Sellin muss gehen - und bleibt doch

Der nächste Trainerwechsel: Diese Handball-Legende soll den HC Erlangen retten

Sebastian Böhm

Sportredaktion

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1.10.2024, 10:00 Uhr
Oliver Roggisch und Martin Schwalb voller Engagement bei einem Gastspiel der Rhein-Neckar Löwen beim HC Erlangen im Oktober 2020 - einer von beiden wird versuchen, den HCE in der Bundesliga zu stabilisieren.

© Sportfoto Zink / Oliver Gold/Sportfoto Zink / OGo Oliver Roggisch und Martin Schwalb voller Engagement bei einem Gastspiel der Rhein-Neckar Löwen beim HC Erlangen im Oktober 2020 - einer von beiden wird versuchen, den HCE in der Bundesliga zu stabilisieren.

Bewusst oder unbewusst - schon vor einem halben Jahr hatte eine der bekanntesten Persönlichkeiten, die Handball-Deutschland jemals hervorgebracht hat, vom HC Erlangen gesprochen. "Ich habe das Gefühl, dass es so manchen Verein gibt, der Ruhe und Erfahrung an der Seitenlinie gebrauchen könnte", hatte Martin Schwalb den "Kieler Nachrichten" erzählt. An diesem Dienstag haben einer dieser Vereine und der Mann, der Erfahrung wie kaum ein Zweiter hat und für Ruhe sorgen soll, zusammengefunden.

"Der HC Erlangen hat sich entschlossen, die Position des Cheftrainers neu zu besetzen", so beginnt die Pressemitteilung des Tabellenletzten der Handball-Bundesligisten. Nach vier Niederlagen in den ersten vier Saisonspielen wurde der junge Ex-Nationalspieler Johannes Sellin (33) seiner Aufgaben entbunden. Ersetzt wird er durch den bekannten Ex-Nationalspieler und Meistertrainer Martin Schwalb. Der 61-Jährige wird bereits am Mittwochabend (19.30 Uhr) in der Bayreuther Oberfrankenhalle auf der Trainerbank sitzen, wenn der HCE im DHB-Pokal gegen den VfL Gummersbach antritt.

Titel, Herzinfarkt, Rücktritt: das bewegte Leben des Martin Schwalb

Martin Schwalb war über zwei Jahrzehnte einer der erfolgsreichsten Torjäger der Bundesliga, mit TUSEM Essen und der SG Wallau/Massenheim holte er drei Meistertitel. Er vertrat Deutschland zweimal bei Olympischen Spielen, kommt auf 193 Länderspiele, in denen er 594 Tore erzielte. Nach dem unwiderruflichen Wechsel auf die Bank setzte er seine Erfolgskarriere einfach fort, wurde schon 2000 zum "Trainer des Jahres" gewählt. Seine persönliche Titelsammlung erweiterte er aber erst nach seinem Wechsel von der SG Wallau/Massenheim zum HSV Hamburg: Pokalsieger 2006 und 2010, Deutscher Meister 2011 und Champions-League-Sieger 2013. Im Juli 2014 aber sorgte sich Handball-Deutschland um den stattlichen Stuttgarter: Nach einem Herzinfarkt musste Schwalb notoperiert werden.

Schwalb organisierte nach der Insolvenz 2016 den Neuaufbau beim HSV, zwischendurch übernahm er ab Februar 2021 für eineinhalb Jahre das Traineramt bei den ambitionierten Rhein-Neckar Löwen, kehrte aber wieder nach Hamburg zurück. Kurios ist, dass auch der HCE die Vorgänge beim HSV im Frühjahr 2024 mit großem Interesse beobachtet hatte. Dem Hamburger Erstligisten wurde die Lizenz für die kommende Saison nur unter Vorbehalt erteilt. Doch nachdem die Lizenzierungskommission nicht erkannte, dass der HSV eine Liquiditätslücke hatte schließen können, wurde dem einstigen Meister die Lizenz verweigert. Im Abstiegskampf hätte ein Ausschluss des HSV dem HCE helfen können. Nach einem Einspruch wurde dem HSV wegen eines Formfehlers die Lizenz doch erteilt - allerdings unter weiteren Auflagen. Im August 2024 trat das Präsidium um Vize-Präsident Schwalb geschlossen zurück. Schwalb war bereit für eine neue Herausforderung.

Johannes Sellin soll beim HC Erlangen bleiben

"Ruhe" und "Erfahrung" ist nun, was sich der HCE von Schwalb erhofft, mit dem man sich offenbar sehr kurzfristig auf eine Zusammenarbeit geeinigt hat. Carsten Bissel, der Aufsichtsratsvorsitzende, und René Selke, der Geschäftsführer, sehen in der Mannschaft offenbar mehr Potenzial als zuletzt eine gute Halbzeit bei den Füchsen in Berlin. Beim 27:30 in der Hauptstadt gab Marko Bezjak sein Debüt. Der slowenische Spielmacher wurde in der Pressemitteilung explizit erwähnt: "Der Verein ist überzeugt, dass mit Schwalb, der einen 2 Jahres-Vertrag bei den Franken unterzeichnete, und den neu hinzugekommenen und hinzukommenden Spielern Bezjak, Gebala, Firnhaber und Büdel bis zum Jahresende ruhiges Fahrwasser erreicht werden kann."

Johannes Sellin, "der mit großer Leidenschaft und Loyalität sowie mit überragendem Einsatz alles in seiner Macht stehende getan hat, um den Erfolg nach Franken zu bringen", soll dem Trainerteam erhalten bleiben - allerdings in anderer Funktion. Für den Erfolg soll jemand sorgen, der überall Erfolg hatte.

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