Holger Schwiewagner im Interview
Kleeblatt-Geschäftsführer spricht über Spaß, Rückschläge und Investoren
30.11.2021, 06:00 UhrSie mussten zum dritten Mal in Folge einen Verlust verkünden, die Mannschaft ist historisch schlecht in die Bundesliga gestartet, die Pandemie schlägt wieder voll durch. Haben Sie gerade Spaß bei der Arbeit, Herr Schwiewagner?
Schwiewagner: (überlegt lange) Sagen wir es so: Ich stehe immer noch jeden Morgen auf und freue mich, in die Arbeit zu gehen. Es ist sicher nachvollziehbar, dass die Themen, mit denen wir uns beschäftigen müssen, gerade mit Hinblick auf die Pandemie, weniger Spaß bereiten. Für mich steht unter dem Strich jedoch, dass wir hier nach wie vor etwas entwickeln können und die Pandemie das nur bedingt beeinflusst.
Das heißt?
Schwiewagner: Wir haben mit dem Aufstieg ein Fundament für die kommenden Jahre gelegt. Auf diesem gilt es jetzt aufzubauen. Die Pandemie erschwert das natürlich, führt aber nicht dazu, dass ich den Spaß verliere.
Ihr Vorgänger Helmut Hack hat mal gesagt, Fürth sei die schwierigste Aufgabe im deutschen Profifußball. Empfinden Sie das auch so?
Schwiewagner: Er hat das ja auf die Rahmenbedingungen bezogen. Ich würde es als große Herausforderung sehen, gerade im Hinblick auf den Anspruch und die Machbarkeiten. Wenn man sich die vergangenen zwei Jahrzehnte anschaut, gehen wir aber einen sehr erfolgreichen Weg – mit mehr Ausschlägen nach oben als nach unten. Damit haben wir die Latte schon hoch gelegt, aber wir lassen uns auch gerne daran messen.
Sie haben schon mehrfach einen Umsatz von 30 Millionen Euro als Zielmarke ausgegeben. Hätte das Kleeblatt diesen in einer normalen Welt 2021 erreicht?
Schwiewagner: Wir waren auf einem guten Weg dahin. Wenn ich mir die Entwicklungen in verschiedenen Geschäftsbereichen wie Vermarktung und Ticketing anschaue, dann waren die Prognosen vor Corona so, dass wir in die Richtung gekommen wären.
Auf Dauer werden aber auch 30 Millionen nicht reichen, um auf hohem Niveau konkurrenzfähig zu sein. Selbst Vereine wie Augsburg oder Mainz setzen inzwischen dreistellige Millionenbeträge um.
Schwiewagner: Mit solchen Vergleichen bin ich immer sehr vorsichtig. Beide Vereine spielen seit zehn Jahren in der ersten Liga. Das ist ein Treppeneffekt. Mit jedem Jahr in der Bundesliga erhöhen sie ihr Potenzial, allein durch das Fernsehgeld. Das hat sich exorbitant entwickelt. In der aktuellen Rechteperiode gibt es erstmals weniger Geld – 200 Millionen Euro auf vier Jahre. Für uns ist wichtig, dass wir diese 30 Millionen perspektivisch erreichen können. Das haben wir durch den Aufstieg insofern geschafft, als dass wir in einem eventuellen Zweitligajahr die gleichen TV-Erlöse hätten wie in der vergangenen Saison. Trotz weniger Geld im Topf.
Auch im Zweitliga-Vergleich haben viele Vereine mehr Geld. Wie kann Fürth zu diesen aufschließen? Der sportliche Erfolg war ja da im vergangenen Jahr.
Schwiewagner: Ich bin mir sicher, dass wir im Aufstiegsjahr bei vielen Menschen eine vorhandene oder neue Euphorie für die Spielvereinigung hätten entfachen können, wenn wir vor Zuschauern gespielt hätten. Einfach durch die Art und Weise, wie mitreißend unsere Mannschaft Fußball gespielt hat. Außerdem stehen wir für Solidität und Vertrauen gegenüber Sponsoren. Wir haben über zwei Jahrzehnte bewiesen, dass wir mit dem uns anvertrauten Geld seriös arbeiten und keine verrückten Dinge machen. Das entspricht durchaus dem Selbstbild vieler Unternehmen. Auch hier sind wir also auf dem richtigen Weg. Wir müssen Geduld haben, denn durch die Pandemie zögern viele Firmen, wenn es um ein Engagement im Sport geht.
Vor zehn Jahren hat das Kleeblatt noch 15 Millionen Euro umgesetzt. Wenn wir jetzt über eine Verdopplung reden, stimmt die Richtung aus Sicht des Geschäftsführers zumindest, oder?
Schwiewagner: Die stimmt, ja. Wenn man drei Stufen überspringt und dann zwei abrutscht, ist man immer noch eine Stufe nach oben geklettert. Wenn ich überlege, dass wir in diesen zehn Jahren jetzt zum zweiten Mal Bundesliga spielen, haben wir einige Stufen genommen und in der langfristigen Betrachtung eine sehr positive Entwicklung. Kurzfristige Rückschläge muss man immer einkalkulieren.
Wie ambitioniert gehen Sie denn in die Zukunft? Im Verein hört man Stimmen, dass man nach einem Abstieg natürlich wieder aufsteigen will. Ist das auch Ihre Herangehensweise? Oder ist dafür die Konkurrenz zu groß?
Schwiewagner: Wenn wir bei der Bewertung unserer Potenziale für die Zukunft einzig und allein auf unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schauen würden, dann hätte ich ein Problem, mich und meine Mitarbeiter tagtäglich zu motivieren. Wir haben bewiesen, dass wir immer wieder in der Lage sind, die Gesetze des Marktes außer Kraft zu setzen, indem wir mit geringeren Mitteln maximalen Erfolg erreichen. Das ist unser Anspruch. Vor der Aufstiegssaison haben wir immer betont, dass wir uns keine Limits setzen. Das schreibe ich gerne auch über die kommenden Jahre. Sollten wir absteigen und sich in den nächsten Jahren die Chance ergeben, wieder aufzusteigen, werden wir diese Chance natürlich beim Schopfe packen.
Die ehemals graue Maus der zweiten Liga hat sich also etwas emanzipiert?
Schwiewagner: Wir haben in den vergangenen Jahren gelernt, aus einer vermeintlichen Schwäche eine Stärke zu machen. Wir können unsere Möglichkeiten gut einordnen, haben aber auch ein gesundes Selbstbewusstsein und ein Selbstverständnis entwickelt. Wir haben ein so gutes Team aufgebaut, dass wir Nachteile gut kompensieren können.
Ein Weg, finanziell weniger Nachteile zu haben, wäre der Einstieg eines Investors. Darüber wurde auch in Fürth immer wieder diskutiert. Suchen Sie gerade aktiv nach einem „strategischen Partner“, wie es gerne heißt?
Schwiewagner: Mit einer aktiven Suche habe ich ein Problem. Das wirkt immer sehr anbiedernd. Fakt ist aber auch, dass wir für so ein Thema offen sein müssen. Nicht für alles und jeden, weil es kurzfristig Geld bringt, sondern für Ansätze, die zu uns passen und mit denen wir gemeinsam mit einem Partner zur Weiterentwicklung des Vereins beitragen. Sollte es Ansätze geben, werden wir sehr genau hinschauen, aber immer das große Ganze im Blick haben und nichts tun, was für uns nur kurzfristigen Erfolg verspricht.
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