Schuldneratlas

Trotz Bestwerten für Orte in der Region: Auch hier sitzen viele in der Schuldenfalle

vnp

15.11.2023, 13:59 Uhr
Eine Frau betrachtet offene Rechnungen: Weit mehr als 5,5 Millionen Deutsche sind stark verschuldet.

© imago images/McPHOTO, NN Eine Frau betrachtet offene Rechnungen: Weit mehr als 5,5 Millionen Deutsche sind stark verschuldet.

Die Überschuldungslage der Verbraucher ist ambivalent. Auf den ersten Blick hat sie sich 2023 nochmals leicht verbessert, teilt der Verband Creditreform mit. Nur noch 5,65 Millionen Menschen, das sind 233.000 Fälle weniger als 2022, gelten demnach in Deutschland aktuell als überschuldet. Offiziell ist das ein erneuter Tiefststand.

Aber: „Die vermeintlich guten Werte trügen leider“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. „Ohne statistische Sondereffekte messen wir erstmals seit 2019 einen Überschuldungszuwachs.“ Hintergrund ist eine Verkürzung der Speicherfristen für Restschuldbefreiungen von bisher drei Jahren auf nun sechs Monate. Nach alter Lesart gibt es rund 17.000 Fälle mehr als 2022.

Das Leben wird teurer

Seit 2020, mit Beginn der Corona-Krise, hatten sich die Überschuldungsfälle in drastischem Tempo verringert. Staatliche Hilfen und eine ausgeprägte Sparneigung schützten viele Verbraucher. „Die multiplen Krisen, insbesondere die anhaltende Inflation und die hohen Zinsen, verteuern das Leben der Verbraucher stetig“, so Hantzsch weiter. „Die Konsumlust der Bürger wächst aber wieder, obwohl fast alles deutlich teurer ist. Das wird viele finanziell überfordern.“ Da die Folgen einer Überschuldung (Stichwort Privatinsolvenz) erst zeitverzögert auftreten, rechnen die Analysten in den kommenden Monaten sogar mit steigenden Fallzahlen.

Neben der „verdeckten Trendumkehr“ ändern sich auch weitere Parameter. „Wir beobachten, dass nun erstmals seit 2020 die sogenannte „weiche“ Überschuldung, also nachhaltige Zahlungsstörungen, wieder ansteigt“, erläutert Michael Goy-Yun“, Geschäftsführer von Creditreform Boniversum und microm. „Drastisch gestiegene Lebenshaltungs- und Energiekosten haben im letzten Jahr die finanziellen Spielräume der Verbraucher deutlich eingeschränkt.“ Vor allem die sogenannten „Dauerüberschuldeten“ aus unteren sozialen Schichten hatten unter der Preisentwicklung zu leiden.

Mehr Zulauf für die Schuldnerberater

Die steigende Nachfrage nach Ratenkrediten und „Buy now, pay later“-Angeboten, die vor allem auf Jüngere und Frauen abzielen, bestätigten den Konsumtrend, heißt es weiter. „Auffällig sei zudem“, so Experte Goy-Yun, „dass einkommensschwache Haushalte weiterhin am meisten von Überschuldung betroffen sind“, während Gutverdiener öfter als bislang eine Schuldnerberatung in Anspruch genommen haben. „Ganz konkret können das Menschen sein, deren Immobilienfinanzierung in diesem Zinsumfeld ausläuft, die eine Anschlussfinanzierung brauchen und plötzlich mit enormen finanziellen Mehrbelastungen zurechtkommen müssen“, erläutert Goy-Yun.

Die Zahl der Überschuldungsfälle ist auch 2023 in beiden Teilen Deutschlands auf ähnlichem Niveau zurückgegangen – wenn auch nicht so stark wie in den Vorjahren. Im aktuellen Jahr weisen 394 Kreise und kreisfreie Städte in Deutschland (98,5 Prozent) einen Rückgang der Überschuldungsquote auf.

Unter den Landkreisen und Städten mit den niedrigsten Verschuldungsquoten liegen laut Creditreform-Angaben zwei in der Metropolregion: Erlangen-Höchstadt mit einer Quote von 3,9 Prozent sowie Neumarkt mit 4,17 Prozent. Sehr gut stehen auch Eichstätt (3,54), Schweinfurt (4,09) sowie Aichach-Friedberg (4,16) da. Schlusslichter in der Verschuldungsampel sind Bremerhaven (19,02), Pirmasens (16,72) und Gelsenkirchen (16,62).

Keine Kommentare