Geld zur Seite zu legen wird schwieriger

Energiekrise und steigende Preise: Geht der 50-30-20-Plan noch auf?

Alicia Kohl

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4.10.2022, 05:52 Uhr
Ist Sparen für Haushalte mit mittlerem und geringem Einkommen überhaupt noch möglich?

© IMAGO/Svetlana Karner Ist Sparen für Haushalte mit mittlerem und geringem Einkommen überhaupt noch möglich?

Sich zum Sparen zu ermahnen, ist schwer. Schließlich könnte man nochmal in den Urlaub fahren, mal wieder ins Kino oder ins Restaurant gehen oder entspannt durch die Stadt bummeln und neue Kleidung kaufen. Gerade jetzt, wo die Corona-Regeln all das auch wieder zulassen, ist die Lust dazu groß. Dazu kommt, dass die Preise in fast allen Bereichen immer weiter ansteigen. Bleibt da am Ende des Monats überhaupt noch Geld übrig, das man zur Seite legen kann?

Wie sich die Ausgaben im eigenen Haushalt idealerweise verteilen, gibt die so genannte 50-30-20-Grundregel vor. Das bedeutet, dass 50 Prozent des Nettoeinkommens für Grundbedürfnisse ausgegeben, 30 Prozent für Wünsche und persönliche Bedürfnisse und 20 Prozent für Ersparnisse oder das Ausgleichen von Schulden eingesetzt werden sollten. Bei einem Netto-Einkommen von 2500 Euro bedeutet das für Fixkosten monatlich 1250 Euro einzuplanen, für Freizeit und Co. 750 Euro und 500 Euro zu sparen.

Ähnlich ist die 60/40-Regel gelagert, die auch Sparkassen empfehlen: "Feste Ausgaben wie die Miete oder Kreditraten sollten nicht mehr als 60 Prozent der Gesamtausgaben betragen. 40 Prozent bleiben Ihnen für Ihre täglichen, veränderlichen Ausgaben."

Oft wird zudem geraten, zunächst einen Puffer von zwei bis drei Monatsgehältern auf dem Girokonto anzusparen, für unvorhergesehen Ausgaben wie größere Reparaturen.

Doch was gut klingt, ist derzeit eine massive Herausforderung: Nach Berechnungen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) benötigen aktuell bereits 60 Prozent der Haushalte ihre gesamten monatlichen Einkünfte und mehr, "um die laufenden Ausgaben zu decken". Laut DSGV-Präsident Helmut Schleweis werden auch Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 3600 Euro am Monatsende kein Geld mehr übrig haben, um es zur Seite zu legen. Manche müssten bereits jetzt auf die eigenen Ersparnisse zurückgreifen.

Andere finanzielle Realität

"Viele Haushalte, die über ein geringeres Einkommen verfügen, haben kein Geld zur Verfügung, um notwendige Rücklagen zu bilden für unerwartete größere Ausgaben, wie Reparatur, Ersatzbedarf etc.", sagt auch Michael Weinhold von der ISKA-Schuldnerberatung. Die 50-30-20-Regel stimme also nicht mit der finanziellen Realität vieler Haushalte überein - oder nicht mehr.

"Die Situation vieler Haushalte, insbesondere derer in der Schuldnerberatung, entsprechen nicht der Norm", sagt Weinhold. Besonders wenn man die aktuellen Zeiten mit zunehmenden Mietbelastungen, der Inflation und den extrem steigenden Preisen für Energie und Fahrtkosten betrachte, "dann hilft solch eine Regel überhaupt nichts, denn sie ist nur bei entsprechend höheren Einkommen und bereits bestehenden ausreichenden Reserven überhaupt realisierbar".

Ist Sparen trotzdem möglich?

Allerdings war bereits für Elizabeth Warren, auf deren Buch "All Your Worth: The Ultimate Lifetime Money Plan" (werblicher Link) von 2005 die berühmte Sparregelung zurückzuführen ist, diese Aufteilung nicht in Stein gemeißelt, wie es DSGV-Pressesprecher Thomas Rienecker ausdrückt. Denn auch wenn der Sparplan nicht oder nicht mehr in der Form aufgeht, ist es laut Rienecker dennoch wichtig, "sich einen Überblick über die regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben zu verschaffen".

Dafür empfiehlt er ein Haushaltsbuch, in dem die Ausgaben dokumentiert werden können. Dadurch könnten "Sparpotentiale" entdeckt werden, wie beispielsweise alte Handyverträge oder Versicherungen, die nicht mehr gebraucht werden. Außerdem hilft ein solches Haushaltsbuch dabei, jährlich wiederkehrende Fixkosten wie Beiträge für Versicherungen nicht zu vergessen, um davon nicht überrascht zu werden. "Und auch der tägliche Kaffee auf dem Weg zur Arbeit für 3,50 Euro macht am Ende des Monats über 70 Euro aus."

Auch Weinhold betont, dass eine Übersicht über die eigenen Finanzen essentiell ist. Ob man diese Auflistung nun über ein klassisches Haushaltsbuch, oder über eine App führt, ist dabei egal. Vor allem solle man regelmäßig Bilanz ziehen und so etwa ein- bis zweimal im Jahr ein durchschnittliches Monatsbudget errechnen. Will man nun sparen, sollte man seine Prioritäten setzen und demnach schauen, wo Kosten einzusparen sind. Besonders die Fixkosten sollte man möglichst gering halten, um in prekären Situationen flexibel zu sein. Bei Versicherungen und Handyverträgen könne man vergleichen, ob es günstigere Möglichkeiten gibt.

Flexible Kosten wie Kleidung oder Lebensmitteleinkäufe sind dagegen schwer zu erfassen, weshalb es sich laut Weinhold empfiehlt, die Ausgaben über mehrere Monate zu notieren und einen Durchschnitt zu errechnen. Solche Beträge könne man dann genauso wie Beträge, die man sparen möchte, entweder digital oder über ein Sparkonto zur Seite legen oder tatsächlich abheben und in einer Sparbüchse aufbewahren.

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