Neues Buch über die Universität in der NS-Zeit
Uni Erlangen: Warum Hitler von der Hochschule schwärmte
24.5.2022, 13:50 UhrSie arbeiteten und forschten schon während der Weimarer Republik nationalistisch, rassistisch und völkisch - die Professoren an der Universität Erlangen. "Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten tat sich die vergleichsweise kleine Universität zwar nicht als nationalsozialistische Vorzeigeinstitution hervor, doch hielt man mit Stolz die einstige Rolle als braune Vorkämpferin hoch", so Andreas Jakob, der Leiter des Stadtarchivs Erlangen.
Zehn Beiträge auf 640 Seiten
Er war im Team, das in jahrelanger Arbeit ein umfangreiches Buch konzipierte, das die Geschichte der Uni vor und während der Zeit des Nationalsozialismus unter die Lupe nimmt. Zehn Beiträge enthält das Werk. Sie beleuchten die Geschichte der damals fünf Fakultäten (Theologie, Jura, Medizin, Philosophie, Naturwissenschaften). Zudem geht es um das Verhältnis von Universität und Politik und eine besondere Episode in der Geschichte der Universitätsbibliothek. Ein zweiter Band soll in der zweiten Jahreshälfte erscheinen. Er liefert dann eine Zusammenschau der Universitätsgeschichte zwischen der Kaiserzeit und dem Ende der NS-Zeit.
"Beinahe ein kleiner Hitler"
Die Artikel des ersten Bandes im einzelnen: Hanns Christof Brennecke beleuchtet die bekanntermaßen wenig rühmliche Rolle der evangelischen Theologie an der Uni, Bernd Mertens untersuchte das Verhalten der Juristischen Fakultät. Philipp Rauh blickt auf die Mediziner - unter dem spannenden Titel "Reaktionäre Monarchisten, völkische Propagandisten und beinahe ein kleiner Hitler" - so bezeichnete sich ein Medizinprofessor.
Die Ärzteschaft gehörte zu den Berufsgruppen, die in der Regel am schnellsten und umfassendsten zum Nationalsozialismus wechselte. National und antidemokratisch dachten viele Mediziner schon vor der Machtergreifung. Philipp Rauh liefert da bedrückende Beispiele. Den Zahnmediziner Johannes Reinmöller etwa, der auf diversen Festen rechtsnationaler Kreise oder Burschenschaften zu "abgrundtiefem Hass gegen den Erbfeind und zu glühender Vaterlandsliebe bis zum letzten Atemzug" aufrief.
"Unflätiges Geschimpf auf die Republik"
Damals studierte Alfred Kantorowicz in Erlangen, nach dem Zweiten Weltkrieg ein bedeutender Literaturwissenschaftler. Er erinnerte sich 1948 an seine Zeit als Student und blickte auf "Deutsche Tage" ohne Ende: "Jede dieser Demonstrationen fand ihren Höhepunkt in unflätigem Geschimpf auf die Republik, die Juden, die Sozialisten, die Demokraten. Man war in einem ständigen und mit allen Narkotika der Massensuggestion gesteigerten Rausch. Es war, als feierte das ganze Frankenland... die gewaltigsten Siege, die das deutsche Volk je errang."
Das "Versailles-Syndrom" habe viele umgetrieben, so Stadtarchivar Jakob bei der Buchpräsentation - der Hass auf die Franzosen und auf die Republik war massiv. "Wei mehr als eine Bestandsaufnahme" sei der entstandene Band, sagte der Historiker Georg Seiderer, der noch jede Menge weiteren Forschungsbedarf sieht, um neue Details zum Thema zu präsentieren.
"Beste Auslese und absolut gesund und lebenshart"
Susanne Ude-Koeller liefert Porträts von zwei Zahnmedizinern. Zusammen mit Marion Voggenreiter beschreibt sie zudem den Umgang der Universität mit Zwangsarbeitern - die Überschrift ist ein Zitat von damals: "… beste Auslese und absolut gesund und lebenshart."
Seiderer blickt in dem Buch auf die Philosophische Fakultät, Uni-Archivar Clemens Wachter auf die Naturwissenschaftler. Matthias Klaus Braun untersuchte die studentische Organisation. Heinrich Hirschfelder steuert ein Kapitel über die Arbeit der Universitätsbibliothek bei.
Hier die Daten zum Buch:
Es erscheint in der Reihe: "Erlangen in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus". Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen 1918–1945, Teil I (Forschungen und Quellen zur Erlanger Stadtgeschichte, Band 1) herausgegeben vom Stadtarchiv Erlangen 640 Seiten, ca. 340 Abbildungen, Hardcover Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt a. d. Aisch, 2021 Preis: 39,90 €
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