Der tragische Tod des Handballers Heinz Grund bei der SpVgg Fürth

Martin Schano

Fürther Nachrichten

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20.2.2021, 11:30 Uhr
Der tragische Tod des Handballers Heinz Grund bei der SpVgg Fürth

© Foto: privat/Hans-Joachim Winckler

Als Hannelore "Lore" Reingruber den Bericht in der Zeitung über die Ansbacher Handballer Erwin Porzner und Volker Schneller liest, greift sie zum Hörer. "Ich habe gedacht, er hätte es mal verdient", beginnt sie ihre Geschichte. Es ist eine Tragödie, doch mit einer starken Frau in der Hauptrolle.


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Denn "er" ist Heinz Grund, eines der größten Handballtalente, die Fürth je gesehen hat. Lore Reingruber und er sind Anfang der 50er-Jahre 17, als sie sich ineinander verlieben. Er ist kurz zuvor mit seinen Eltern aus dem Sudetenland geflohen und bei seinen Großeltern in Großgründlach untergekommen.

Der tragische Tod des Handballers Heinz Grund bei der SpVgg Fürth

© Foto: privat/Hans-Joachim Winckler

Während der Zeit im Flüchtlingslager im hessischen Eschwege lernt das Sport-Ass so gut Handballspielen, dass sich schon nach kurzer Zeit bei der SpVgg Fürth die Gegner nach dem Auswahlspieler erkundigen. Der große TSV Ansbach macht ihm ein Angebot, doch es scheitert schlichtweg an der Distanz, "wir haben ja nur ein Fahrrad gehabt, ein Auto haben wir uns nicht leisten können", erzählt Reingruber.

Grunds Markenzeichen ist der Sprungwurf – was heute zum Standard-Repertoire der Handballer gehört, ist damals revolutionär. Reingruber spielt bei den SpVgg-Damen, die den Männern beim Training und den Spielen zusehen und umgekehrt. Grunds Jahrgang kommt fast geschlossen aus der Jugendabteilung in die Herren-Mannschaft.

Leberwurst vom Alten Forsthaus

"Die waren alle zwischen 20 und 23 Jahren alt. Sie waren noch nicht so gut, um Meister zu werden, aber das war im Aufbau." Sie erinnert sich an Reisen zu Turnieren nach Nürnberg und Prag. An den Aufstieg in die bayerische Oberliga, den sie in Heidingsfeld feiern. An Sommertage im Garten ihrer Eltern im Fürther Stadtteil Westvorstadt. "Mein Vater hat für die Studenten was übrig gehabt und hat ihnen Geld gegeben, damit wir beim Alten Forsthaus gegenüber Gurken, Leberwurst und einen Vierpfünder kaufen." Es sei eine harte Zeit gewesen, aber vielleicht genau deshalb mit einer einmaligen Kameradschaft.

Der tragische Tod des Handballers Heinz Grund bei der SpVgg Fürth

© Foto: privat/Hans-Joachim Winckler

Nachdem der Sommer 1955 vorbei ist, ist Lore Reingruber schwanger. Die beiden beschließen zu heiraten. Als der TSV Schwabach die SpVgg am 18. Dezember zu einem Hallenhandballturnier einlädt, sagt Heinz Grund ab. "Er wollte erst nicht mit, weil er seinen Hochzeitsanzug abholen wollte", weiß seine Verlobte noch wie heute. Doch er lässt sich überreden. "Dann bin ich mit meiner Schwiegermutter allein gegangen."

Heinz Grund kommt nicht wieder nach Hause. "Wir haben am Abend gewartet bei meinen Eltern und uns gewundert, wo er bleibt. Da standen sie zu dritt draußen mit den Kleidern überm Arm." Erst dann erfährt sie, was passiert ist.

Die Nürnberger Nachrichten schreiben: "Das Unglück geschah in der letzten Minute des Turniers in Schwabach. Grund hatte im Spiel gegen den TSV 04 Schwabach bei 9:8 zu einem Sprungwurf angesetzt . . ." Seine Mitspieler berichten ihr, dass ein Gegner ihn von hinten umriss, er verlor die Balance und knallte mit dem Hinterkopf auf den Hallenboden.

Die Mannschaft zerfällt

Die NN weiter: "Grund, der bei dieser unglücklichen Aktion noch das 10. Tor warf, hatte dabei eine schwere Gehirnerschütterung und eine Gehirnblutung erlitten. Mit Ausnahme eines Tages war er seit dem 18. Dezember bewusstlos gewesen." Es ist die Ausgabe vom 4. Januar 1956. Der Artikel endet mit dem Satz: "Mit ihm hat die SpVgg einen ihrer Besten verloren." Er erliegt seinen Verletzungen im Schwabacher Krankenhaus.


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Die Kameradschaft der Kleeblatt-Handballer ist ungebrochen: Während der quälend langen Zeit zwischen Verletzung und Tod statten ihr Grunds Mitspieler täglich einen Besuch ab und fragen, wie sie helfen können. Ein Kollege organisiert ein Auto, sie fahren jeden Abend ins Krankenhaus.

Das Team versucht irgendwie, die Saison zu Ende zu spielen, doch in den Jahren danach zerfällt es. "Das war nicht einfach für die Mannschaft, viele sind nicht zurechtgekommen mit dem Tod", sagt Reingruber. Und sie selbst? Im Mai darauf wird Tochter Birgit geboren. "Als Alleinerziehende hattest du noch ein G’schiss mit dem Jugendamt", schimpft sie.

"Es kommt darauf an, was man daraus macht"

Doch sie bekommt es hin, heiratet, arbeitet bei einer Versicherung, hat ein Haus mit Garten. Sie bringt einen Sohn zur Welt, ihre Tochter schenkt ihr zwei Enkel und einen Urenkel. Für die SpVgg steht sie bis zu einer Meniskusverletzung in 500 Handballspielen auf dem Feld, bei besonderen Partien sogar im Ronhof.

Als im März 1979 der Gummersbacher Jo Deckarm bei einem Sturz ein Schädel-Hirn-Trauma erleidet, muss sie an das Schicksal ihres Heinz denken. Und dann eben wieder, als sie den Artikel über Porzner und Schneller, diese famosen Ansbacher Handballer jener Zeit, in dieser Zeitung liest.

Sie sagt heute, mit 86 Jahren: "Wenn man sich in Schicksalsschläge reinsteigert, ist man verloren. Das Leben ist kein Honigschlecken. Es kommt nur drauf an, was man draus macht."

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