Park Ela Trek in Graubünden

Neuer Schweizer Weitwanderweg: Bilderbuchtour über der Baumgrenze

Christian Mückl

Kultur / Leben

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18.9.2023, 10:43 Uhr
Vom Ela-Grat aus erstreckt sich ein Bergpanorama aus fast 3000 Metern Höhe.

© Christian Mückl Vom Ela-Grat aus erstreckt sich ein Bergpanorama aus fast 3000 Metern Höhe.

Fladenalarm war gestern. Doch der heilige Bimbam blieb unten. An der Baumgrenze verflüchtigte sich neben dem Kuh-Kontakt auch das WLAN. Anschließend verpfiffen uns noch die Murmeltiere. Kein Wunder, dass die Gemse keinen Bock mehr auf uns hatte, oben im granitfarbenen Geröll.

Wer den Parc Ela Trek bewandert, wählt die Gipfel näher als das Tal, die Stille lauter als den Lärm und die Langsamkeit als vernünftigste Lösung für den Weg als Ziel. Seit Juni 2023 ist es im Kanton Graubünden möglich, eine, mehrere oder alle der 17 Etappen des Weitwanderwegs zu begehen, ohne zwischendrin ins Tal absteigen zu müssen. Auf über 2000 Metern ist die Luft dann selbst für Schweizer Verhältnisse günstig, die Hüttenübernachtungen kosten nicht die Welt.

Mehr als ein Hingucker

Der Preis, den man dafür bezahlt, ist freilich das selbst zu tragende Gepäck. Zwischen Selbstversorger-Unterkunft mit Massenlager und originellem Alp-Hotel mit Doppelzimmern darf man wählen. Im Naturpark um den großartigen Piz Ela, diesem 3339 Meter hohen Hingucker als Hauptdarsteller eines Road-Movies, das auch mit weiteren sensationellen Komparsen wie dem Tinzerhorn, dem Piz Kesch oder dem Piz Bever nicht geizt. Im Film-Abspann wäre die Namensreihung lang.

Erleuchtet wie eine Kathedrale: Am Tinzerhorn im Morgenlicht.

Erleuchtet wie eine Kathedrale: Am Tinzerhorn im Morgenlicht. © Christian Mückl

Im Gegensatz zu einem Nationalpark, wo offiziell keine Blume angepustet, kein Stein umgedreht und keine Pinkelpause abseits des Pfads ungestraft bleiben kann, ist im Schweizer Naturpark der Sinn und Zweck die nachhaltige Nutzung der Gegend. Der Mensch wird also nicht gleich vorsichtshalber mal auf Abstand getrimmt. Ganz im Gegenteil. Gerade in der Abgeschiedenheit der Alphütten kommt es zum Austausch. Die Gastfreundlichkeit ist sehr groß.

Was den Weitwanderweg betrifft, ist die Strecke anspruchsvoll, sie erfordert Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und eine gute Grundkondition. Aber für alle, die nicht passionierte Rolltreppenfahrer sind und auch sonst lieber sportlich durchs Leben hopsen, sind die Wege durch die grandiose Berglandschaft gut machbar.

In kleinen Schritten

Die Tagesetappen liegen - mit Pausen - bei fünf bis sechs Stunden. Die Strecken sind zehn bis fünfzehn Kilometer lang. Die Steigung liegt bei gut 900 Metern aufwärts und bis zu 1300 Meter bergab. Der Abstieg ist gewöhnlich kräfteraubender als der Aufstieg, doch das Wandern in kleinen Schritten hat etwas Meditatives. Wanderstöcke sind ratsam.

Unsere kleine Gruppe nimmt sich drei Etappen des Parc Ela Trek vor. Wir starten auf der Alp Flix, einem sehr gemütlichen Berghotel mit hervorragender Küche, das mit Panoramablick auf einer Hochebene über Savognin liegt. Man kommt mit dem Bus hin.

Für uns folgt am nächsten Tag als Basis die Alp d‘Err. Sie ist eine Agrotourismus-Alm mit 16 Schlafplätzen, auf zwei nach Zirbenholz duftende Zimmer verteilt. Alle Räume wurden neu für die Pilger des Weitwanderwegs gebaut. Beim Frühstück ist Selbstbedienung. Abends servieren die Sennhirten Julia Schwienbacher und Armin Pilser Selbstgemachtes. Zur Alp d‘Err gehören 100 Kühe und 20 Schweine. Der Käse ihrer Sennerei ist dann auch im Lunch-Paket frisch und lecker. Die Alm setzt auf Bio-Betrieb.

