Die 50er Jahre auf'm Dorf

Die Pfofelder Vorhangreißer präsentieren heuer erstmals ein Stück aus eigener Feder

Miriam Zöllich

Weißenburger Tagblatt

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24.5.2024, 10:42 Uhr
Das erste eigene Theaterstück: Die Pfofelder Vorhangreißer bespielen ihre Kapellruine heuer mit dem Stück „Maikäfer flieg“, das im ländlichen Franken in der Wirtschaftswunderzeit spielt.

© Pfofelder Vorhangreißer Das erste eigene Theaterstück: Die Pfofelder Vorhangreißer bespielen ihre Kapellruine heuer mit dem Stück „Maikäfer flieg“, das im ländlichen Franken in der Wirtschaftswunderzeit spielt.

Elke Kolb von den Pfofelder Vorhangreißern hat ein Stück geschrieben, das die familiären und gesellschaftlichen Spannungen im ländlichen Franken der 50er Jahre thematisiert. Die Proben sind schon in vollem Gange, am 29. Juni ist Uraufführung von „Maikäfer flieg“ an der Kapellruine..

Dass die Corona-Pandemie kulturell auch positive Entwicklungen bewirkt hat, konnte man ja schon mehrfach feststellen. Viele Menschen mussten ihre Kreativität in neue Bahnen lenken, und so auch Elke Kolb. In der „Zwangsspielpause“ setzte sie sich hin und schrieb das Stück.

Mit vielen älteren Dorfbewohnern gesprochen

Eine kleine Sensation ist das, denn obwohl die Vorhangreißer mit ihrem Open Air an der Kappellruine enorm beliebt sind, haben sie bisher noch kein Stück aus eigener Feder gespielt, sondern eher mit großen Namen gelockt. Der „Besuch der Alten Dame“ etwa, „Robin Hood“ oder „Arsen und Spitzenhäubchen“ sind schon zur Aufführung gekommen.

Aber: „Wir wollten schon immer gerne was machen, das in den 50er- oder 60er-Jahren spielt“, erzählt Kolb. Aus Gesprächen mit Eltern, Großeltern oder vielen Dorfbewohnern in Pfofeld weiß die Autorin, dass diese Zeit zwischen Nachkriegsjahren und Wirtschaftswunder für die Menschen auch heute noch eine besondere Bedeutung hat.

Doch das wenige Theatermaterial, das es gibt, ist oft im urbanen Raum verortet. Themen wie die Flurbereinigung, neue technische Errungenschaften in Alltag und Landwirtschaft und eine Jugend, „die langsam mehr wollte“, die davon träumte, aus den vermeintlich vorgegebenen Lebenswegen auszuscheren.

„Nicht jeder durfte zum Beispiel auf eine höhere Schule gehen“, weiß Elke Kolb. Trotzdem begannen einige Menschen in der Zeit die Das-war-schon-immer-so-Dogmen infrage zu stellen.

„A bisserle frauenlastig“

Das Stück ist auch „a bisserle Frauenlastig“, sagt Kolb, fast schon entschuldigend. Das liegt mitunter daran, dass die Pfofelderin „Maikäfer flieg“ ihrem Theaterverein, den Vorhangreißern, auf den Leib geschneidert hat. Und da sind nun mal viele Frauen und Teenagerinnen. Aber es liegt auch an den Themen der Zeit, dass Frauenbiografien durchaus spannend sind und „so viel Stoff“ liefern, findet die Autorin.

Im Stück stehen drei Schwestern einer bäuerlichen Familie im Vordergrund. Die erste hat nach dem Krieg einen Flüchtling geheiratet. Im Dorf raunt man, er habe sich „ins gemachte Nest gesetzt“. Die zweite Schwester arbeitete als Schreibkraft für die amerikanischen Besatzer und war schnell als „Amiflittchen“ verschrien.

Sie brannte mit einem GI durch – und steht nun 15 Jahre später plötzlich wieder bei ihrer Familie vor der Tür. Das sorgt dafür, dass viele totgeschwiegenen Themen in der Familie zur Sprache kommen und alte Wunden aufgerissen wurden. Auch die Geschichte der dritten Schwester ist nämlich dramatisch.

Spannende Biografien

Es sind Geschichten, Begebenheiten und Biografien, die keinen konkreten Dorfbewohnern von Pfofeld zugeordnet werden können. Aber es sind Geschichten, die sich so oder so ähnlich in vielen fränkischen Dörfern in der Nachkriegszeit abgespielt haben. Das Stück „Maikäfer flieg“ könnte also auch von anderen Theaterensembles umgesetzt werden, sofern Elke Kolb es an einen Theaterverlag zur Veröffentlichung schickt.

Primär wollte die Pfofelderin aber ein Stück für ihre Vorhangreißer und für die Kappellruine schreiben – und die Vereinsmitglieder fanden bei der Vorstellung des Stücks auch schnell Gefallen daran. Die ersten Open-Air-Proben fanden aufgrund des milden Wetters Mitte April bereits statt, „wir liegen gut im Zeitplan“, freut Kolb.

Ein paar neue Sitzbänke für die Zuschauerreihen hat der Verein ebenfalls angeschafft, und hofft, die Ausgaben hierfür wieder reinspielen zu können. Schließlich ist die Aufführung eines eigenen Stücks eine kleine Überraschungskiste: Ob es zieht, wird sich rausstellen.

Die Vorhangreißer dürfen aber zuversichtlich sein, schließlich haben sie sie sich in den vergangenen knapp 25 Jahren ein treues Stammpublikum erspielt. Insgesamt neun Aufführungstermine bis Anfang August, Karten gibt es ausschließlich an der Abendkasse, weitere Infos und Terminübersicht unter www.vorhangreisser.de

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