen an das Fichtelgebirge, nur eben mit Panoramablicken auf die Wasserweite des Pielinen-Sees. Die längste Eisstraße Europas führt über ugb. Acht Kilometer lang auf frostigem Belag. Aber außenrum wären es 80.

Kuven am Rollator

Sich Spikes an die Wanderschuhe zu schnallen, ist der Temperatur ebenso geschuldet, wie der Tatsache, dass hier selbst Rollatoren Kuven haben statt Räder. Ja, und die Temperatur der Kultur? Heiß! Etwa in der Villa Ruusula. Wer sich an der Kantele, einem karelischen Saiteninstrument, musikalisch oder in der Nudelholzdisziplin des Piroggenbackens kulinarisch austesten mag, darf den Weg gerne nach Rääkkylä finden. Hungrig kommt keiner davon ...

Erst letzten Dienstag haben die Vereinten Nationen, wie jährlich im März, Finnland im „World Happiness Rekord“ wieder zum „glücklichsten Land der Welt“ ernannt. Hey, das ist zum siebten Mal in Folge! „Onnitellut“ - Glückwunsch auch von uns.


Mehr Informationen:
www.visitfinland.com

www.goisaimaa.com
www.raakkyla.fi
www.koli.fi
Anreise:
Fähre von Travemünde nach Helsinki mit Finnlines, 7 Überfahrten pro Woche, 30 Stunden und 30 Minuten.

Flug mit Finnair z. B. ab München oder Frankfurt nach Helsinki, 2 Std 40 Minuten. Ab Helsinki-Flughafen sehr gute Zugverbindungen weiter gen Norden Richtung Joensuu.

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