Drei auf einer Pritsche

Einen Kontrast dazu stellt die einfache Ela-Hütte dar, wo wir die dritte Nacht in die kargen Schlafkojen krabbeln. Je drei Personen teilen sich eine der Holzpritschen. Limo, Bier und Wein kann man kaufen, das Essen bringt man mit. Dusche gibt es keine, aber einen Brunnen und ein Klo. Für ambitionierte Kletterer dient die Herberge mit ihrem Feuerherd in der Küche und ihren roten Fensterläden als Ausgangspunkt für die Besteigung der Dolomitgipfel Piz Ela (3339 Meter) und Tinzerhorn (3172 Meter). Diese Steilwände sind jedoch nur Profis vorbehalten.

Wer sich alle 17 „normalen“ Etappen vornimmt, startet entweder in Tiefencastel oder Lenzerheide. Beide Orte sind mit dem Postauto oder der Rhätischen Bahn erreichbar. Die Bahnstrecke zwischen Tiefencastel und Preda am Albula-Pass ist mit ihren spektakulären Brückenbauten Unesco-Kulturerbe. Insgesamt erstreckt sich der Ela-Weg auf 222 Kilometer. 20 Pässe und 25 Alpen machen den Weg abwechslungsreich.

Oben unter den Gipfeln liegen einsame Bergseen. Was für eine Erfrischung nach dem Aufstieg! Und wer die Einheimischen entlang der Wanderpfade nicht beim ersten Wort versteht, darf das nicht persönlich nehmen. Es kann daran liegen, dass man hier in der Herzregion Europas zwischen Engadin und den Rheinquellen noch Rätheromanisch, Italienisch oder Walserdeutsch spricht.

Wie das mit dem Wolf ist

Man redet zum Beispiel darüber, wie das mit dem Wolf ist. Ein Konflikt, der die Älpler sehr bewegt. Es gibt inzwischen mehrere Rudel hier. Manche sagen, es sind zu viele. Das Pro und das Contra für den gezielten Abschuss, also die Reglementierung der Tierzahl, wägt der Hirte Armin Pilser von der Alp d‘Err mit ruhiger Stimme ab.

Die wilde Welt sich selber zu überlassen, das wäre das eine. Es steht dem Argument gegenüber, wonach Tiere zu schaden kommen und somit auch die Hirten. Und es sei ja beileibe nicht so, sagt Pilser, dass die Älpler zu ihren Hütehunden, Kühen, Schweinen oder Schafen keinen Bezug aufbauen würden - all die Monate, die sie miteinander auf den Almen verbringen. Erst neulich habe eine an sich „sehr liebe Kuh“ den Hütehund angegriffen, nachdem Wölfe zuvor große Unruhe in die Herde gebracht hatten. Im Naturpark darf zwei Wochen im Jahr gejagt werden und auch das nur nach strikten Regeln.

Ausgeheckt hat den Weitwanderweg übrigens der Verein Parc Ela Trek, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Gäste in solche Regionen zu locken, die vom Tourismus weniger begünstigt sind. Der Weg ins Glück ist steinig. Aber er ist es wert.


Mehr Informationen:
Graubünden Ferien, Alexanderstraße 24, 7001 Chur, Schweiz. Tel. (41) 8 12 54 24 24. www.graubuenden.ch bzw. www.parc-ela-trek.ch
Anreise:
Mit dem Zug ab Nürnberg über München, dann entweder über Innsbruck oder Richtung Bodensee und St. Margarthen nach Chur. Dauer: rund 7 Stunden. Ab Chur je nach Zielort Postauto oder Rhätische Bahn. Dauer: ca. 90 Minuten.
Saison:
Juni bis Ende Oktober (Alp d‘Err bis 23. September).
Buchung:
Anmeldung direkt bei den Unterkünften. Individuelle Planung. Kein Gepäcktransport zwischen den Hütten.

Zielgruppe:

Junge Menschen, junggebliebene Menschen, Sportliche, Outdoor-Fans und Leute, die sich für die Alpwirtschaft interessieren.

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